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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
System der thierischen Maschinen verbreitete Lebensgeister
sogleich erschöpfet oder verzehret, §. 677. N. 2. und in der
Zwischenzeit, bis dieses geschehen ist, können ihre Nerven
noch Eindrücke sinnlich annehmen, §. 661. und in der na-
türlichen Subordination unter die ursprüngliche thierische
Lebenskraft ihres Gehirns thierische Wirkungen verrichten,
§. 666. mithin kann auch ihr blos thierisches Leben so lan-
ge noch fortdauren, §. 639. obgleich ihr Gehirn mit sei-
ner ursprünglich thierischen Lebenskraft von ihm getrennet
ist, da dieselbe durch ihre wesentlichen Folgen in den Ner-
ven so lange zu wirken noch fortfährt. Jn den beseelten
Thieren ist das Gehirn im Kopfe nicht nur der Ursprung
der Lebensgeister; sondern auch der thierischen Seelenkräf-
te. §. 10. Also wird bey ihnen im natürlichen Zustande
zu jeder thierischen Verrichtung die Gegenwart des Kopfs
und Gehirns, als der Absonderungs- und Austheilungs-
maschine der Lebensgeister, nicht aber als des Sitzes der
thierischen Seelenkräfte erfodert. §. 356. Wenn bey be-
seelten Thieren Kopf und Gehirn vom Körper getrennet ist,
so können keine Seelenwirkungen in den vom Gehirne ge-
trennten Theilen mehr erfolgen; §. 607. aber die übrigen
thierischen Verrichtungen finden auch hier noch so lange
Statt, bis die schon in die Nerven ergossenen Lebensgeister
völlig erschöpfet und verzehret sind. §. 677. N. 2. Jn
diesem Zwischenleben also können die thierischen Verrich-
tungen, die keine Seelenwirkungen sind, noch eine Zeit-
lang fortdauren, obgleich Kopf, Gehirn und Seele vom
Körper getrennet sind. Dieses beweist zwar unwider-
sprechlich, daß die thierischen Verrichtungen, die alsdann
noch von Statten gehen, nicht stets noch nothwendig See-
lenwirkungen sind: nichtsdestoweniger aber stehen sie noch
unter der natürlichen Subordination der ursprünglichen
thierischen Lebenskraft des Gehirns, als einer Absonde-
rungs- und Austheilungsmaschine der Lebensgeister, indem
sie nur so lange noch fortdauren, als die Folgen dieser Ab-
sonderung und Verbreitung in den Nerven noch da sind.

Sobald

III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
Syſtem der thieriſchen Maſchinen verbreitete Lebensgeiſter
ſogleich erſchoͤpfet oder verzehret, §. 677. N. 2. und in der
Zwiſchenzeit, bis dieſes geſchehen iſt, koͤnnen ihre Nerven
noch Eindruͤcke ſinnlich annehmen, §. 661. und in der na-
tuͤrlichen Subordination unter die urſpruͤngliche thieriſche
Lebenskraft ihres Gehirns thieriſche Wirkungen verrichten,
§. 666. mithin kann auch ihr blos thieriſches Leben ſo lan-
ge noch fortdauren, §. 639. obgleich ihr Gehirn mit ſei-
ner urſpruͤnglich thieriſchen Lebenskraft von ihm getrennet
iſt, da dieſelbe durch ihre weſentlichen Folgen in den Ner-
ven ſo lange zu wirken noch fortfaͤhrt. Jn den beſeelten
Thieren iſt das Gehirn im Kopfe nicht nur der Urſprung
der Lebensgeiſter; ſondern auch der thieriſchen Seelenkraͤf-
te. §. 10. Alſo wird bey ihnen im natuͤrlichen Zuſtande
zu jeder thieriſchen Verrichtung die Gegenwart des Kopfs
und Gehirns, als der Abſonderungs- und Austheilungs-
maſchine der Lebensgeiſter, nicht aber als des Sitzes der
thieriſchen Seelenkraͤfte erfodert. §. 356. Wenn bey be-
ſeelten Thieren Kopf und Gehirn vom Koͤrper getrennet iſt,
ſo koͤnnen keine Seelenwirkungen in den vom Gehirne ge-
trennten Theilen mehr erfolgen; §. 607. aber die uͤbrigen
thieriſchen Verrichtungen finden auch hier noch ſo lange
Statt, bis die ſchon in die Nerven ergoſſenen Lebensgeiſter
voͤllig erſchoͤpfet und verzehret ſind. §. 677. N. 2. Jn
dieſem Zwiſchenleben alſo koͤnnen die thieriſchen Verrich-
tungen, die keine Seelenwirkungen ſind, noch eine Zeit-
lang fortdauren, obgleich Kopf, Gehirn und Seele vom
Koͤrper getrennet ſind. Dieſes beweiſt zwar unwider-
ſprechlich, daß die thieriſchen Verrichtungen, die alsdann
noch von Statten gehen, nicht ſtets noch nothwendig See-
lenwirkungen ſind: nichtsdeſtoweniger aber ſtehen ſie noch
unter der natuͤrlichen Subordination der urſpruͤnglichen
thieriſchen Lebenskraft des Gehirns, als einer Abſonde-
rungs- und Austheilungsmaſchine der Lebensgeiſter, indem
ſie nur ſo lange noch fortdauren, als die Folgen dieſer Ab-
ſonderung und Verbreitung in den Nerven noch da ſind.

