Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

I Th. Thierische Seelenkräfte.
füßigen Wasserthieren, oder Wallfischartigen, obgleich ei-
nige dem Meerkalbe ein großes, und zwar ein größeres als
dem gemeinen Kalbe geben, und ob man gleich behauptet,
daß es im Braunfische groß und im Delphine am größten
sey. Man hat das Gegentheil davon gefunden. -- Die
meisten Vögel haben ein großes Gehirn, wiewohl es im
Straußen, Kramsvogel, indianischen Huhne, der Gans,
und in der Klasse der Fleischfräßigen kleiner ist. Der Ca-
narienvogel scheint unter allen das größte zu besitzen. Jn
der Klasse der Thiere, die dem Menschen am nächsten kom-
men, hat der Pygmäe, den Eduard Tyson beschreibt,
ein großes Gehirn; denn obgleich dieses Thier nicht länger
als 26 Zoll gewesen, wogegen der Mensch bis sechs Fuß
hoch wird, so wog doch sein Gehirn 11 Unzen 7 Quent-
chen, da bisweilen ein erwachsener Mensch nur anderthalb
Pfund Gehirn hat, obwohl es auch zuweilen noch einmal
so schwer, ja gar bis fünf Pfund und drüber gewogen. --
Man hat von je her angegeben, daß der Mensch unter den
Thieren das größte Gehirn habe, und es ist nicht nöthig,
diese aus der Beobachtung der Natur hergeleitete Angabe
zu verändern. Unter den vierfüßigen hat hierinnen kein
einziges vor dem Menschen einen Vorzug: die meisten ha-
ben es kleiner, und in der Vergleichung ist das Gehirn des
Menschen größer, als im Ochsen oder Pferde. Die kleinen
Vögel, welche entweder ein gleich großes, oder gar ein
größeres haben, sind dagegen ungemein mager, und der
Mensch fett, wiewohl man das Fett nicht in Betrachtung
ziehen muß, da es nicht unter die eigentlichen Bestandthei-
le eines thierischen Körpers gehöret. Die Vögel haben über-
dem sehr große Augen. -- Die Markrinde des Ge-
hirns
hat in den vierfüßigen Thieren und in den vordern
Gehirnlappen der Vögel, so wie im kleinen Gehirne, ei-
nerley Lage. Jn den Seefischen und einigen größern soll
sie wenig von einer Gallert verschieden seyn: allein man hat
vermuthlich das Oel, was das Gehirn der Fische zu umge-
ben pflegt, mit der Markrinde desselben verwechselt: denn

es

I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte.
fuͤßigen Waſſerthieren, oder Wallfiſchartigen, obgleich ei-
nige dem Meerkalbe ein großes, und zwar ein groͤßeres als
dem gemeinen Kalbe geben, und ob man gleich behauptet,
daß es im Braunfiſche groß und im Delphine am groͤßten
ſey. Man hat das Gegentheil davon gefunden. — Die
meiſten Voͤgel haben ein großes Gehirn, wiewohl es im
Straußen, Kramsvogel, indianiſchen Huhne, der Gans,
und in der Klaſſe der Fleiſchfraͤßigen kleiner iſt. Der Ca-
narienvogel ſcheint unter allen das groͤßte zu beſitzen. Jn
der Klaſſe der Thiere, die dem Menſchen am naͤchſten kom-
men, hat der Pygmaͤe, den Eduard Tyſon beſchreibt,
ein großes Gehirn; denn obgleich dieſes Thier nicht laͤnger
als 26 Zoll geweſen, wogegen der Menſch bis ſechs Fuß
hoch wird, ſo wog doch ſein Gehirn 11 Unzen 7 Quent-
chen, da bisweilen ein erwachſener Menſch nur anderthalb
Pfund Gehirn hat, obwohl es auch zuweilen noch einmal
ſo ſchwer, ja gar bis fuͤnf Pfund und druͤber gewogen. —
Man hat von je her angegeben, daß der Menſch unter den
