Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.1 Abschn. Ersetz. der Seelenw. durch Nervenw. ben, als zu den Leidenschaften gehören. So sind die Furcht,Angst und der Schreck, §. 313. 318. die eine äußere Empfindung auf eine eben so natürlich nothwendige Art und ohne eine Zwischenreihe fremder blos psychologisch da- mit verbundener Vorstellungen in uns erreget, gemeinig- lich mehr eine Art von Rettungstriebe, §. 299. der Zorn und die Rachgier der Hunde, mehr ein Affektentrieb zur Gegenwehr, §. 326. die Liebe vieler Thiere zu ihren Jun- gen, die, wie bey den Affen, Leidenschaft zu seyn scheint, mehr ein Pflegetrieb für die Jungen, §. 303. die Fröhlich- keit oder Luftigkeit vieler Thiere, mehr ein Affektentrieb zum Vergnügen, §. 299. u. s. w. als wahre Leidenschaf- ten. Von dergleichen Leidenschaften sind die Seelenwir- kungen im Körper keine andern, als von den Trieben selbst, nur daß sie mit den Seelenwirkungen einiger andrer sinn- licher Vorstellungen, die die Vorstellungskraft nach ihren eignen Gesetzen dazwischen mischet, vergesellschaftet sind, doch aber noch nahe genug von der sie veranlassenden äu- ßern Empfindung abhängen. §. 297 -- 304. Da nun diese alle durch die Nervenkräfte allein ersetzet werden kön- nen; §. 549. 552. so brauchet es keiner wiederholten Be- weise aus der Erfahrung, daß eben dieselben äußern sinn- lichen Eindrücke, welche, wenn sie empfunden werden, der- gleichen Leidenschaften ohne die Zwischenkunft vieler frem- der, blos nach psychologischen Gesetzen eingemischter sinnli- cher Vorstellungen erregen, auch die Seelenwirkungen der- selben durch ihre Nervenkraft allein hervorbringen können. Man findet diese Beweise von §. 553. bis 562. und wir wollen also hier nur die von der Furcht und dem Schrecke zur Erläuterung beyfügen, deren oben, unter den Trieben, nicht ausführlich gedacht worden ist. Die äußern sinnli- chen Eindrücke, welche diese Leidenschaften veranlassen, er- regen eine unangenehme äußere Empfindung, oder eine sol- che, die, indem sie eine sinnliche Nebenvorstellung plötzlich erreget, unmittelbar eine heftige sinnliche Unlust veran- lasset; z. E. wenn man einen Schall höret und sich unmit- telbar N n 5
1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw. ben, als zu den Leidenſchaften gehoͤren. So ſind die Furcht,Angſt und der Schreck, §. 313. 318. die eine aͤußere Empfindung auf eine eben ſo natuͤrlich nothwendige Art und ohne eine Zwiſchenreihe fremder blos pſychologiſch da- mit verbundener Vorſtellungen in uns erreget, gemeinig- lich mehr eine Art von Rettungstriebe, §. 299. der Zorn und die Rachgier der Hunde, mehr ein Affektentrieb zur Gegenwehr, §. 326. die Liebe vieler Thiere zu ihren Jun- gen, die, wie bey den Affen, Leidenſchaft zu ſeyn ſcheint, mehr ein Pflegetrieb fuͤr die Jungen, §. 303. die Froͤhlich- keit oder Luftigkeit vieler Thiere, mehr ein Affektentrieb zum Vergnuͤgen, §. 299. u. ſ. w. als wahre Leidenſchaf- ten. Von dergleichen Leidenſchaften ſind die Seelenwir- kungen im Koͤrper keine andern, als von den Trieben ſelbſt, nur daß ſie mit den Seelenwirkungen einiger andrer ſinn- licher Vorſtellungen, die die Vorſtellungskraft nach ihren eignen Geſetzen dazwiſchen miſchet, vergeſellſchaftet ſind, doch aber noch nahe genug von der ſie veranlaſſenden aͤu- ßern Empfindung abhaͤngen. §. 