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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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1 Kap. Die thierischen Maschinen überhaupt.
es ist das Gehirn auch im Karpfen gleichsam mit Oele um-
gossen, und es ist dem ungeachtet wirklich vorhanden, und
wie das beschaffen, welches die vierfüßigen haben. -- Von
den Abänderungen der Strucktur des Gehirns in verschie-
denen Gattungen der Thiere, die allerdings beträchtlich
sind, wird es um desto weniger nöthig seyn, in diesen An-
fangsgründen eine Beschreibung zu machen, je geringer
der Nutzen einer solchen Erkenntniß bis itzt wäre, da wir
die natürlichen Verrichtungen der besondern Theile des Ge-
hirns doch nicht kennen.

Das Hirnlein haben alle vierfüßige Thiere und Vö-
gel mit dem Menschen gemein, ja man findet es so gar,
oder doch etwas sehr Aehnliches davon, auch in den Fischen.
Hingegen mangelt das kleine Gehirn den Jnsekten. Es
ist im Menschen, in verschiedener Betrachtung kleiner, als
das große Gehirn, und unterscheidet sich, was den Bau
betrifft, weder durch die Weiche noch Härte vom Gehirne,
da es hingegen viel mehr von dem markrindigen Wesen be-
sitzt, und dieses an sich weicher, als das Mark ist. Gemei-
niglich ist das Hirnlein im Menschen um neunmal kleiner,
als das große Gehirn. Hiervon weicht nicht sehr das Ver-
hältniß im Ochsen, Hunde, und Fuchse ab. Jm Pferde
hingegen ist es nach Proportion fünfmal kleiner, welches
sich auch in dem Schaafe so befindet. Es ist größer in
dem Geschlechte der Mäuse, und gemeiniglich dreymal so
klein als das große Gehirn in der Hausratze, größer in der
Feldmaus und am allergrößten in der Hausmaus, näm-
lich nur um zweymal kleiner. Folglich hat der Mensch nach
Proportion des Gehirns unter allen Thieren das kleinste
Hirnlein.

Was das Rückenmark betrifft, so besitzen die Jn-
sekten und Würmer diesen Haupttheil des Nervensystems,
und die Fische ebenfalls. - Jn diesen Geschöpfen von lan-
gem Leibe und kleinem Kopfe ist das Gehirn kaum um ei-
nige Knoten größer, als das Rückenmark, und es läßt sich
in diesem Falle die Meynung einiger alten Weltweisen ent-

schuldi-

1 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt.
es iſt das Gehirn auch im Karpfen gleichſam mit Oele um-
goſſen, und es iſt dem ungeachtet wirklich vorhanden, und
wie das beſchaffen, welches die vierfuͤßigen haben. — Von
den Abaͤnderungen der Strucktur des Gehirns in verſchie-
denen Gattungen der Thiere, die allerdings betraͤchtlich
ſind, wird es um deſto weniger noͤthig ſeyn, in dieſen An-
fangsgruͤnden eine Beſchreibung zu machen, je geringer
der Nutzen einer ſolchen Erkenntniß bis itzt waͤre, da wir
die natuͤrlichen Verrichtungen der beſondern Theile des Ge-
hirns doch nicht kennen.

Das Hirnlein haben alle vierfuͤßige Thiere und Voͤ-
gel mit dem Menſchen gemein, ja man findet es ſo gar,
oder doch etwas ſehr Aehnliches davon, auch in den Fiſchen.
Hingegen mangelt das kleine Gehirn den Jnſekten. Es
iſt im Menſchen, in verſchiedener Betrachtung kleiner, als
das große Gehirn, und unterſcheidet ſich, was den Bau
betrifft, weder durch die Weiche noch Haͤrte vom Gehirne,
da es hingegen viel mehr von dem markrindigen Weſen be-
ſitzt, und dieſes an ſich weicher, als das Mark iſt. Gemei-
niglich iſt das Hirnlein im Menſchen um neunmal kleiner,
als das große Gehirn. Hiervon weicht nicht ſehr das Ver-
haͤltniß im Ochſen, Hunde, und Fuchſe ab. Jm Pferde
hingegen iſt es nach Proportion fuͤnfmal kleiner, welches
ſich auch in dem Schaafe ſo befindet. Es iſt groͤßer in
dem Geſchlechte der Maͤuſe, und gemeiniglich dreymal ſo
klein als das große Gehirn in der Hausratze, groͤßer in der
Feldmaus und am allergroͤßten in der Hausmaus, naͤm-
lich nur um zweymal kleiner. Folglich hat der Menſch nach
Proportion des Gehirns unter allen Thieren das kleinſte
Hirnlein.

