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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
nach der verschiedenen Beschaffenheit der äußern sinnlichen
Eindrücke zu denjenigen äußern Empfindungen verschieden,
worauf sie sich beziehen. §. 88. Die Seelenwirkung der
sinnlichen Lust oder Unlust ist eine entweder der Natur ge-
mäße oder widernatürliche Veränderung der Lebensbewe-
gungen, §. 251. 252. und es verändert also eine Einbil-
dung, Vorhersehung, etc. in so fern sie angenehm oder un-
angenehm ist, die Lebensbewegungen durch ihre innern
sinnlichen Eindrücke der Lust oder Unlust, eben so entweder
der Natur gemäß, oder widernatürlich, wie sie der äußere
sinnliche Eindruck, worauf sie sich bezieht, durch seine Ner-
venkraft allein thierisch verändern würde, §. 547. und ver-
ändern kann. §. 546. Die Einbildung oder Vorherse-
hung eines Kitzels oder Schmerzens verändert die Lebens-
bewegungen eben so, wie es der Kitzel oder Schmerz selbst,
nur vollständiger thun würde. §. 245. N. 2. §. 234.
N.
2. Da nun die äußern sinnlichen Eindrücke, welche
den Kitzel oder Schmerz veranlassen, eben dasselbe durch
ihre Nervenkräfte allein bewerkstelligen, §. 547. so bewei-
sen jene Erfahrungen auch von den Seelenwirkungen der
sinnlichen Lust oder Unlust der Einbildungen und Vorher-
sehungen, daß die bloßen Nervenkräfte der äußern sinnli-
chen Eindrücke, auf deren Empfindung sie sich beziehen,
sie allein schon ersetzen können. Wenn der träumende Po-
dagricus, der §. 545. zum Beyspiele gegeben worden, von
der Vorhersehung seines Schmerzens sein Bein zurückzieht,
und inzwischen von der sinnlichen Unlust des vermeynten
heftig anhaltenden podagrischen Schmerzens ein ängstliches
Herzklopfen hat, und alle seine Pulse stärker schlagen, so
war jenes, (die Zurückziehung des Beins,) die Seelenwir-
kung seiner Vorhersehung an sich selbst, dieses aber, (die
Veränderung der Lebensbewegungen,) die Seelenwirkung
ihrer heftigen Unlust. Die Veranlassung beyder war ein
Druck der Zehe am Bette, eine äußere schmerzhafte Em-
pfindung. Der äußere sinnliche Eindruck, der diese schmerz-
liche Veranlassnng gab, könnte nicht allein jene erste,

§. 545.

II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
nach der verſchiedenen Beſchaffenheit der aͤußern ſinnlichen
Eindruͤcke zu denjenigen aͤußern Empfindungen verſchieden,
worauf ſie ſich beziehen. §. 88. Die Seelenwirkung der
ſinnlichen Luſt oder Unluſt iſt eine entweder der Natur ge-
maͤße oder widernatuͤrliche Veraͤnderung der Lebensbewe-
gungen, §. 251. 252. und es veraͤndert alſo eine Einbil-
dung, Vorherſehung, ꝛc. in ſo fern ſie angenehm oder un-
angenehm iſt, die Lebensbewegungen durch ihre innern
ſinnlichen Eindruͤcke der Luſt oder Unluſt, eben ſo entweder
der Natur gemaͤß, oder widernatuͤrlich, wie ſie der aͤußere
ſinnliche Eindruck, worauf ſie ſich bezieht, durch ſeine Ner-
venkraft allein thieriſch veraͤndern wuͤrde, §. 547. und ver-
aͤndern kann. §. 546. Die Einbildung oder Vorherſe-
hung eines Kitzels oder Schmerzens veraͤndert die Lebens-
bewegungen eben ſo, wie es der Kitzel oder Schmerz ſelbſt,
nur vollſtaͤndiger thun wuͤrde. §. 245. N. 2. §. 234.
N.
2. Da nun die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, welche
den Kitzel oder Schmerz veranlaſſen, eben daſſelbe durch
ihre Nervenkraͤfte allein bewerkſtelligen, §. 547. ſo bewei-
ſen jene Erfahrungen auch von den Seelenwirkungen der
ſinnlichen Luſt oder Unluſt der Einbildungen und Vorher-
ſehungen, daß die bloßen Nervenkraͤfte der aͤußern ſinnli-
chen Eindruͤcke, auf deren Empfindung ſie ſich beziehen,
ſie allein ſchon erſetzen koͤnnen. Wenn der traͤumende Po-
dagricus, der §. 545. zum Beyſpiele gegeben worden, von
der Vorherſehung ſeines Schmerzens ſein Bein zuruͤckzieht,
und inzwiſchen von der ſinnlichen Unluſt des vermeynten
heftig anhaltenden podagriſchen Schmerzens ein aͤngſtliches
Herzklopfen hat, und alle ſeine Pulſe ſtaͤrker ſchlagen, ſo
war jenes, (die Zuruͤckziehung des Beins,) die Seelenwir-
kung ſeiner Vorherſehung an ſich ſelbſt, dieſes aber, (die
Veraͤnderung der Lebensbewegungen,) die Seelenwirkung
ihrer heftigen Unluſt. Die Veranlaſſung beyder war ein
Druck der Zehe am Bette, eine aͤußere ſchmerzhafte Em-
pfindung. Der aͤußere ſinnliche Eindruck, der dieſe ſchmerz-
liche Veranlaſſnng gab, koͤnnte nicht allein jene erſte,