297 — 304. Da nun dieſe alle durch die Nervenkraͤfte allein erſetzet werden koͤn- nen; §. 549. 552. ſo brauchet es keiner wiederholten Be- weiſe aus der Erfahrung, daß eben dieſelben aͤußern ſinn- lichen Eindruͤcke, welche, wenn ſie empfunden werden, der- gleichen Leidenſchaften ohne die Zwiſchenkunft vieler frem- der, blos nach pſychologiſchen Geſetzen eingemiſchter ſinnli- cher Vorſtellungen erregen, auch die Seelenwirkungen der- ſelben durch ihre Nervenkraft allein hervorbringen koͤnnen. Man findet dieſe Beweiſe von §. 553. bis 562. und wir wollen alſo hier nur die von der Furcht und dem Schrecke zur Erlaͤuterung beyfuͤgen, deren oben, unter den Trieben, nicht ausfuͤhrlich gedacht worden iſt. Die aͤußern ſinnli- chen Eindruͤcke, welche dieſe Leidenſchaften veranlaſſen, er- regen eine unangenehme aͤußere Empfindung, oder eine ſol- che, die, indem ſie eine ſinnliche Nebenvorſtellung ploͤtzlich erreget, unmittelbar eine heftige ſinnliche Unluſt veran- laſſet; z. E. wenn man einen Schall hoͤret und ſich unmit- telbar N n 5
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1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw.
ben, als zu den Leidenſchaften gehoͤren. So ſind die Furcht,
Angſt und der Schreck, §. 313. 318. die eine aͤußere
Empfindung auf eine eben ſo natuͤrlich nothwendige Art
und ohne eine Zwiſchenreihe fremder blos pſychologiſch da-
mit verbundener Vorſtellungen in uns erreget, gemeinig-
lich mehr eine Art von Rettungstriebe, §. 299. der Zorn
und die Rachgier der Hunde, mehr ein Affektentrieb zur
Gegenwehr, §. 326. die Liebe vieler Thiere zu ihren Jun-
gen, die, wie bey den Affen, Leidenſchaft zu ſeyn ſcheint,
mehr ein Pflegetrieb fuͤr die Jungen, §. 303. die Froͤhlich-
keit oder Luftigkeit vieler Thiere, mehr ein Affektentrieb
zum Vergnuͤgen, §. 299. u. ſ. w. als wahre Leidenſchaf-
ten. Von dergleichen Leidenſchaften ſind die Seelenwir-
kungen im Koͤrper keine andern, als von den Trieben ſelbſt,
nur daß ſie mit den Seelenwirkungen einiger andrer ſinn-
licher Vorſtellungen, die die Vorſtellungskraft nach ihren
eignen Geſetzen dazwiſchen miſchet, vergeſellſchaftet ſind,
doch aber noch nahe genug von der ſie veranlaſſenden aͤu-
ßern Empfindung abhaͤngen. §. 297 — 304. Da nun
dieſe alle durch die Nervenkraͤfte allein erſetzet werden koͤn-
nen; §. 549. 552. ſo brauchet es keiner wiederholten Be-
weiſe aus der Erfahrung, daß eben dieſelben aͤußern ſinn-
lichen Eindruͤcke, welche, wenn ſie empfunden werden, der-
gleichen Leidenſchaften ohne die Zwiſchenkunft vieler frem-
der, blos nach pſychologiſchen Geſetzen eingemiſchter ſinnli-
cher Vorſtellungen erregen, auch die Seelenwirkungen der-
ſelben durch ihre Nervenkraft allein hervorbringen koͤnnen.
Man findet dieſe Beweiſe von §. 553. bis 562. und wir
wollen alſo hier nur die von der Furcht und dem Schrecke
zur Erlaͤuterung beyfuͤgen, deren oben, unter den Trieben,
nicht ausfuͤhrlich gedacht worden iſt. Die aͤußern ſinnli-
chen Eindruͤcke, welche dieſe Leidenſchaften veranlaſſen, er-
regen eine unangenehme aͤußere Empfindung, oder eine ſol-
che, die, indem ſie eine ſinnliche Nebenvorſtellung ploͤtzlich
erreget, unmittelbar eine heftige ſinnliche Unluſt veran-
laſſet; z. E. wenn man einen Schall hoͤret und ſich unmit-
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