Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An sich betr. bundenen Bewegungen im Gehirne materielle Jdeen zunennen. B. M. §. 416. Ein psychologischer Materialist hält diese materiellen Jdeen im Gehirne für die Vorstellun- gen der Seele selbst. Weil man aber eingestehen muß, daß die Vorstellungskraft eine immaterielle Substanz sey, so kann man zwar freylich diese Bewegungen im Gehirne nicht für die Vorstellungen selbst halten: allein da sie bey- de unzertrennlich mit einander verbunden sind, und die Vorstellungskraft nie ohne diese Bewegungen wirket, noch im Thiere wirken kann, so ist es völlig gegründet: daß je- de Vorstellung eine Bewegung im Gehirne, (materielle Jdee,) und jede solche Bewegung im Gehirne eine Vor- stellung in der Seele voraussetze und verursache; daß eben dieselbe oder die ähnliche Vorstellung auch eben dieselbe oder ähnliche materielle Jdee, und eben dieselbe oder ähn- liche materielle Jdee dieselben oder ähnlichen Vorstellungen in der Seele hervorbringe; daß, wo keine Vorstellungen der Seele Statt finden, auch keine materiellen Jdeen, ob- gleich vielleicht ähnliche Bewegungen im Gehirne entste- hen, und wo keine materiellen Jdeen im Gehirne Statt finden, auch keine Vorstellungen in der Seele zur Wirk- lichkeit kommen können; (vergl. §. 112.) und daß die Voll- kommenheit oder Unvollkommenheit der Vorstellungskraft sehr von der natürlichen Vollkommenheit oder Unvollkom- menheit, oder von glücklicher oder gehinderter Ausbildung des Gehirns bey der Geburt und im Wachsthume etc. ab- hänge, wovon die verschobenen und verdrückten Köpfe der Kinder vieler dummer Nationen zeugen. Anmerkung. Man muß sich nicht an den Ausdruck uns
I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. bundenen Bewegungen im Gehirne materielle Jdeen zunennen. B. M. §. 416. Ein pſychologiſcher Materialiſt haͤlt dieſe materiellen Jdeen im Gehirne fuͤr die Vorſtellun- gen der Seele ſelbſt. Weil man aber eingeſtehen muß, daß die Vorſtellungskraft eine immaterielle Subſtanz ſey, ſo kann man zwar freylich dieſe Bewegungen im Gehirne nicht fuͤr die Vorſtellungen ſelbſt halten: allein da ſie bey- de unzertrennlich mit einander verbunden ſind, und die Vorſtellungskraft nie ohne dieſe Bewegungen wirket, noch im Thiere wirken kann, ſo iſt es voͤllig gegruͤndet: daß je- de Vorſtellung eine Bewegung im Gehirne, (materielle Jdee,) und jede ſolche Bewegung im Gehirne eine Vor- ſtellung in der Seele vorausſetze und verurſache; daß eben dieſelbe oder die aͤhnliche Vorſtellung auch eben dieſelbe oder aͤhnliche materielle Jdee, und eben dieſelbe oder aͤhn- liche materielle Jdee dieſelben oder aͤhnlichen Vorſtellungen in der Seele hervorbringe; daß, wo keine Vorſtellungen der Seele Statt finden, auch keine materiellen Jdeen, ob- gleich vielleicht aͤhnliche Bewegungen im Gehirne entſte- hen, und wo keine materiellen Jdeen im Gehirne Statt finden, auch keine Vorſtellungen in der Seele zur Wirk- lichkeit kommen koͤnnen; (vergl. §. 112.) und daß die Voll- kommenheit oder Unvollkommenheit der Vorſtellungskraft ſehr von der natuͤrlichen Vollkommenheit oder Unvollkom- menheit, oder von gluͤcklicher oder gehinderter Ausbildung des Gehirns bey der Geburt und im Wachsthume ꝛc. ab- haͤnge, wovon die verſchobenen und verdruͤckten Koͤpfe der Kinder vieler dummer Nationen zeugen. Anmerkung. Man muß ſich nicht an den Ausdruck uns
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I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr.
bundenen Bewegungen im Gehirne materielle Jdeen zu
nennen. B. M. §. 416. Ein pſychologiſcher Materialiſt
haͤlt dieſe materiellen Jdeen im Gehirne fuͤr die Vorſtellun-
gen der Seele ſelbſt. Weil man aber eingeſtehen muß,
daß die Vorſtellungskraft eine immaterielle Subſtanz ſey,
ſo kann man zwar freylich dieſe Bewegungen im Gehirne
nicht fuͤr die Vorſtellungen ſelbſt halten: allein da ſie bey-
de unzertrennlich mit einander verbunden ſind, und die
Vorſtellungskraft nie ohne dieſe Bewegungen wirket, noch
im Thiere wirken kann, ſo iſt es voͤllig gegruͤndet: daß je-
de Vorſtellung eine Bewegung im Gehirne, (materielle
Jdee,) und jede ſolche Bewegung im Gehirne eine Vor-
ſtellung in der Seele vorausſetze und verurſache; daß eben
dieſelbe oder die aͤhnliche Vorſtellung auch eben dieſelbe
oder aͤhnliche materielle Jdee, und eben dieſelbe oder aͤhn-
liche materielle Jdee dieſelben oder aͤhnlichen Vorſtellungen
in der Seele hervorbringe; daß, wo keine Vorſtellungen
der Seele Statt finden, auch keine materiellen Jdeen, ob-
gleich vielleicht aͤhnliche Bewegungen im Gehirne entſte-
hen, und wo keine materiellen Jdeen im Gehirne Statt
finden, auch keine Vorſtellungen in der Seele zur Wirk-
lichkeit kommen koͤnnen; (vergl. §. 112.) und daß die Voll-
kommenheit oder Unvollkommenheit der Vorſtellungskraft
ſehr von der natuͤrlichen Vollkommenheit oder Unvollkom-
menheit, oder von gluͤcklicher oder gehinderter Ausbildung
des Gehirns bey der Geburt und im Wachsthume ꝛc. ab-
haͤnge, wovon die verſchobenen und verdruͤckten Koͤpfe der
Kinder vieler dummer Nationen zeugen.
Anmerkung. Man muß ſich nicht an den Ausdruck
materieller Jdeen ſtoßen, weil er vielfaͤltig gemisbrau-
chet worden iſt. Wir verſtehen darunter keine hiero-
glyphiſchen Figuren von den Gegenſtaͤnden der Vorſtel-
lungen, keine im Gehirnmarke bleibende Eindruͤcke, wo-
von man keinen Begriff hat, und die man blos fuͤr
Spiele der Einbildungskraft allzuſinnlicher Weltweiſen
halten muß. Am wenigſten gedenken wir aus ihrer
uns
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