zigen Beweis anführen kann, daß eine ungeborne Frucht wirklich empfände, oder andre Vorstellungen und Triebe habe, scheinen auch überhaupt die thierischen Seelenkräfte vor der Geburt nicht einmal beym Menschen in Gebrauch zu kommen, weil die natürliche Bewegung des Gehirns, ohne welche es schwerlich irgend eine thierische Seelenkraft ausüben kann, vom Athemholen abhängt. §. 24. Man kann also allen, und selbst den beseelten Thieren vor der Geburt nichts mehr als die thierische Natur unbeseelter Thiere zuschreiben, und die wirkliche Gemeinschaft des Lei- bes und der Seele nimmt ihren Anfang erst im Augenbli- cke der Geburt. §. 604.
§. 635.
Da jedes Thier von einem ihm ähnlichen abstammet, §. 629. so stimmen die Struckturen ihrer Körper wesent- lich überein. Aus der sehr großen Aehnlichkeit der äußern Bildung, die man oft zwischen ältern Thieren und ihren Jungen wahrnimmt, erhellet, daß diese Uebereinstimmung sich auch auf zufällige Beschaffenheiten der Strucktur er- strecken könne. Da nun auch die Früchte von ihren Müt- tern, es sey unmittelbar im Mutterleibe, oder in den Eyern, alle ihre flüssigen Theile empfangen, und daraus genähret werden und erwachsen; §. H. P. 891. so können auch zu- fällige Beschaffenheiten sowohl der innern Strucktur, als der Säfte von den ältern Thieren auf die Jungen forter- ben, und hierinn kann die fortgeerbte, wie auch zum Theil durch die Muttermilch beygebrachte Disposition zur Gesundheit, Stärke, Reizbarkeit, Empfindlichkeit, mit- hin zur ganzen Art zu denken, §. 65. zu den natürlichen Geschicklichkeiten und zu Krankheiten und Gebrechen, ihren Grund haben, die man in so vielen Erfahrungen bestätiget findet. Vergl. d. A. 4 B. 169. St.
§. 636.
Ursprüngliche Mängel und Fehler in der Strucktur des Keims einer thierischen Frucht, eine unnatürliche Beschaf-
fenheit
III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
zigen Beweis anfuͤhren kann, daß eine ungeborne Frucht wirklich empfaͤnde, oder andre Vorſtellungen und Triebe habe, ſcheinen auch uͤberhaupt die thieriſchen Seelenkraͤfte vor der Geburt nicht einmal beym Menſchen in Gebrauch zu kommen, weil die natuͤrliche Bewegung des Gehirns, ohne welche es ſchwerlich irgend eine thieriſche Seelenkraft ausuͤben kann, vom Athemholen abhaͤngt. §. 24. Man kann alſo allen, und ſelbſt den beſeelten Thieren vor der Geburt nichts mehr als die thieriſche Natur unbeſeelter Thiere zuſchreiben, und die wirkliche Gemeinſchaft des Lei- bes und der Seele nimmt ihren Anfang erſt im Augenbli- cke der Geburt. §. 604.
§. 635.
Da jedes Thier von einem ihm aͤhnlichen abſtammet, §. 629. ſo ſtimmen die Struckturen ihrer Koͤrper weſent- lich uͤberein. Aus der ſehr großen Aehnlichkeit der aͤußern Bildung, die man oft zwiſchen aͤltern Thieren und ihren Jungen wahrnimmt, erhellet, daß dieſe Uebereinſtimmung ſich auch auf zufaͤllige Beſchaffenheiten der Strucktur er- ſtrecken koͤnne. Da nun auch die Fruͤchte von ihren Muͤt- tern, es ſey unmittelbar im Mutterleibe, oder in den Eyern, alle ihre fluͤſſigen Theile empfangen, und daraus genaͤhret werden und erwachſen; §. H. P. 891. ſo koͤnnen auch zu- faͤllige Beſchaffenheiten ſowohl der innern Strucktur, als der Saͤfte von den aͤltern Thieren auf die Jungen forter- ben, und hierinn kann die fortgeerbte, wie auch zum Theil durch die Muttermilch beygebrachte Dispoſition zur Geſundheit, Staͤrke, Reizbarkeit, Empfindlichkeit, mit- hin zur ganzen Art zu denken, §. 65. zu den natuͤrlichen Geſchicklichkeiten und zu Krankheiten und Gebrechen, ihren Grund haben, die man in ſo vielen Erfahrungen beſtaͤtiget findet. Vergl. d. A. 4 B. 169. St.
§. 636.
