Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.1 Abschn. Ersetz. der Seelenw. durch Nervenw. unmittelbar in die Lebensbewegungen haben, §. 333. kannzwar durch innere sinnliche Eindrücke ohne Vorstellungen allerdings ersetzet werden, §. 503. und eben so sind zufäl- liger Weise sehr oft die thierischen Bewegungen der Mus- keln, welche die verständigen Begierden oder Verabscheu- ungen und die Befriedigung derselben, als Seelenwirkun- gen unmittelbar hervorbringen, §. 340. bloße Nervenwir- kungen der sinnlichen Eindrücke. §. 342. 445. 507. Da aber die Vorstellungskraft alle diese Arten von Bewe- gungsgründen und Begierden des Willens blos nach psychologischen Gesetzen, und ohne daß sie durch äußere sinnliche Eindrücke dazu veranlasset würde, hervorbringt, §. 333. 341. so kann man von allen diesen thierischen Be- wegungen nicht behaupten, daß sie, wie die Seelenwirkun- gen aller sinnlichen Vorstellungen, Reizungen und Begier- den, von Natur dazu bestimmet wären, durch die Nerven- kräfte in dem Zusammenhange ersetzet zu werden, wie sie als Seelenwirkungen aus einander folgen. Ob man also gleich bey enthaupteten Thieren und andern, die entweder gar nicht, oder doch nur blos sinnlich denken und begeh- ren, eben diejenigen thierischen Veränderungen der Lebens- bewegungen, die eine verständige Lust oder Unlust, und eben die thierischen Bewegungen der Muskeln wahrnimmt, die der Wille bey vernünftigen Thieren als Seelenwirkun- gen verursachet; so rühren doch diese Nervenwirkungen nicht von einer mit diesen thierischen Seelenkräften gemein- schaftlich wirkenden, oder sie zu wirken veranlassenden Ner- venkraft her, wie die, welche die Seelenwirkungen der sinn- lichen Vorstellungen, Reizungen und Begierden ersetzen, sondern erfolgen von sinnlichen Eindrücken, die zu den ver- ständigen gar nichts auf nähere Art beytragen, nur zufäl- liger Weise, einzeln, und gar nicht auf die Art zusammen- hängend, wie die Vorstellungskraft diese Seelenwirkungen psychologisch und nach freyem Willen verknüpfet und auf einander folgen läßt. §. 577. O o 3
1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw. unmittelbar in die Lebensbewegungen haben, §. 333. kannzwar durch innere ſinnliche Eindruͤcke ohne Vorſtellungen allerdings erſetzet werden, §. 503. und eben ſo ſind zufaͤl- liger Weiſe ſehr oft die thieriſchen Bewegungen der Mus- keln, welche die verſtaͤndigen Begierden oder Verabſcheu- ungen und die Befriedigung derſelben, als Seelenwirkun- gen unmittelbar hervorbringen, §. 340. bloße Nervenwir- kungen der ſinnlichen Eindruͤcke. §. 342. 445. 507. Da aber die Vorſtellungskraft alle dieſe Arten von Bewe- gungsgruͤnden und Begierden des Willens blos nach pſychologiſchen Geſetzen, und ohne daß ſie durch aͤußere ſinnliche Eindruͤcke dazu veranlaſſet wuͤrde, hervorbringt, §. 333. 341. ſo kann man von allen dieſen thieriſchen Be- wegungen nicht behaupten, daß ſie, wie die Seelenwirkun- gen aller ſinnlichen Vorſtellungen, Reizungen und Begier- den, von Natur dazu beſtimmet waͤren, durch die Nerven- kraͤfte in dem Zuſammenhange erſetzet zu werden, wie ſie als Seelenwirkungen aus einander folgen. Ob man alſo gleich bey enthaupteten Thieren und andern, die entweder gar nicht, oder doch nur blos ſinnlich denken und begeh- ren, eben diejenigen thieriſchen Veraͤnderungen der Lebens- bewegungen, die eine verſtaͤndige Luſt oder Unluſt, und eben die thieriſchen Bewegungen der Muskeln wahrnimmt, die der Wille bey vernuͤnftigen Thieren als Seelenwirkun- gen verurſachet; ſo ruͤhren doch dieſe Nervenwirkungen nicht von einer mit dieſen thieriſchen Seelenkraͤften gemein- ſchaftlich wirkenden, oder ſie zu wirken veranlaſſenden Ner- venkraft her, wie die, welche die Seelenwirkungen der ſinn- lichen Vorſtellungen, Reizungen und Begierden erſetzen, ſondern erfolgen von ſinnlichen Eindruͤcken, die zu den ver- ſtaͤndigen gar nichts auf naͤhere Art beytragen, nur zufaͤl- liger Weiſe, einzeln, und gar nicht auf die Art zuſammen- haͤngend, wie die Vorſtellungskraft dieſe Seelenwirkungen pſychologiſch und nach freyem Willen verknuͤpfet und auf einander folgen laͤßt. §. 577. O o 3
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1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw.
unmittelbar in die Lebensbewegungen haben, §. 333. kann
zwar durch innere ſinnliche Eindruͤcke ohne Vorſtellungen
allerdings erſetzet werden, §. 503. und eben ſo ſind zufaͤl-
liger Weiſe ſehr oft die thieriſchen Bewegungen der Mus-
keln, welche die verſtaͤndigen Begierden oder Verabſcheu-
ungen und die Befriedigung derſelben, als Seelenwirkun-
gen unmittelbar hervorbringen, §. 340. bloße Nervenwir-
kungen der ſinnlichen Eindruͤcke. §. 342. 445. 507. Da
aber die Vorſtellungskraft alle dieſe Arten von Bewe-
gungsgruͤnden und Begierden des Willens blos nach
pſychologiſchen Geſetzen, und ohne daß ſie durch aͤußere
ſinnliche Eindruͤcke dazu veranlaſſet wuͤrde, hervorbringt,
§. 333. 341. ſo kann man von allen dieſen thieriſchen Be-
wegungen nicht behaupten, daß ſie, wie die Seelenwirkun-
gen aller ſinnlichen Vorſtellungen, Reizungen und Begier-
den, von Natur dazu beſtimmet waͤren, durch die Nerven-
kraͤfte in dem Zuſammenhange erſetzet zu werden, wie ſie
als Seelenwirkungen aus einander folgen. Ob man alſo
gleich bey enthaupteten Thieren und andern, die entweder
gar nicht, oder doch nur blos ſinnlich denken und begeh-
ren, eben diejenigen thieriſchen Veraͤnderungen der Lebens-
bewegungen, die eine verſtaͤndige Luſt oder Unluſt, und
eben die thieriſchen Bewegungen der Muskeln wahrnimmt,
die der Wille bey vernuͤnftigen Thieren als Seelenwirkun-
gen verurſachet; ſo ruͤhren doch dieſe Nervenwirkungen
nicht von einer mit dieſen thieriſchen Seelenkraͤften gemein-
ſchaftlich wirkenden, oder ſie zu wirken veranlaſſenden Ner-
venkraft her, wie die, welche die Seelenwirkungen der ſinn-
lichen Vorſtellungen, Reizungen und Begierden erſetzen,
ſondern erfolgen von ſinnlichen Eindruͤcken, die zu den ver-
ſtaͤndigen gar nichts auf naͤhere Art beytragen, nur zufaͤl-
liger Weiſe, einzeln, und gar nicht auf die Art zuſammen-
haͤngend, wie die Vorſtellungskraft dieſe Seelenwirkungen
pſychologiſch und nach freyem Willen verknuͤpfet und auf
einander folgen laͤßt.
§. 577.
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