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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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1 Abschn. Ersetz. der Seelenw. durch Nervenw.
kann aber dieselben noch vermehren, und sie fallen bey star-
ken äußern Empfindungen am besten in die Augen. Ein
Kitzel oder ein heftiger Schmerz verändert die Lebensbewe-
gungen durch Seelenwirkungen. §. 250. Eben derselbe
äußere sinnliche Eindruck aber, der, wenn er empfunden
würde, Kitzel oder Schmerz verursachen müßte, hat sei-
nen Einfluß in die Lebensbewegungen eben so gewiß, wenn
er auch nicht empfunden wird. Wenn man todtgeborne
Kinder, oder erstickte und auf andre Weise leblos gewor-
dene Personen, bey welchen die Lebensbewegungen ruhen,
ins Leben rufen will, so kitzelt man ihre Nasennerven, und
dieser äußere sinnliche Eindruck, der, wenn er empfunden
wird, eine convulsivische Veränderung der Lebensbewegun-
gen, nämlich ein Niesen verursachet, trägt in solchen Fäl-
len, wo er nicht empfunden wird, nicht wenig bey, daß
die Bewegung des Herzens erneuert und das Athemholen
hergestellet wird. Eben dasselbe gilt, wenn man die Fuß-
sohlen kitzelt, oder durch Brennen und andre Verletzungen
die äußern sinnlichen Eindrücke des Schmerzens hervor-
bringt. Eine schmerzhafte Berührung oder Verwundung
des Herzens oder Zwerchfelles verursachet convulsivische
Bewegungen dieser Theile, und der äußere oder innere sinn-
liche Eindruck thut eben dasselbe durch die Nervenkräfte al-
lein bey enthaupteten Thieren. etc.

§. 548.

Die eigenmächtigen sinnlichen Vorstellungen, Einbil-
dungen, Vorhersehungen, u. s. w. sind nur Theile äuße-
rer Empfindungen, §. 228. 239. und das angenehme oder
unangenehme innere Gefühl, was sie der Seele geben, rüh-
ret also von der verschiedenen Beschaffenheit der äußern
Empfindungen her, auf welche sie sich beziehen. Da nun
die Lust oder Unlust der Sinne von der verschiedenen Be-
schaffenheit der äußern sinnlichen Eindrücke, die empfunden
werden, abhängt, §. 80. so ist auch die Lust oder Un-
lust aller eigenmächtigen sinnlichen Vorstellungen

nach

1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw.
kann aber dieſelben noch vermehren, und ſie fallen bey ſtar-
ken aͤußern Empfindungen am beſten in die Augen. Ein
Kitzel oder ein heftiger Schmerz veraͤndert die Lebensbewe-
gungen durch Seelenwirkungen. §. 250. Eben derſelbe
aͤußere ſinnliche Eindruck aber, der, wenn er empfunden
wuͤrde, Kitzel oder Schmerz verurſachen muͤßte, hat ſei-
nen Einfluß in die Lebensbewegungen eben ſo gewiß, wenn
er auch nicht empfunden wird. Wenn man todtgeborne
Kinder, oder erſtickte und auf andre Weiſe leblos gewor-
dene Perſonen, bey welchen die Lebensbewegungen ruhen,
ins Leben rufen will, ſo kitzelt man ihre Naſennerven, und
dieſer aͤußere ſinnliche Eindruck, der, wenn er empfunden
wird, eine convulſiviſche Veraͤnderung der Lebensbewegun-
gen, naͤmlich ein Nieſen verurſachet, traͤgt in ſolchen Faͤl-
len, wo er nicht empfunden wird, nicht wenig bey, daß
die Bewegung des Herzens erneuert und das Athemholen
hergeſtellet wird. Eben daſſelbe gilt, wenn man die Fuß-
ſohlen kitzelt, oder durch Brennen und andre Verletzungen
die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke des Schmerzens hervor-
bringt. Eine ſchmerzhafte Beruͤhrung oder Verwundung
des Herzens oder Zwerchfelles verurſachet convulſiviſche
Bewegungen dieſer Theile, und der aͤußere oder innere ſinn-
liche Eindruck thut eben daſſelbe durch die Nervenkraͤfte al-
lein bey enthaupteten Thieren. ꝛc.

§. 548.

Die eigenmaͤchtigen ſinnlichen Vorſtellungen, Einbil-
dungen, Vorherſehungen, u. ſ. w. ſind nur Theile aͤuße-
rer Empfindungen, §. 228. 239. und das angenehme oder
unangenehme innere Gefuͤhl, was ſie der Seele geben, ruͤh-
ret alſo von der verſchiedenen Beſchaffenheit der aͤußern
Empfindungen her, auf welche ſie ſich beziehen. Da nun
die Luſt oder Unluſt der Sinne von der verſchiedenen Be-
ſchaffenheit der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, die empfunden
werden, abhaͤngt, §. 80. ſo iſt auch die Luſt oder Un-
luſt aller eigenmaͤchtigen ſinnlichen Vorſtellungen

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[541/0565] 1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw. kann aber dieſelben noch vermehren, und ſie fallen bey ſtar- ken aͤußern Empfindungen am beſten in die Augen. Ein Kitzel oder ein heftiger Schmerz veraͤndert die Lebensbewe- gungen durch Seelenwirkungen. §. 250. Eben derſelbe aͤußere ſinnliche Eindruck aber, der, wenn er empfunden wuͤrde, Kitzel oder Schmerz verurſachen muͤßte, hat ſei- nen Einfluß in die Lebensbewegungen eben ſo gewiß, wenn er auch nicht empfunden wird. Wenn man todtgeborne Kinder, oder erſtickte und auf andre Weiſe leblos gewor- dene Perſonen, bey welchen die Lebensbewegungen ruhen, ins Leben rufen will, ſo kitzelt man ihre Naſennerven, und dieſer aͤußere ſinnliche Eindruck, der, wenn er empfunden wird, eine convulſiviſche Veraͤnderung der Lebensbewegun- gen, naͤmlich ein Nieſen verurſachet, traͤgt in ſolchen Faͤl- len, wo er nicht empfunden wird, nicht wenig bey, daß die Bewegung des Herzens erneuert und das Athemholen hergeſtellet wird. Eben daſſelbe gilt, wenn man die Fuß- ſohlen kitzelt, oder durch Brennen und andre Verletzungen die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke des Schmerzens hervor- bringt. Eine ſchmerzhafte Beruͤhrung oder Verwundung des Herzens oder Zwerchfelles verurſachet convulſiviſche Bewegungen dieſer Theile, und der aͤußere oder innere ſinn- liche Eindruck thut eben daſſelbe durch die Nervenkraͤfte al- lein bey enthaupteten Thieren. ꝛc. §. 548. Die eigenmaͤchtigen ſinnlichen Vorſtellungen, Einbil- dungen, Vorherſehungen, u. ſ. w. ſind nur Theile aͤuße- rer Empfindungen, §. 228. 239. und das angenehme oder unangenehme innere Gefuͤhl, was ſie der Seele geben, ruͤh- ret alſo von der verſchiedenen Beſchaffenheit der aͤußern Empfindungen her, auf welche ſie ſich beziehen. Da nun die Luſt oder Unluſt der Sinne von der verſchiedenen Be- ſchaffenheit der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, die empfunden werden, abhaͤngt, §. 80. ſo iſt auch die Luſt oder Un- luſt aller eigenmaͤchtigen ſinnlichen Vorſtellungen nach

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/565>, abgerufen am 24.11.2024.