Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

5 Kap. System der Kräfte zum thier. Leben.
Sobald die Nerven durch den Mangel der fernern Abson-
derung der Lebensgeister im Gehirne und des weitern Zu-
flusses in sie ihrer noch übrigen Lebensgeister völlig beraubt
sind, gehen ihre thierische Kräfte verloren, weil die natür-
lich subordinirende Kraft des Gehirns zu wirken aufhöret,
mithin das blos thierische Leben selbst ein Ende nimmt.
§. 639. 666.

Man vergleiche das Gehirn beseelter Thiere mit einem
künstlichen Springbrunnen, der über der Quelle eines
Bachs steht, welcher die Blumen eines Gartens ernähret
und vegetativisch belebet. Diese Blumen sind die Nerven.
Der künstliche Springbrunn kann die thierische Seelen-
kraft des Gehirns, und der Bach, der unter ihm abfließt,
und die Pflanzen bewässert, die ursprüngliche thierische Le-
benskraft desselben vorstellen. Der Springbrunn werde
verdorben oder hinweggeräumet, so werden doch die Blu-
men des Gartens, obgleich sein Wasser sie mit ernähret
und belebet, so lange der Bach nur fortfließt und sie be-
wässert, wie er gethan haben würde, wenn gar kein Spring-
brunn vorhanden gewesen wäre, fortleben, weil ihr Leben
nicht eigentlich ihm, sondern der Quelle und ihrer Ver-
theilung im Garten natürlich subordiniret ist. Verstopfet
man aber die Quelle, so wird das Leben der Blumen nur
noch so lange fortdauren, als sich von dem im Garten aus-
gebreitetem Wasser derselben Vorrath zu deren Ernährung
und Leben übrig befindet. Sobald auch dieses versiegt
oder verbrauchet ist, sterben sie ab, weil die ursprüngliche
Kraft, welcher ihr Leben natürlich subordiniret war, zu
wirken aufgehöret hat, und alle Folgen derselben ver-
schwunden sind.



Sechstes
Y y 2

5 Kap. Syſtem der Kraͤfte zum thier. Leben.
Sobald die Nerven durch den Mangel der fernern Abſon-
derung der Lebensgeiſter im Gehirne und des weitern Zu-
fluſſes in ſie ihrer noch uͤbrigen Lebensgeiſter voͤllig beraubt
ſind, gehen ihre thieriſche Kraͤfte verloren, weil die natuͤr-
lich ſubordinirende Kraft des Gehirns zu wirken aufhoͤret,
mithin das blos thieriſche Leben ſelbſt ein Ende nimmt.
§. 639. 666.

Man vergleiche das Gehirn beſeelter Thiere mit einem
kuͤnſtlichen Springbrunnen, der uͤber der Quelle eines
Bachs ſteht, welcher die Blumen eines Gartens ernaͤhret
und vegetativiſch belebet. Dieſe Blumen ſind die Nerven.
Der kuͤnſtliche Springbrunn kann die thieriſche Seelen-
kraft des Gehirns, und der Bach, der unter ihm abfließt,
und die Pflanzen bewaͤſſert, die urſpruͤngliche thieriſche Le-
benskraft deſſelben vorſtellen. Der Springbrunn werde
verdorben oder hinweggeraͤumet, ſo werden doch die Blu-
men des Gartens, obgleich ſein Waſſer ſie mit ernaͤhret
und belebet, ſo lange der Bach nur fortfließt und ſie be-
waͤſſert, wie er gethan haben wuͤrde, wenn gar kein Spring-
brunn vorhanden geweſen waͤre, fortleben, weil ihr Leben
nicht eigentlich ihm, ſondern der Quelle und ihrer Ver-
theilung im Garten natuͤrlich ſubordiniret iſt. Verſtopfet
man aber die Quelle, ſo wird das Leben der Blumen nur
noch ſo lange fortdauren, als ſich von dem im Garten aus-
gebreitetem Waſſer derſelben Vorrath zu deren Ernaͤhrung
und Leben uͤbrig befindet. Sobald auch dieſes verſiegt
oder verbrauchet iſt, ſterben ſie ab, weil die urſpruͤngliche
Kraft, welcher ihr Leben natuͤrlich ſubordiniret war, zu
wirken aufgehoͤret hat, und alle Folgen derſelben ver-
ſchwunden ſind.



