Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

II Th. Nervenk. 3 Kap. des inn. sinnl. Eindr.
sinnlichen Eindrucke sind. Es können zwar solche Be-
rührungen zugleich denselben Nerven auch durch äußere
sinnliche Eindrücke sinnlich rühren, in so fern die Berüh-
rung zugleich in der Richtung nach dem Gehirne hin im
Nerven aufsteigt, und können also auch zugleich empfunden
werden: aber in dieser Absicht tragen sie zu den thierischen
Bewegungen nichts bey, die der zugleich geschehene ur-
sprüngliche innere sinnliche Eindruck erreget. §. 484.

§. 491.

Die Erfahrung lehret, daß es dergleichen Nervenwir-
kungen von ursprünglichen sinnlichen Eindrücken ohne Vor-
stellungen in thierischen Körpern allerdings gebe; die deut-
lichsten sind aber gemeiniglich widernatürlich. Man
kann von gewissen Zuckungen, Krämpsen, Convulsionen
und Erstarrungen der Muskeln und Glieder in Krankhei-
ten, die ohne Veranlassung irgend einer Vorstellung, oder
äußern Empfindung, ja auch ohne irgend einen äußern
sinnlichen Eindruck in die Nerven, die sie bewegen, gesche-
hen, mithin weder Seelenwirkungen, noch mittelbare Ner-
venwirkungen äußerer sinnlicher Eindrücke sind, keinen an-
dern Grund finden, als daß eine gewisse reizende, ätzende,
scharfe Materie sich auf ihre Nervenstämme wenden, und
ihnen ursprüngliche innere sinnliche Eindrücke beybringen
muß, die diese Nervenwirkungen verursachen. Bey Leu-
ten, deren ganze Masse der Säfte scharf, oder sonst auf
eine solche Art verdorben ist, daß sie, wenn sie an die Ner-
ven kömmt, ihr Mark unnatürlich sinnlich reizen muß, be-
merket man diese besondern Bewegungen am meisten; so
auch, wenn ein Geschwür den Stamm eines Nerven zer-
naget, und die Glieder, denen dieser Nerve sich einverlei-
bet, auf mancherley widernatürliche Weise thierisch bewe-
get; oder wenn eine Geschwulst, ein fremder Körper, etc.
die Nervenstämme, und dadurch die Muskeln, zu wider-
natürlichen Bewegungen reizet. Beyspiele von natürli-
chen
ursprünglichen sinnlichen Eindrücken ohne Vorstel-

lungen,

II Th. Nervenk. 3 Kap. des inn. ſinnl. Eindr.
ſinnlichen Eindrucke ſind. Es koͤnnen zwar ſolche Be-
ruͤhrungen zugleich denſelben Nerven auch durch aͤußere
ſinnliche Eindruͤcke ſinnlich ruͤhren, in ſo fern die Beruͤh-
rung zugleich in der Richtung nach dem Gehirne hin im
Nerven aufſteigt, und koͤnnen alſo auch zugleich empfunden
werden: aber in dieſer Abſicht tragen ſie zu den thieriſchen
Bewegungen nichts bey, die der zugleich geſchehene ur-
ſpruͤngliche innere ſinnliche Eindruck erreget. §. 484.

§. 491.

