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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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1 Abschn. Ersetz. der Seelenw. durch Nervenw.
§. 545. sondern auch diese letzte Seelenwirkung durch seine
Nervenkräfte allein als Nervenwirkungen bewerkstelliget
haben, §. 547. und die Erfahrung beweist dieß zum öf-
tern bey enthaupteten Thieren, auch bey lebend gebornen
Misgeburten ohne Kopf, welche von den heftigen äußern
sinnlichen Eindrücken eben so geängstiget zu werden schei-
nen, als ob ihnen ihre Phantasey diese schmerzhaften Em-
pfindungen vorstellete, so daß ihr Herz stärker davon schlägt
und der Puls ihrer Adern sich sichtbarlich ändert. Aus
unzähligen Erfahrungen von sinnlicher Lust oder Unlust in
den Trieben und einigen Leidenschaften, deren Seelenwir-
kungen, wie unten erwiesen werden wird, durch die Ner-
venkräfte der sinnlichen Eindrücke allein ersetzet werden kön-
nen, wird dieses um destomehr erhellen, da eben die sinnli-
che Lust oder Unlust der äußern Empfindungen und der
übrigen sinnlichen Vorstellungen die einzige Triebseder der
Triebe und Leidenschaften, §. 88. und die einzige thierische
Seelenkraft ist, die ihre Seelenwirkungen hervorbringt.

§. 549.

Es sind also die Nervenkräfte der sinnlichen Eindrücke
allein vermögend, nicht nur die Seelenwirkungen der äu-
ßern Empfindungen an sich selbst, sie mögen an der em-
pfindenden Stelle, §. 542. oder in entfernten Theilen er-
folgen, §. 543. und nicht nur die Seelenwirkungen aller
übrigen sinnlichen Vorstellungen, z. E. der Einbildungen,
Vorhersehungen, etc. an sich selbst, §. 545. sondern auch
der Eindrücke der ihnen zugehörigen sinnlichen Lust oder
Unlust, §. 80. sowohl bey den äußern Empfindungen, §.
547. als bey den übrigen sinnlichen Vorstellungen, §. 548.
zu ersetzen; und es können demnach gewisse thierische Be-
wegungen, die bey einem Thiere Seelenwirkungen seiner
äußern Empfindungen, oder Einbildungen, oder Vorher-
sehungen, und der sinnlichen Lust oder Unlust, die sie ihm
geben, zuweilen sind oder zu seyn pflegen, entweder in ihm
selbst zugleich, oder ein andermal allein, oder zuweilen,

oder

1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw.
§. 545. ſondern auch dieſe letzte Seelenwirkung durch ſeine
Nervenkraͤfte allein als Nervenwirkungen bewerkſtelliget
haben, §. 547. und die Erfahrung beweiſt dieß zum oͤf-
tern bey enthaupteten Thieren, auch bey lebend gebornen
Misgeburten ohne Kopf, welche von den heftigen aͤußern
ſinnlichen Eindruͤcken eben ſo geaͤngſtiget zu werden ſchei-
nen, als ob ihnen ihre Phantaſey dieſe ſchmerzhaften Em-
pfindungen vorſtellete, ſo daß ihr Herz ſtaͤrker davon ſchlaͤgt
und der Puls ihrer Adern ſich ſichtbarlich aͤndert. Aus
unzaͤhligen Erfahrungen von ſinnlicher Luſt oder Unluſt in
den Trieben und einigen Leidenſchaften, deren Seelenwir-
kungen, wie unten erwieſen werden wird, durch die Ner-
venkraͤfte der ſinnlichen Eindruͤcke allein erſetzet werden koͤn-
nen, wird dieſes um deſtomehr erhellen, da eben die ſinnli-
che Luſt oder Unluſt der aͤußern Empfindungen und der
uͤbrigen ſinnlichen Vorſtellungen die einzige Triebſeder der
Triebe und Leidenſchaften, §. 88. und die einzige thieriſche
Seelenkraft iſt, die ihre Seelenwirkungen hervorbringt.

§. 549.