Sechſtes
Y y 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0731" n="707"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">5 Kap. Sy&#x017F;tem der Kra&#x0364;fte zum thier. Leben.</hi></fw><lb/>
Sobald die Nerven durch den Mangel der fernern Ab&#x017F;on-<lb/>
derung der Lebensgei&#x017F;ter im Gehirne und des weitern Zu-<lb/>
flu&#x017F;&#x017F;es in &#x017F;ie ihrer noch u&#x0364;brigen Lebensgei&#x017F;ter vo&#x0364;llig beraubt<lb/>
&#x017F;ind, gehen ihre thieri&#x017F;che Kra&#x0364;fte verloren, weil die natu&#x0364;r-<lb/>
lich &#x017F;ubordinirende Kraft des Gehirns zu wirken aufho&#x0364;ret,<lb/>
mithin das blos thieri&#x017F;che Leben &#x017F;elb&#x017F;t ein Ende nimmt.<lb/>
§. 639. 666.</p><lb/>
            <p>Man vergleiche das Gehirn be&#x017F;eelter Thiere mit einem<lb/>
ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Springbrunnen, der u&#x0364;ber der Quelle eines<lb/>
Bachs &#x017F;teht, welcher die Blumen eines Gartens erna&#x0364;hret<lb/>
und vegetativi&#x017F;ch belebet. Die&#x017F;e Blumen &#x017F;ind die Nerven.<lb/>
Der ku&#x0364;n&#x017F;tliche Springbrunn kann die thieri&#x017F;che Seelen-<lb/>
kraft des Gehirns, und der Bach, der unter ihm abfließt,<lb/>
und die Pflanzen bewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert, die ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche thieri&#x017F;che Le-<lb/>
benskraft de&#x017F;&#x017F;elben vor&#x017F;tellen. Der Springbrunn werde<lb/>
verdorben oder hinweggera&#x0364;umet, &#x017F;o werden doch die Blu-<lb/>
men des Gartens, obgleich &#x017F;ein Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ie mit erna&#x0364;hret<lb/>
und belebet, &#x017F;o lange der Bach nur fortfließt und &#x017F;ie be-<lb/>
wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert, wie er gethan haben wu&#x0364;rde, wenn gar kein Spring-<lb/>
brunn vorhanden gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, fortleben, weil ihr Leben<lb/>
nicht eigentlich ihm, &#x017F;ondern der Quelle und ihrer Ver-<lb/>
theilung im Garten natu&#x0364;rlich &#x017F;ubordiniret i&#x017F;t. Ver&#x017F;topfet<lb/>
man aber die Quelle, &#x017F;o wird das Leben der Blumen nur<lb/>
noch &#x017F;o lange fortdauren, als &#x017F;ich von dem im Garten aus-<lb/>
gebreitetem Wa&#x017F;&#x017F;er der&#x017F;elben Vorrath zu deren Erna&#x0364;hrung<lb/>
und Leben u&#x0364;brig befindet. Sobald auch die&#x017F;es ver&#x017F;iegt<lb/>
oder verbrauchet i&#x017F;t, &#x017F;terben &#x017F;ie ab, weil die ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche<lb/>
Kraft, welcher ihr Leben natu&#x0364;rlich &#x017F;ubordiniret war, zu<lb/>
wirken aufgeho&#x0364;ret hat, und alle Folgen der&#x017F;elben ver-<lb/>
&#x017F;chwunden &#x017F;ind.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">Y y 2</fw>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[707/0731] 5 Kap. Syſtem der Kraͤfte zum thier. Leben. Sobald die Nerven durch den Mangel der fernern Abſon- derung der Lebensgeiſter im Gehirne und des weitern Zu- fluſſes in ſie ihrer noch uͤbrigen Lebensgeiſter voͤllig beraubt ſind, gehen ihre thieriſche Kraͤfte verloren, weil die natuͤr- lich ſubordinirende Kraft des Gehirns zu wirken aufhoͤret, mithin das blos thieriſche Leben ſelbſt ein Ende nimmt. §. 639. 666. Man vergleiche das Gehirn beſeelter Thiere mit einem kuͤnſtlichen Springbrunnen, der uͤber der Quelle eines Bachs ſteht, welcher die Blumen eines Gartens ernaͤhret und vegetativiſch belebet. Dieſe Blumen ſind die Nerven. Der kuͤnſtliche Springbrunn kann die thieriſche Seelen- kraft des Gehirns, und der Bach, der unter ihm abfließt, und die Pflanzen bewaͤſſert, die urſpruͤngliche thieriſche Le- benskraft deſſelben vorſtellen. Der Springbrunn werde verdorben oder hinweggeraͤumet, ſo werden doch die Blu- men des Gartens, obgleich ſein Waſſer ſie mit ernaͤhret und belebet, ſo lange der Bach nur fortfließt und ſie be- waͤſſert, wie er gethan haben wuͤrde, wenn gar kein Spring- brunn vorhanden geweſen waͤre, fortleben, weil ihr Leben nicht eigentlich ihm, ſondern der Quelle und ihrer Ver- theilung im Garten natuͤrlich ſubordiniret iſt. Verſtopfet man aber die Quelle, ſo wird das Leben der Blumen nur noch ſo lange fortdauren, als ſich von dem im Garten aus- gebreitetem Waſſer derſelben Vorrath zu deren Ernaͤhrung und Leben uͤbrig befindet. Sobald auch dieſes verſiegt oder verbrauchet iſt, ſterben ſie ab, weil die urſpruͤngliche Kraft, welcher ihr Leben natuͤrlich ſubordiniret war, zu wirken aufgehoͤret hat, und alle Folgen derſelben ver- ſchwunden ſind. Sechſtes Y y 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/731
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 707. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/731>, abgerufen am 20.05.2024.