§. 545.
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[542/0566] II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr. nach der verſchiedenen Beſchaffenheit der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke zu denjenigen aͤußern Empfindungen verſchieden, worauf ſie ſich beziehen. §. 88. Die Seelenwirkung der ſinnlichen Luſt oder Unluſt iſt eine entweder der Natur ge- maͤße oder widernatuͤrliche Veraͤnderung der Lebensbewe- gungen, §. 251. 252. und es veraͤndert alſo eine Einbil- dung, Vorherſehung, ꝛc. in ſo fern ſie angenehm oder un- angenehm iſt, die Lebensbewegungen durch ihre innern ſinnlichen Eindruͤcke der Luſt oder Unluſt, eben ſo entweder der Natur gemaͤß, oder widernatuͤrlich, wie ſie der aͤußere ſinnliche Eindruck, worauf ſie ſich bezieht, durch ſeine Ner- venkraft allein thieriſch veraͤndern wuͤrde, §. 547. und ver- aͤndern kann. §. 546. Die Einbildung oder Vorherſe- hung eines Kitzels oder Schmerzens veraͤndert die Lebens- bewegungen eben ſo, wie es der Kitzel oder Schmerz ſelbſt, nur vollſtaͤndiger thun wuͤrde. §. 245. N. 2. §. 234. N. 2. Da nun die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, welche den Kitzel oder Schmerz veranlaſſen, eben daſſelbe durch ihre Nervenkraͤfte allein bewerkſtelligen, §. 547. ſo bewei- ſen jene Erfahrungen auch von den Seelenwirkungen der ſinnlichen Luſt oder Unluſt der Einbildungen und Vorher- ſehungen, daß die bloßen Nervenkraͤfte der aͤußern ſinnli- chen Eindruͤcke, auf deren Empfindung ſie ſich beziehen, ſie allein ſchon erſetzen koͤnnen. Wenn der traͤumende Po- dagricus, der §. 545. zum Beyſpiele gegeben worden, von der Vorherſehung ſeines Schmerzens ſein Bein zuruͤckzieht, und inzwiſchen von der ſinnlichen Unluſt des vermeynten heftig anhaltenden podagriſchen Schmerzens ein aͤngſtliches Herzklopfen hat, und alle ſeine Pulſe ſtaͤrker ſchlagen, ſo war jenes, (die Zuruͤckziehung des Beins,) die Seelenwir- kung ſeiner Vorherſehung an ſich ſelbſt, dieſes aber, (die Veraͤnderung der Lebensbewegungen,) die Seelenwirkung ihrer heftigen Unluſt. Die Veranlaſſung beyder war ein Druck der Zehe am Bette, eine aͤußere ſchmerzhafte Em- pfindung. Der aͤußere ſinnliche Eindruck, der dieſe ſchmerz- liche Veranlaſſnng gab, koͤnnte nicht allein jene erſte, §. 545.

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/566>, abgerufen am 24.11.2024.