Die Erfahrung lehret, daß es dergleichen Nervenwir-
kungen von urſpruͤnglichen ſinnlichen Eindruͤcken ohne Vor-
ſtellungen in thieriſchen Koͤrpern allerdings gebe; die deut-
lichſten ſind aber gemeiniglich widernatuͤrlich. Man
kann von gewiſſen Zuckungen, Kraͤmpſen, Convulſionen
und Erſtarrungen der Muskeln und Glieder in Krankhei-
ten, die ohne Veranlaſſung irgend einer Vorſtellung, oder
aͤußern Empfindung, ja auch ohne irgend einen aͤußern
ſinnlichen Eindruck in die Nerven, die ſie bewegen, geſche-
hen, mithin weder Seelenwirkungen, noch mittelbare Ner-
venwirkungen aͤußerer ſinnlicher Eindruͤcke ſind, keinen an-
dern Grund finden, als daß eine gewiſſe reizende, aͤtzende,
ſcharfe Materie ſich auf ihre Nervenſtaͤmme wenden, und
ihnen urſpruͤngliche innere ſinnliche Eindruͤcke beybringen
muß, die dieſe Nervenwirkungen verurſachen. Bey Leu-
ten, deren ganze Maſſe der Saͤfte ſcharf, oder ſonſt auf
eine ſolche Art verdorben iſt, daß ſie, wenn ſie an die Ner-
ven koͤmmt, ihr Mark unnatuͤrlich ſinnlich reizen muß, be-
merket man dieſe beſondern Bewegungen am meiſten; ſo
auch, wenn ein Geſchwuͤr den Stamm eines Nerven zer-
naget, und die Glieder, denen dieſer Nerve ſich einverlei-
bet, auf mancherley widernatuͤrliche Weiſe thieriſch bewe-
get; oder wenn eine Geſchwulſt, ein fremder Koͤrper, ꝛc.
die Nervenſtaͤmme, und dadurch die Muskeln, zu wider-
natuͤrlichen Bewegungen reizet. Beyſpiele von natuͤrli-
chen
urſpruͤnglichen ſinnlichen Eindruͤcken ohne Vorſtel-