Urſpruͤngliche Maͤngel und Fehler in der Strucktur des Keims einer thieriſchen Frucht, eine unnatuͤrliche Beſchaf-
fenheit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0678"n="654"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">III</hi> Th. Natur der Thiere im Ganzen.</hi></fw><lb/>
zigen Beweis anfuͤhren kann, daß eine ungeborne Frucht<lb/>
wirklich empfaͤnde, oder andre Vorſtellungen und Triebe<lb/>
habe, ſcheinen auch uͤberhaupt die thieriſchen Seelenkraͤfte<lb/>
vor der Geburt nicht einmal beym Menſchen in Gebrauch<lb/>
zu kommen, weil die natuͤrliche Bewegung des Gehirns,<lb/>
ohne welche es ſchwerlich irgend eine thieriſche Seelenkraft<lb/>
ausuͤben kann, vom Athemholen abhaͤngt. §. 24. Man<lb/>
kann alſo allen, und ſelbſt den beſeelten Thieren vor der<lb/>
Geburt nichts mehr als die thieriſche Natur unbeſeelter<lb/>
Thiere zuſchreiben, und die wirkliche Gemeinſchaft des Lei-<lb/>
bes und der Seele nimmt ihren Anfang erſt im Augenbli-<lb/>
cke der Geburt. §. 604.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 635.</head><lb/><p>Da jedes Thier von einem ihm aͤhnlichen abſtammet,<lb/>
§. 629. ſo ſtimmen die Struckturen ihrer Koͤrper weſent-<lb/>
lich uͤberein. Aus der ſehr großen Aehnlichkeit der aͤußern<lb/>
Bildung, die man oft zwiſchen aͤltern Thieren und ihren<lb/>
Jungen wahrnimmt, erhellet, daß dieſe Uebereinſtimmung<lb/>ſich auch auf zufaͤllige Beſchaffenheiten der Strucktur er-<lb/>ſtrecken koͤnne. Da nun auch die Fruͤchte von ihren Muͤt-<lb/>
tern, es ſey unmittelbar im Mutterleibe, oder in den Eyern,<lb/>
alle ihre fluͤſſigen Theile empfangen, und daraus genaͤhret<lb/>
werden und erwachſen; §. <hirendition="#aq">H. P.</hi> 891. ſo koͤnnen auch zu-<lb/>
faͤllige Beſchaffenheiten ſowohl der innern Strucktur, als<lb/>
der Saͤfte von den aͤltern Thieren auf die Jungen forter-<lb/>
ben, und hierinn kann die <hirendition="#fr">fortgeerbte,</hi> wie auch zum<lb/>
Theil durch die Muttermilch beygebrachte <hirendition="#fr">Dispoſition</hi> zur<lb/>
Geſundheit, Staͤrke, Reizbarkeit, Empfindlichkeit, mit-<lb/>
hin zur ganzen Art zu denken, §. 65. zu den natuͤrlichen<lb/>
Geſchicklichkeiten und zu Krankheiten und Gebrechen, ihren<lb/>
Grund haben, die man in ſo vielen Erfahrungen beſtaͤtiget<lb/>
findet. Vergl. d. A. 4 B. 169. St.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 636.</head><lb/><p>Urſpruͤngliche Maͤngel und Fehler in der Strucktur des<lb/>
Keims einer thieriſchen Frucht, eine unnatuͤrliche Beſchaf-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">fenheit</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[654/0678]
III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
zigen Beweis anfuͤhren kann, daß eine ungeborne Frucht
wirklich empfaͤnde, oder andre Vorſtellungen und Triebe
habe, ſcheinen auch uͤberhaupt die thieriſchen Seelenkraͤfte
vor der Geburt nicht einmal beym Menſchen in Gebrauch
zu kommen, weil die natuͤrliche Bewegung des Gehirns,
ohne welche es ſchwerlich irgend eine thieriſche Seelenkraft
ausuͤben kann, vom Athemholen abhaͤngt. §. 24. Man
kann alſo allen, und ſelbſt den beſeelten Thieren vor der
Geburt nichts mehr als die thieriſche Natur unbeſeelter
Thiere zuſchreiben, und die wirkliche Gemeinſchaft des Lei-
bes und der Seele nimmt ihren Anfang erſt im Augenbli-
cke der Geburt. §. 604.
§. 635.
Da jedes Thier von einem ihm aͤhnlichen abſtammet,
§. 629. ſo ſtimmen die Struckturen ihrer Koͤrper weſent-
lich uͤberein. Aus der ſehr großen Aehnlichkeit der aͤußern
Bildung, die man oft zwiſchen aͤltern Thieren und ihren
Jungen wahrnimmt, erhellet, daß dieſe Uebereinſtimmung
ſich auch auf zufaͤllige Beſchaffenheiten der Strucktur er-
ſtrecken koͤnne. Da nun auch die Fruͤchte von ihren Muͤt-
tern, es ſey unmittelbar im Mutterleibe, oder in den Eyern,
alle ihre fluͤſſigen Theile empfangen, und daraus genaͤhret
werden und erwachſen; §. H. P. 891. ſo koͤnnen auch zu-
faͤllige Beſchaffenheiten ſowohl der innern Strucktur, als
der Saͤfte von den aͤltern Thieren auf die Jungen forter-
ben, und hierinn kann die fortgeerbte, wie auch zum
Theil durch die Muttermilch beygebrachte Dispoſition zur
Geſundheit, Staͤrke, Reizbarkeit, Empfindlichkeit, mit-
hin zur ganzen Art zu denken, §. 65. zu den natuͤrlichen
Geſchicklichkeiten und zu Krankheiten und Gebrechen, ihren
Grund haben, die man in ſo vielen Erfahrungen beſtaͤtiget
findet. Vergl. d. A. 4 B. 169. St.
§. 636.
Urſpruͤngliche Maͤngel und Fehler in der Strucktur des
Keims einer thieriſchen Frucht, eine unnatuͤrliche Beſchaf-
fenheit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/678>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.