selben Bewegungen nach eben den fremden Gesetzen wir- ken, wie sie es bey diesen organischen Maschinen thun, und da wir in ihren Körpern Maschinen finden, welche den thierischen Maschinen der beseelten Thiere sehr ähnlich sind, itzt können wir sicher entscheiden, daß alle diese organischen Maschinen durch thierische Maschinen von Natur thierisch beweget werden, und daß sie also in die Klasse der thieri- schen Körper gehören.
§. 601.
Nichtsdestoweniger bleibt, wie gesaget, der Unter- schied noch immer etwas unbestimmet, und die Grenzen des Pflanzen- und Thierreichs schwimmen bisweilen und verlieren sich ineinander, so daß man die Entscheidung nicht geben kann. Allein der Fehler liegt nicht am Un- terscheidungsgrunde, welcher stets wahr bleibt, sondern nur an der Schwierigkeit, ihn in manchen Fällen zu fin- den. Wenn man eine Fühlpflanze anrühret, so ziehen sich ihre Blätter auf eine so besondre Weise zusammen, daß es uns vorkömmt, als ließe sich diese Bewegung nicht aus der physicalischen oder mechanischen bewegenden Kraft dieser Berührung erklären, und dieß beweget uns zu der Vermu- thung, daß sie eine Thierpflanze seyn möchte: so ausge- machet ist bey uns der Grundsatz, eine organische Maschi- ne blos darum für thierisch zu halten, weil ihre Bewegun- gen von gewissen Eindrücken nicht nach den physischen und mechanischen Gesetzen, sondern vielmehr nach den thieri- schen Gesetzen der Bewegung beseelter Thiere, die uns be- kannt sind, erfolgen. Wir irren aber, wenn wir schlie- ßen: weil die natürlichen Bewegungen dieser Pflanzen, wie es scheint, thierisch sind, so müssen es Seelenwirkun- gen seyn: mithin müssen diese Pflanzen empfinden: denn es könnten auch bloße Nervenwirkungen seyn. §. 358. Jedoch auch diese sind es nicht einmal: denn bey genauerer Untersuchung der Strucktur dieser Pflanzen findet sichs, daß das Zusammenfalten ihrer Blätter doch nur eine me-
chanische
III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
ſelben Bewegungen nach eben den fremden Geſetzen wir- ken, wie ſie es bey dieſen organiſchen Maſchinen thun, und da wir in ihren Koͤrpern Maſchinen finden, welche den thieriſchen Maſchinen der beſeelten Thiere ſehr aͤhnlich ſind, itzt koͤnnen wir ſicher entſcheiden, daß alle dieſe organiſchen Maſchinen durch thieriſche Maſchinen von Natur thieriſch beweget werden, und daß ſie alſo in die Klaſſe der thieri- ſchen Koͤrper gehoͤren.
§. 601.
Nichtsdeſtoweniger bleibt, wie geſaget, der Unter- ſchied noch immer etwas unbeſtimmet, und die Grenzen des Pflanzen- und Thierreichs ſchwimmen bisweilen und verlieren ſich ineinander, ſo daß man die Entſcheidung nicht geben kann. Allein der Fehler liegt nicht am Un- terſcheidungsgrunde, welcher ſtets wahr bleibt, ſondern nur an der Schwierigkeit, ihn in manchen Faͤllen zu fin- den. Wenn man eine Fuͤhlpflanze anruͤhret, ſo ziehen ſich ihre Blaͤtter auf eine ſo beſondre Weiſe zuſammen, daß es uns vorkoͤmmt, als ließe ſich dieſe Bewegung nicht aus der phyſicaliſchen oder mechaniſchen bewegenden Kraft dieſer Beruͤhrung erklaͤren, und dieß beweget uns zu der Vermu- thung, daß ſie eine Thierpflanze ſeyn moͤchte: ſo ausge- machet iſt bey uns der Grundſatz, eine organiſche Maſchi- ne blos darum fuͤr thieriſch zu halten, weil ihre Bewegun- gen von gewiſſen Eindruͤcken nicht nach den phyſiſchen und mechaniſchen Geſetzen, ſondern vielmehr nach den thieri- ſchen Geſetzen der Bewegung beſeelter Thiere, die uns be- kannt ſind, erfolgen. Wir irren aber, wenn wir ſchlie- ßen: weil die natuͤrlichen Bewegungen dieſer Pflanzen, wie es ſcheint, thieriſch ſind, ſo muͤſſen es Seelenwirkun- gen ſeyn: mithin muͤſſen dieſe Pflanzen empfinden: denn es koͤnnten auch bloße Nervenwirkungen ſeyn. §. 358. Jedoch auch dieſe ſind es nicht einmal: denn bey genauerer Unterſuchung der Strucktur dieſer Pflanzen findet ſichs, daß das Zuſammenfalten ihrer Blaͤtter doch nur eine me-
chaniſche
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III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
ſelben Bewegungen nach eben den fremden Geſetzen wir-
ken, wie ſie es bey dieſen organiſchen Maſchinen thun, und
da wir in ihren Koͤrpern Maſchinen finden, welche den
thieriſchen Maſchinen der beſeelten Thiere ſehr aͤhnlich ſind,
itzt koͤnnen wir ſicher entſcheiden, daß alle dieſe organiſchen
Maſchinen durch thieriſche Maſchinen von Natur thieriſch
beweget werden, und daß ſie alſo in die Klaſſe der thieri-
ſchen Koͤrper gehoͤren.
§. 601.
Nichtsdeſtoweniger bleibt, wie geſaget, der Unter-
ſchied noch immer etwas unbeſtimmet, und die Grenzen
des Pflanzen- und Thierreichs ſchwimmen bisweilen und
verlieren ſich ineinander, ſo daß man die Entſcheidung
nicht geben kann. Allein der Fehler liegt nicht am Un-
terſcheidungsgrunde, welcher ſtets wahr bleibt, ſondern
nur an der Schwierigkeit, ihn in manchen Faͤllen zu fin-
den. Wenn man eine Fuͤhlpflanze anruͤhret, ſo ziehen ſich
ihre Blaͤtter auf eine ſo beſondre Weiſe zuſammen, daß es
uns vorkoͤmmt, als ließe ſich dieſe Bewegung nicht aus der
phyſicaliſchen oder mechaniſchen bewegenden Kraft dieſer
Beruͤhrung erklaͤren, und dieß beweget uns zu der Vermu-
thung, daß ſie eine Thierpflanze ſeyn moͤchte: ſo ausge-
machet iſt bey uns der Grundſatz, eine organiſche Maſchi-
ne blos darum fuͤr thieriſch zu halten, weil ihre Bewegun-
gen von gewiſſen Eindruͤcken nicht nach den phyſiſchen und
mechaniſchen Geſetzen, ſondern vielmehr nach den thieri-
ſchen Geſetzen der Bewegung beſeelter Thiere, die uns be-
kannt ſind, erfolgen. Wir irren aber, wenn wir ſchlie-
ßen: weil die natuͤrlichen Bewegungen dieſer Pflanzen,
wie es ſcheint, thieriſch ſind, ſo muͤſſen es Seelenwirkun-
gen ſeyn: mithin muͤſſen dieſe Pflanzen empfinden: denn
es koͤnnten auch bloße Nervenwirkungen ſeyn. §. 358.
Jedoch auch dieſe ſind es nicht einmal: denn bey genauerer
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/636>, abgerufen am 24.11.2024.
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