Was das Ruͤckenmark betrifft, ſo beſitzen die Jn-
ſekten und Wuͤrmer dieſen Haupttheil des Nervenſyſtems,
und die Fiſche ebenfalls. ‒ Jn dieſen Geſchoͤpfen von lan-
gem Leibe und kleinem Kopfe iſt das Gehirn kaum um ei-
nige Knoten groͤßer, als das Ruͤckenmark, und es laͤßt ſich
in dieſem Falle die Meynung einiger alten Weltweiſen ent-

ſchuldi-
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[27/0051] 1 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. es iſt das Gehirn auch im Karpfen gleichſam mit Oele um- goſſen, und es iſt dem ungeachtet wirklich vorhanden, und wie das beſchaffen, welches die vierfuͤßigen haben. — Von den Abaͤnderungen der Strucktur des Gehirns in verſchie- denen Gattungen der Thiere, die allerdings betraͤchtlich ſind, wird es um deſto weniger noͤthig ſeyn, in dieſen An- fangsgruͤnden eine Beſchreibung zu machen, je geringer der Nutzen einer ſolchen Erkenntniß bis itzt waͤre, da wir die natuͤrlichen Verrichtungen der beſondern Theile des Ge- hirns doch nicht kennen. Das Hirnlein haben alle vierfuͤßige Thiere und Voͤ- gel mit dem Menſchen gemein, ja man findet es ſo gar, oder doch etwas ſehr Aehnliches davon, auch in den Fiſchen. Hingegen mangelt das kleine Gehirn den Jnſekten. Es iſt im Menſchen, in verſchiedener Betrachtung kleiner, als das große Gehirn, und unterſcheidet ſich, was den Bau betrifft, weder durch die Weiche noch Haͤrte vom Gehirne, da es hingegen viel mehr von dem markrindigen Weſen be- ſitzt, und dieſes an ſich weicher, als das Mark iſt. Gemei- niglich iſt das Hirnlein im Menſchen um neunmal kleiner, als das große Gehirn. Hiervon weicht nicht ſehr das Ver- haͤltniß im Ochſen, Hunde, und Fuchſe ab. Jm Pferde hingegen iſt es nach Proportion fuͤnfmal kleiner, welches ſich auch in dem Schaafe ſo befindet. Es iſt groͤßer in dem Geſchlechte der Maͤuſe, und gemeiniglich dreymal ſo klein als das große Gehirn in der Hausratze, groͤßer in der Feldmaus und am allergroͤßten in der Hausmaus, naͤm- lich nur um zweymal kleiner. Folglich hat der Menſch nach Proportion des Gehirns unter allen Thieren das kleinſte Hirnlein. Was das Ruͤckenmark betrifft, ſo beſitzen die Jn- ſekten und Wuͤrmer dieſen Haupttheil des Nervenſyſtems, und die Fiſche ebenfalls. ‒ Jn dieſen Geſchoͤpfen von lan- gem Leibe und kleinem Kopfe iſt das Gehirn kaum um ei- nige Knoten groͤßer, als das Ruͤckenmark, und es laͤßt ſich in dieſem Falle die Meynung einiger alten Weltweiſen ent- ſchuldi-

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/51>, abgerufen am 10.05.2024.