Es ſind alſo die Nervenkraͤfte der ſinnlichen Eindruͤcke
allein vermoͤgend, nicht nur die Seelenwirkungen der aͤu-
ßern Empfindungen an ſich ſelbſt, ſie moͤgen an der em-
pfindenden Stelle, §. 542. oder in entfernten Theilen er-
folgen, §. 543. und nicht nur die Seelenwirkungen aller
uͤbrigen ſinnlichen Vorſtellungen, z. E. der Einbildungen,
Vorherſehungen, ꝛc. an ſich ſelbſt, §. 545. ſondern auch
der Eindruͤcke der ihnen zugehoͤrigen ſinnlichen Luſt oder
Unluſt, §. 80. ſowohl bey den aͤußern Empfindungen, §.
547. als bey den uͤbrigen ſinnlichen Vorſtellungen, §. 548.
zu erſetzen; und es koͤnnen demnach gewiſſe thieriſche Be-
wegungen, die bey einem Thiere Seelenwirkungen ſeiner
aͤußern Empfindungen, oder Einbildungen, oder Vorher-
ſehungen, und der ſinnlichen Luſt oder Unluſt, die ſie ihm
geben, zuweilen ſind oder zu ſeyn pflegen, entweder in ihm
ſelbſt zugleich, oder ein andermal allein, oder zuweilen,

oder
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[543/0567] 1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw. §. 545. ſondern auch dieſe letzte Seelenwirkung durch ſeine Nervenkraͤfte allein als Nervenwirkungen bewerkſtelliget haben, §. 547. und die Erfahrung beweiſt dieß zum oͤf- tern bey enthaupteten Thieren, auch bey lebend gebornen Misgeburten ohne Kopf, welche von den heftigen aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken eben ſo geaͤngſtiget zu werden ſchei- nen, als ob ihnen ihre Phantaſey dieſe ſchmerzhaften Em- pfindungen vorſtellete, ſo daß ihr Herz ſtaͤrker davon ſchlaͤgt und der Puls ihrer Adern ſich ſichtbarlich aͤndert. Aus unzaͤhligen Erfahrungen von ſinnlicher Luſt oder Unluſt in den Trieben und einigen Leidenſchaften, deren Seelenwir- kungen, wie unten erwieſen werden wird, durch die Ner- venkraͤfte der ſinnlichen Eindruͤcke allein erſetzet werden koͤn- nen, wird dieſes um deſtomehr erhellen, da eben die ſinnli- che Luſt oder Unluſt der aͤußern Empfindungen und der uͤbrigen ſinnlichen Vorſtellungen die einzige Triebſeder der Triebe und Leidenſchaften, §. 88. und die einzige thieriſche Seelenkraft iſt, die ihre Seelenwirkungen hervorbringt. §. 549. Es ſind alſo die Nervenkraͤfte der ſinnlichen Eindruͤcke allein vermoͤgend, nicht nur die Seelenwirkungen der aͤu- ßern Empfindungen an ſich ſelbſt, ſie moͤgen an der em- pfindenden Stelle, §. 542. oder in entfernten Theilen er- folgen, §. 543. und nicht nur die Seelenwirkungen aller uͤbrigen ſinnlichen Vorſtellungen, z. E. der Einbildungen, Vorherſehungen, ꝛc. an ſich ſelbſt, §. 545. ſondern auch der Eindruͤcke der ihnen zugehoͤrigen ſinnlichen Luſt oder Unluſt, §. 80. ſowohl bey den aͤußern Empfindungen, §. 547. als bey den uͤbrigen ſinnlichen Vorſtellungen, §. 548. zu erſetzen; und es koͤnnen demnach gewiſſe thieriſche Be- wegungen, die bey einem Thiere Seelenwirkungen ſeiner aͤußern Empfindungen, oder Einbildungen, oder Vorher- ſehungen, und der ſinnlichen Luſt oder Unluſt, die ſie ihm geben, zuweilen ſind oder zu ſeyn pflegen, entweder in ihm ſelbſt zugleich, oder ein andermal allein, oder zuweilen, oder

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/567>, abgerufen am 24.11.2024.