Thieren das groͤßte Gehirn habe, und es iſt nicht noͤthig,
dieſe aus der Beobachtung der Natur hergeleitete Angabe
zu veraͤndern. Unter den vierfuͤßigen hat hierinnen kein
einziges vor dem Menſchen einen Vorzug: die meiſten ha-
ben es kleiner, und in der Vergleichung iſt das Gehirn des
Menſchen groͤßer, als im Ochſen oder Pferde. Die kleinen
Voͤgel, welche entweder ein gleich großes, oder gar ein
groͤßeres haben, ſind dagegen ungemein mager, und der
Menſch fett, wiewohl man das Fett nicht in Betrachtung
ziehen muß, da es nicht unter die eigentlichen Beſtandthei-
le eines thieriſchen Koͤrpers gehoͤret. Die Voͤgel haben uͤber-
dem ſehr große Augen. — Die Markrinde des Ge-
hirns
hat in den vierfuͤßigen Thieren und in den vordern
Gehirnlappen der Voͤgel, ſo wie im kleinen Gehirne, ei-
nerley Lage. Jn den Seefiſchen und einigen groͤßern ſoll
ſie wenig von einer Gallert verſchieden ſeyn: allein man hat
vermuthlich das Oel, was das Gehirn der Fiſche zu umge-
ben pflegt, mit der Markrinde deſſelben verwechſelt: denn

es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0050" n="26"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I</hi> Th. Thieri&#x017F;che Seelenkra&#x0364;fte.</hi></fw><lb/>
fu&#x0364;ßigen Wa&#x017F;&#x017F;erthieren, oder Wallfi&#x017F;chartigen, obgleich ei-<lb/>
nige dem Meerkalbe ein großes, und zwar ein gro&#x0364;ßeres als<lb/>
dem gemeinen Kalbe geben, und ob man gleich behauptet,<lb/>
daß es im Braunfi&#x017F;che groß und im Delphine am gro&#x0364;ßten<lb/>
&#x017F;ey. Man hat das Gegentheil davon gefunden. &#x2014; Die<lb/>
mei&#x017F;ten Vo&#x0364;gel haben ein großes Gehirn, wiewohl es im<lb/>
Straußen, Kramsvogel, indiani&#x017F;chen Huhne, der Gans,<lb/>
und in der Kla&#x017F;&#x017F;e der Flei&#x017F;chfra&#x0364;ßigen kleiner i&#x017F;t. Der Ca-<lb/>
narienvogel &#x017F;cheint unter allen das gro&#x0364;ßte zu be&#x017F;itzen. Jn<lb/>
der Kla&#x017F;&#x017F;e der Thiere, die dem Men&#x017F;chen am na&#x0364;ch&#x017F;ten kom-<lb/>
men, hat der Pygma&#x0364;e, den <hi rendition="#fr">Eduard Ty&#x017F;on</hi> be&#x017F;chreibt,<lb/>
ein großes Gehirn; denn obgleich die&#x017F;es Thier nicht la&#x0364;nger<lb/>
als 26 Zoll gewe&#x017F;en, wogegen der Men&#x017F;ch bis &#x017F;echs Fuß<lb/>
hoch wird, &#x017F;o wog doch &#x017F;ein Gehirn 11 Unzen 7 Quent-<lb/>
chen, da bisweilen ein erwach&#x017F;ener Men&#x017F;ch nur anderthalb<lb/>
Pfund Gehirn hat, obwohl es auch zuweilen noch einmal<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chwer, ja gar bis fu&#x0364;nf Pfund und dru&#x0364;ber gewogen. &#x2014;<lb/>
Man hat von je her angegeben, daß der Men&#x017F;ch unter den<lb/>
Thieren das gro&#x0364;ßte Gehirn habe, und es i&#x017F;t nicht no&#x0364;thig,<lb/>
die&#x017F;e aus der Beobachtung der Natur hergeleitete Angabe<lb/>
zu vera&#x0364;ndern. Unter den vierfu&#x0364;ßigen hat hierinnen kein<lb/>
einziges vor dem Men&#x017F;chen einen Vorzug: die mei&#x017F;ten ha-<lb/>
ben es kleiner, und in der Vergleichung i&#x017F;t das Gehirn des<lb/>
Men&#x017F;chen gro&#x0364;ßer, als im Och&#x017F;en oder Pferde. Die kleinen<lb/>
Vo&#x0364;gel, welche entweder ein gleich großes, oder gar ein<lb/>
