Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
Allein ist in diesem Falle die thierische Bewegung an
dieser Stelle darum auch wirklich eine Seelenwirkung
von der Empfindung, da sie doch ohnedem die unmittel-
bare Nervenwirkung ihres äußern sinnlichen Eindrucks
ist, er mag zugleich empfunden werden, oder nicht. §.
364. Woraus ists erweislich, daß das Zusammenzie-
hen des Muskels, wenn die Berührung empfunden wird,
wenigstens zugleich eine Seelenwirkung dieser Empfin-
dung sey und nicht stets nur eine unmittelbare Nerven-
wirkung von der Berührung bleibe? Man müßte zei-
gen, daß die Empfindung eben desselben äußern sinnli-
chen Eindrucks allein, und ohne ihn, die thierische Be-
wegung an dieser Stelle ebenfalls hervorbringen könne:
allein beyde lassen sich nicht trennen, §. 35. und man muß
also, wie oben, §. 584. den Beweis aus den sinnlichen
Vorstellungen herleiten, die sich auf die Empfindungen
solcher äußern sinnlichen Eindrücke beziehen.

§. 587.

Die Seelenwirkungen der Einbildungen und Vor-
hersehungen sind keine andre, als die von den äußern
Empfindungen, auf welche sie sich beziehen, und da hier
der zur Empfindung nöthige äußere sinnliche Eindruck
nicht dabey ist, so kann er auch die Seelenwirkungen
der Empfindung nicht als Nervenwirkungen mitwirken.
Wenn sich nun Einbildungen oder Vorhersehungen auf
solche Empfindungen beziehen, deren äußere sinnliche
Eindrücke mit lebhaften unmittelbaren Nervenwirkungen
verbunden zu seyn pflegen, und sie wirken, obwohl nur
mangelhaft, thierische Bewegungen an den Stellen, wo
die äußern sinnlichen Eindrücke zu den wahren Empfin-
dungen dieselben vollständiger als unmittelbare Nerven-
wirkungen erregen, so erkennt man daraus die Mitwir-
kung der innern sinnlichen Eindrücke von diesen sinnlichen
Vorstellungen, und muß schließen, daß bey den wahren

Empfin-

II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
Allein iſt in dieſem Falle die thieriſche Bewegung an
dieſer Stelle darum auch wirklich eine Seelenwirkung
von der Empfindung, da ſie doch ohnedem die unmittel-
bare Nervenwirkung ihres aͤußern ſinnlichen Eindrucks
iſt, er mag zugleich empfunden werden, oder nicht. §.
364. Woraus iſts erweislich, daß das Zuſammenzie-
hen des Muskels, wenn die Beruͤhrung empfunden wird,
wenigſtens zugleich eine Seelenwirkung dieſer Empfin-
dung ſey und nicht ſtets nur eine unmittelbare Nerven-
wirkung von der Beruͤhrung bleibe? Man muͤßte zei-
gen, daß die Empfindung eben deſſelben aͤußern ſinnli-
chen Eindrucks allein, und ohne ihn, die thieriſche Be-
wegung an dieſer Stelle ebenfalls hervorbringen koͤnne:
allein beyde laſſen ſich nicht trennen, §. 35. und man muß
alſo, wie oben, §. 584. den Beweis aus den ſinnlichen
Vorſtellungen herleiten, die ſich auf die Empfindungen
ſolcher aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke beziehen.

§. 587.

Die Seelenwirkungen der Einbildungen und Vor-
herſehungen ſind keine andre, als die von den aͤußern
Empfindungen, auf welche ſie ſich beziehen, und da hier
der zur Empfindung noͤthige aͤußere ſinnliche Eindruck
nicht dabey iſt, ſo kann er auch die Seelenwirkungen
der Empfindung nicht als Nervenwirkungen mitwirken.
Wenn ſich nun Einbildungen oder Vorherſehungen auf
ſolche Empfindungen beziehen, deren aͤußere ſinnliche
Eindruͤcke mit lebhaften unmittelbaren Nervenwirkungen
verbunden zu ſeyn pflegen, und ſie wirken, obwohl nur
mangelhaft, thieriſche Bewegungen an den Stellen, wo
die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke zu den wahren Empfin-
dungen dieſelben vollſtaͤndiger als unmittelbare Nerven-
wirkungen erregen, ſo erkennt man daraus die Mitwir-
kung der innern ſinnlichen Eindruͤcke von dieſen ſinnlichen
Vorſtellungen, und muß ſchließen, daß bey den wahren