lungen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0512" n="488"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II</hi> Th. Nervenk. 3 Kap. des inn. &#x017F;innl. Eindr.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;innlichen Eindrucke</hi> &#x017F;ind. Es ko&#x0364;nnen zwar &#x017F;olche Be-<lb/>
ru&#x0364;hrungen zugleich den&#x017F;elben Nerven auch durch a&#x0364;ußere<lb/>
&#x017F;innliche Eindru&#x0364;cke &#x017F;innlich ru&#x0364;hren, in &#x017F;o fern die Beru&#x0364;h-<lb/>
rung zugleich in der Richtung nach dem Gehirne hin im<lb/>
Nerven auf&#x017F;teigt, und ko&#x0364;nnen al&#x017F;o auch zugleich empfunden<lb/>
werden: aber in die&#x017F;er Ab&#x017F;icht tragen &#x017F;ie zu den thieri&#x017F;chen<lb/>
Bewegungen nichts bey, die der zugleich ge&#x017F;chehene ur-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;ngliche innere &#x017F;innliche Eindruck erreget. §. 484.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 491.</head><lb/>
              <p>Die Erfahrung lehret, daß es dergleichen Nervenwir-<lb/>
kungen von ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen &#x017F;innlichen Eindru&#x0364;cken ohne Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen in thieri&#x017F;chen Ko&#x0364;rpern allerdings gebe; die deut-<lb/>
lich&#x017F;ten &#x017F;ind aber gemeiniglich <hi rendition="#fr">widernatu&#x0364;rlich.</hi> Man<lb/>
kann von gewi&#x017F;&#x017F;en Zuckungen, Kra&#x0364;mp&#x017F;en, Convul&#x017F;ionen<lb/>
und Er&#x017F;tarrungen der Muskeln und Glieder in Krankhei-<lb/>
ten, die ohne Veranla&#x017F;&#x017F;ung irgend einer Vor&#x017F;tellung, oder<lb/>
a&#x0364;ußern Empfindung, ja auch ohne irgend einen a&#x0364;ußern<lb/>
&#x017F;innlichen Eindruck in die Nerven, die &#x017F;ie bewegen, ge&#x017F;che-<lb/>
hen, mithin weder Seelenwirkungen, noch mittelbare Ner-<lb/>
venwirkungen a&#x0364;ußerer &#x017F;innlicher Eindru&#x0364;cke &#x017F;ind, keinen an-<lb/>
dern Grund finden, als daß eine gewi&#x017F;&#x017F;e reizende, a&#x0364;tzende,<lb/>
&#x017F;charfe Materie &#x017F;ich auf ihre Nerven&#x017F;ta&#x0364;mme wenden, und<lb/>
ihnen ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche innere &#x017F;innliche Eindru&#x0364;cke beybringen<lb/>
muß, die die&#x017F;e Nervenwirkungen verur&#x017F;achen. Bey Leu-<lb/>
ten, deren ganze Ma&#x017F;&#x017F;e der Sa&#x0364;fte &#x017F;charf, oder &#x017F;on&#x017F;t auf<lb/>
eine &#x017F;olche Art verdorben i&#x017F;t, daß &#x017F;ie, wenn &#x017F;ie an die Ner-<lb/>
ven ko&#x0364;mmt, ihr Mark unnatu&#x0364;rlich &#x017F;innlich reizen muß, be-<lb/>
merket man die&#x017F;e be&#x017F;ondern Bewegungen am mei&#x017F;ten; &#x017F;o<lb/>
auch, wenn ein Ge&#x017F;chwu&#x0364;r den Stamm eines Nerven zer-<lb/>
naget, und die Glieder, denen die&#x017F;er Nerve &#x017F;ich einverlei-<lb/>
bet, auf mancherley widernatu&#x0364;rliche Wei&#x017F;e thieri&#x017F;ch bewe-<lb/>
get; oder wenn eine Ge&#x017F;chwul&#x017F;t, ein fremder Ko&#x0364;rper, &#xA75B;c.<lb/>
die Nerven&#x017F;ta&#x0364;mme, und dadurch die Muskeln, zu wider-<lb/>
natu&#x0364;rlichen Bewegungen reizet. Bey&#x017F;piele von <hi rendition="#fr">natu&#x0364;rli-<lb/>
chen</hi> ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen &#x017F;innlichen Eindru&#x0364;cken ohne Vor&#x017F;tel-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lungen,</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[488/0512] II Th. Nervenk. 3 Kap. des inn. ſinnl. Eindr. ſinnlichen Eindrucke ſind. Es koͤnnen zwar ſolche Be- ruͤhrungen zugleich denſelben Nerven auch durch aͤußere ſinnliche Eindruͤcke ſinnlich ruͤhren, in ſo fern die Beruͤh- rung zugleich in der Richtung nach dem Gehirne hin im Nerven aufſteigt, und koͤnnen alſo auch zugleich empfunden werden: aber in dieſer Abſicht tragen ſie zu den thieriſchen Bewegungen nichts bey, die der zugleich geſchehene ur- ſpruͤngliche innere ſinnliche Eindruck erreget. §. 484. §. 491. Die Erfahrung lehret, daß es dergleichen Nervenwir- kungen von urſpruͤnglichen ſinnlichen Eindruͤcken ohne Vor- ſtellungen in thieriſchen Koͤrpern allerdings gebe; die deut- lichſten ſind aber gemeiniglich widernatuͤrlich. Man kann von gewiſſen Zuckungen, Kraͤmpſen, Convulſionen und Erſtarrungen der Muskeln und Glieder in Krankhei- ten, die ohne Veranlaſſung irgend einer Vorſtellung, oder aͤußern Empfindung, ja auch ohne irgend einen aͤußern ſinnlichen Eindruck in die Nerven, die ſie bewegen, geſche- hen, mithin weder Seelenwirkungen, noch mittelbare Ner- venwirkungen aͤußerer ſinnlicher Eindruͤcke ſind, keinen an- dern Grund finden, als daß eine gewiſſe reizende, aͤtzende, ſcharfe Materie ſich auf ihre Nervenſtaͤmme wenden, und ihnen urſpruͤngliche innere ſinnliche Eindruͤcke beybringen muß, die dieſe Nervenwirkungen verurſachen. Bey Leu- ten, deren ganze Maſſe der Saͤfte ſcharf, oder ſonſt auf eine ſolche Art verdorben iſt, daß ſie, wenn ſie an die Ner- ven koͤmmt, ihr Mark unnatuͤrlich ſinnlich reizen muß, be- merket man dieſe beſondern Bewegungen am meiſten; ſo auch, wenn ein Geſchwuͤr den Stamm eines Nerven zer- naget, und die Glieder, denen dieſer Nerve ſich einverlei- bet, auf mancherley widernatuͤrliche Weiſe thieriſch bewe- get; oder wenn eine Geſchwulſt, ein fremder Koͤrper, ꝛc. die Nervenſtaͤmme, und dadurch die Muskeln, zu wider- natuͤrlichen Bewegungen reizet. Beyſpiele von natuͤrli- chen urſpruͤnglichen ſinnlichen Eindruͤcken ohne Vorſtel- lungen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/512
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/512>, abgerufen am 22.11.2024.