gro&#x0364;ßeres haben, &#x017F;ind dagegen ungemein mager, und der<lb/>
Men&#x017F;ch fett, wiewohl man das Fett nicht in Betrachtung<lb/>
ziehen muß, da es nicht unter die eigentlichen Be&#x017F;tandthei-<lb/>
le eines thieri&#x017F;chen Ko&#x0364;rpers geho&#x0364;ret. Die Vo&#x0364;gel haben u&#x0364;ber-<lb/>
dem &#x017F;ehr große Augen. &#x2014; Die <hi rendition="#fr">Markrinde des Ge-<lb/>
hirns</hi> hat in den vierfu&#x0364;ßigen Thieren und in den vordern<lb/>
Gehirnlappen der Vo&#x0364;gel, &#x017F;o wie im kleinen Gehirne, ei-<lb/>
nerley Lage. Jn den Seefi&#x017F;chen und einigen gro&#x0364;ßern &#x017F;oll<lb/>
&#x017F;ie wenig von einer Gallert ver&#x017F;chieden &#x017F;eyn: allein man hat<lb/>
vermuthlich das Oel, was das Gehirn der Fi&#x017F;che zu umge-<lb/>
ben pflegt, mit der Markrinde de&#x017F;&#x017F;elben verwech&#x017F;elt: denn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">es</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0050] I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. fuͤßigen Waſſerthieren, oder Wallfiſchartigen, obgleich ei- nige dem Meerkalbe ein großes, und zwar ein groͤßeres als dem gemeinen Kalbe geben, und ob man gleich behauptet, daß es im Braunfiſche groß und im Delphine am groͤßten ſey. Man hat das Gegentheil davon gefunden. — Die meiſten Voͤgel haben ein großes Gehirn, wiewohl es im Straußen, Kramsvogel, indianiſchen Huhne, der Gans, und in der Klaſſe der Fleiſchfraͤßigen kleiner iſt. Der Ca- narienvogel ſcheint unter allen das groͤßte zu beſitzen. Jn der Klaſſe der Thiere, die dem Menſchen am naͤchſten kom- men, hat der Pygmaͤe, den Eduard Tyſon beſchreibt, ein großes Gehirn; denn obgleich dieſes Thier nicht laͤnger als 26 Zoll geweſen, wogegen der Menſch bis ſechs Fuß hoch wird, ſo wog doch ſein Gehirn 11 Unzen 7 Quent- chen, da bisweilen ein erwachſener Menſch nur anderthalb Pfund Gehirn hat, obwohl es auch zuweilen noch einmal ſo ſchwer, ja gar bis fuͤnf Pfund und druͤber gewogen. — Man hat von je her angegeben, daß der Menſch unter den Thieren das groͤßte Gehirn habe, und es iſt nicht noͤthig, dieſe aus der Beobachtung der Natur hergeleitete Angabe zu veraͤndern. Unter den vierfuͤßigen hat hierinnen kein einziges vor dem Menſchen einen Vorzug: die meiſten ha- ben es kleiner, und in der Vergleichung iſt das Gehirn des Menſchen groͤßer, als im Ochſen oder Pferde. Die kleinen Voͤgel, welche entweder ein gleich großes, oder gar ein groͤßeres haben, ſind dagegen ungemein mager, und der Menſch fett, wiewohl man das Fett nicht in Betrachtung ziehen muß, da es nicht unter die eigentlichen Beſtandthei- le eines thieriſchen Koͤrpers gehoͤret. Die Voͤgel haben uͤber- dem ſehr große Augen. — Die Markrinde des Ge- hirns hat in den vierfuͤßigen Thieren und in den vordern Gehirnlappen der Voͤgel, ſo wie im kleinen Gehirne, ei- nerley Lage. Jn den Seefiſchen und einigen groͤßern ſoll ſie wenig von einer Gallert verſchieden ſeyn: allein man hat vermuthlich das Oel, was das Gehirn der Fiſche zu umge- ben pflegt, mit der Markrinde deſſelben verwechſelt: denn es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/50
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/50>, abgerufen am 21.11.2024.