Sobald
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[706/0730] III Th. Natur der Thiere im Ganzen. Syſtem der thieriſchen Maſchinen verbreitete Lebensgeiſter ſogleich erſchoͤpfet oder verzehret, §. 677. N. 2. und in der Zwiſchenzeit, bis dieſes geſchehen iſt, koͤnnen ihre Nerven noch Eindruͤcke ſinnlich annehmen, §. 661. und in der na- tuͤrlichen Subordination unter die urſpruͤngliche thieriſche Lebenskraft ihres Gehirns thieriſche Wirkungen verrichten, §. 666. mithin kann auch ihr blos thieriſches Leben ſo lan- ge noch fortdauren, §. 639. obgleich ihr Gehirn mit ſei- ner urſpruͤnglich thieriſchen Lebenskraft von ihm getrennet iſt, da dieſelbe durch ihre weſentlichen Folgen in den Ner- ven ſo lange zu wirken noch fortfaͤhrt. Jn den beſeelten Thieren iſt das Gehirn im Kopfe nicht nur der Urſprung der Lebensgeiſter; ſondern auch der thieriſchen Seelenkraͤf- te. §. 10. Alſo wird bey ihnen im natuͤrlichen Zuſtande zu jeder thieriſchen Verrichtung die Gegenwart des Kopfs und Gehirns, als der Abſonderungs- und Austheilungs- maſchine der Lebensgeiſter, nicht aber als des Sitzes der thieriſchen Seelenkraͤfte erfodert. §. 356. Wenn bey be- ſeelten Thieren Kopf und Gehirn vom Koͤrper getrennet iſt, ſo koͤnnen keine Seelenwirkungen in den vom Gehirne ge- trennten Theilen mehr erfolgen; §. 607. aber die uͤbrigen thieriſchen Verrichtungen finden auch hier noch ſo lange Statt, bis die ſchon in die Nerven ergoſſenen Lebensgeiſter voͤllig erſchoͤpfet und verzehret ſind. §. 677. N. 2. Jn dieſem Zwiſchenleben alſo koͤnnen die thieriſchen Verrich- tungen, die keine Seelenwirkungen ſind, noch eine Zeit- lang fortdauren, obgleich Kopf, Gehirn und Seele vom Koͤrper getrennet ſind. Dieſes beweiſt zwar unwider- ſprechlich, daß die thieriſchen Verrichtungen, die alsdann noch von Statten gehen, nicht ſtets noch nothwendig See- lenwirkungen ſind: nichtsdeſtoweniger aber ſtehen ſie noch unter der natuͤrlichen Subordination der urſpruͤnglichen thieriſchen Lebenskraft des Gehirns, als einer Abſonde- rungs- und Austheilungsmaſchine der Lebensgeiſter, indem ſie nur ſo lange noch fortdauren, als die Folgen dieſer Ab- ſonderung und Verbreitung in den Nerven noch da ſind. Sobald

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 706. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/730>, abgerufen am 20.05.2024.