Empfin-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0620" n="596"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II</hi> Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.</hi></fw><lb/>
Allein i&#x017F;t in die&#x017F;em Falle die thieri&#x017F;che Bewegung an<lb/>
die&#x017F;er Stelle darum auch wirklich eine Seelenwirkung<lb/>
von der Empfindung, da &#x017F;ie doch ohnedem die unmittel-<lb/>
bare Nervenwirkung ihres a&#x0364;ußern &#x017F;innlichen Eindrucks<lb/>
i&#x017F;t, er mag zugleich empfunden werden, oder nicht. §.<lb/>
364. Woraus i&#x017F;ts erweislich, daß das Zu&#x017F;ammenzie-<lb/>
hen des Muskels, wenn die Beru&#x0364;hrung empfunden wird,<lb/>
wenig&#x017F;tens zugleich eine Seelenwirkung die&#x017F;er Empfin-<lb/>
dung &#x017F;ey und nicht &#x017F;tets nur eine unmittelbare Nerven-<lb/>
wirkung von der Beru&#x0364;hrung bleibe? Man mu&#x0364;ßte zei-<lb/>
gen, daß die Empfindung eben de&#x017F;&#x017F;elben a&#x0364;ußern &#x017F;innli-<lb/>
chen Eindrucks allein, und ohne ihn, die thieri&#x017F;che Be-<lb/>
wegung an die&#x017F;er Stelle ebenfalls hervorbringen ko&#x0364;nne:<lb/>
allein beyde la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nicht trennen, §. 35. und man muß<lb/>
al&#x017F;o, wie oben, §. 584. den Beweis aus den &#x017F;innlichen<lb/>
Vor&#x017F;tellungen herleiten, die &#x017F;ich auf die Empfindungen<lb/>
&#x017F;olcher a&#x0364;ußern &#x017F;innlichen Eindru&#x0364;cke beziehen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 587.</head><lb/>
              <p>Die Seelenwirkungen der Einbildungen und Vor-<lb/>
her&#x017F;ehungen &#x017F;ind keine andre, als die von den a&#x0364;ußern<lb/>
Empfindungen, auf welche &#x017F;ie &#x017F;ich beziehen, und da hier<lb/>
der zur Empfindung no&#x0364;thige a&#x0364;ußere &#x017F;innliche Eindruck<lb/>
nicht dabey i&#x017F;t, &#x017F;o kann er auch die Seelenwirkungen<lb/>
der Empfindung nicht als Nervenwirkungen mitwirken.<lb/>
Wenn &#x017F;ich nun Einbildungen oder Vorher&#x017F;ehungen auf<lb/>
&#x017F;olche Empfindungen beziehen, deren a&#x0364;ußere &#x017F;innliche<lb/>
Eindru&#x0364;cke mit lebhaften unmittelbaren Nervenwirkungen<lb/>
verbunden zu &#x017F;eyn pflegen, und &#x017F;ie wirken, obwohl nur<lb/>
mangelhaft, thieri&#x017F;che Bewegungen an den Stellen, wo<lb/>
die a&#x0364;ußern &#x017F;innlichen Eindru&#x0364;cke zu den wahren Empfin-<lb/>
dungen die&#x017F;elben voll&#x017F;ta&#x0364;ndiger als unmittelbare Nerven-<lb/>
wirkungen erregen, &#x017F;o erkennt man daraus die Mitwir-<lb/>
kung der innern &#x017F;innlichen Eindru&#x0364;cke von die&#x017F;en &#x017F;innlichen<lb/>
Vor&#x017F;tellungen, und muß &#x017F;chließen, daß bey den wahren<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Empfin-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[596/0620] II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr. Allein iſt in dieſem Falle die thieriſche Bewegung an dieſer Stelle darum auch wirklich eine Seelenwirkung von der Empfindung, da ſie doch ohnedem die unmittel- bare Nervenwirkung ihres aͤußern ſinnlichen Eindrucks iſt, er mag zugleich empfunden werden, oder nicht. §. 364. Woraus iſts erweislich, daß das Zuſammenzie- hen des Muskels, wenn die Beruͤhrung empfunden wird, wenigſtens zugleich eine Seelenwirkung dieſer Empfin- dung ſey und nicht ſtets nur eine unmittelbare Nerven- wirkung von der Beruͤhrung bleibe? Man muͤßte zei- gen, daß die Empfindung eben deſſelben aͤußern ſinnli- chen Eindrucks allein, und ohne ihn, die thieriſche Be- wegung an dieſer Stelle ebenfalls hervorbringen koͤnne: allein beyde laſſen ſich nicht trennen, §. 35. und man muß alſo, wie oben, §. 584. den Beweis aus den ſinnlichen Vorſtellungen herleiten, die ſich auf die Empfindungen ſolcher aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke beziehen. §. 587. Die Seelenwirkungen der Einbildungen und Vor- herſehungen ſind keine andre, als die von den aͤußern Empfindungen, auf welche ſie ſich beziehen, und da hier der zur Empfindung noͤthige aͤußere ſinnliche Eindruck nicht dabey iſt, ſo kann er auch die Seelenwirkungen der Empfindung nicht als Nervenwirkungen mitwirken. Wenn ſich nun Einbildungen oder Vorherſehungen auf ſolche Empfindungen beziehen, deren aͤußere ſinnliche Eindruͤcke mit lebhaften unmittelbaren Nervenwirkungen verbunden zu ſeyn pflegen, und ſie wirken, obwohl nur mangelhaft, thieriſche Bewegungen an den Stellen, wo die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke zu den wahren Empfin- dungen dieſelben vollſtaͤndiger als unmittelbare Nerven- wirkungen erregen, ſo erkennt man daraus die Mitwir- kung der innern ſinnlichen Eindruͤcke von dieſen ſinnlichen Vorſtellungen, und muß ſchließen, daß bey den wahren Empfin-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/620
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/620>, abgerufen am 24.11.2024.