Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

gen Empfindungen würcken, damit ich eine
recht genaue Verbindung zwischen unsrer Sele
und unsern Körper erweisen möge.

§. 32.

Wenn wir etwas empfinden sollen, so müs-
sen wir eine Sele haben, unsre Nerven müssen
in gehörigen Zustande seyn, und ein äusserer
Körper muß dieselben berühren und in Bewe-
gung setzen. Jch sage: Wenn diese Bedingun-
gen entweder allezusammen genommen fehlen,
oder wenn dieses nur von einer einzigen gilt;
so können wir nichts empfinden. Es kan un-
möglich schwer fallen, alles dieses zu erweisen.
Die Empfindungen haben in der Sele ihren
Sitz: daran wird niemand zweifeln, der nicht
seiner Vernunft beraubt ist. Wenn also ohne
Sele auch keine Empfindung statt hat; so muß
nothwendig folgen, daß die Sele zu denen Em-
pfindungen unumgänglich nöthig sey. Und
dieses war das erste. Wenn man einen Ner-
ven entweder bindet, oder denselben gäntzlich
zerreißt; so wird derienige Theil zu welchem
der Nerve hinläuft unempfindlich, oder, man
kan dadurch nichts empfinden. Diesen Satz
bestätigen so viele Observationen, daß man auch
heut zu Tage nicht im geringsten mehr daran
zweifelt. Man hat an lebendigen Thieren die
Probe mehr als hundertmal gemacht, und ih-
nen einen gewissen Nerven gebunden. So
bald dieses geschehen ist; so hat man mit dem-
ienigen Theile zu welchen der gebundene Nerve

hinge-

gen Empfindungen wuͤrcken, damit ich eine
recht genaue Verbindung zwiſchen unſrer Sele
und unſern Koͤrper erweiſen moͤge.

§. 32.

Wenn wir etwas empfinden ſollen, ſo muͤſ-
ſen wir eine Sele haben, unſre Nerven muͤſſen
in gehoͤrigen Zuſtande ſeyn, und ein aͤuſſerer
Koͤrper muß dieſelben beruͤhren und in Bewe-
gung ſetzen. Jch ſage: Wenn dieſe Bedingun-
gen entweder allezuſammen genommen fehlen,
oder wenn dieſes nur von einer einzigen gilt;
ſo koͤnnen wir nichts empfinden. Es kan un-
moͤglich ſchwer fallen, alles dieſes zu erweiſen.
Die Empfindungen haben in der Sele ihren
Sitz: daran wird niemand zweifeln, der nicht
ſeiner Vernunft beraubt iſt. Wenn alſo ohne
Sele auch keine Empfindung ſtatt hat; ſo muß
nothwendig folgen, daß die Sele zu denen Em-
pfindungen unumgaͤnglich noͤthig ſey. Und
dieſes war das erſte. Wenn man einen Ner-
ven entweder bindet, oder denſelben gaͤntzlich
zerreißt; ſo wird derienige Theil zu welchem
der Nerve hinlaͤuft unempfindlich, oder, man
kan dadurch nichts empfinden. Dieſen Satz
beſtaͤtigen ſo viele Obſervationen, daß man auch
heut zu Tage nicht im geringſten mehr daran
zweifelt. Man hat an lebendigen Thieren die
Probe mehr als hundertmal gemacht, und ih-
nen einen gewiſſen Nerven gebunden. So
bald dieſes geſchehen iſt; ſo hat man mit dem-
ienigen Theile zu welchen der gebundene Nerve

hinge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0110" n="80"/>
gen Empfindungen wu&#x0364;rcken, damit ich eine<lb/>
recht genaue Verbindung zwi&#x017F;chen un&#x017F;rer Sele<lb/>
und un&#x017F;ern Ko&#x0364;rper erwei&#x017F;en mo&#x0364;ge.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 32.</head><lb/>
          <p>Wenn wir etwas empfinden &#x017F;ollen, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en wir eine Sele haben, un&#x017F;re Nerven mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
in geho&#x0364;rigen Zu&#x017F;tande &#x017F;eyn, und ein a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erer<lb/>
Ko&#x0364;rper muß die&#x017F;elben beru&#x0364;hren und in Bewe-<lb/>
gung &#x017F;etzen. Jch &#x017F;age: Wenn die&#x017F;e Bedingun-<lb/>
gen entweder allezu&#x017F;ammen genommen fehlen,<lb/>
oder wenn die&#x017F;es nur von einer einzigen gilt;<lb/>
&#x017F;o ko&#x0364;nnen wir nichts empfinden. Es kan un-<lb/>
mo&#x0364;glich &#x017F;chwer fallen, alles die&#x017F;es zu erwei&#x017F;en.<lb/>
Die Empfindungen haben in der Sele ihren<lb/>
Sitz: daran wird niemand zweifeln, der nicht<lb/>
&#x017F;einer Vernunft beraubt i&#x017F;t. Wenn al&#x017F;o ohne<lb/>
Sele auch keine Empfindung &#x017F;tatt hat; &#x017F;o muß<lb/>
nothwendig folgen, daß die Sele zu denen Em-<lb/>
pfindungen unumga&#x0364;nglich no&#x0364;thig &#x017F;ey. Und<lb/>
die&#x017F;es war das er&#x017F;te. Wenn man einen Ner-<lb/>
ven entweder bindet, oder den&#x017F;elben ga&#x0364;ntzlich<lb/>
zerreißt; &#x017F;o wird derienige Theil zu welchem<lb/>
der Nerve hinla&#x0364;uft unempfindlich, oder, man<lb/>
kan dadurch nichts empfinden. Die&#x017F;en Satz<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;tigen &#x017F;o viele Ob&#x017F;ervationen, daß man auch<lb/>
heut zu Tage nicht im gering&#x017F;ten mehr daran<lb/>
zweifelt. Man hat an lebendigen Thieren die<lb/>
Probe mehr als hundertmal gemacht, und ih-<lb/>
nen einen gewi&#x017F;&#x017F;en Nerven gebunden. So<lb/>
bald die&#x017F;es ge&#x017F;chehen i&#x017F;t; &#x017F;o hat man mit dem-<lb/>
ienigen Theile zu welchen der gebundene Nerve<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hinge-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0110] gen Empfindungen wuͤrcken, damit ich eine recht genaue Verbindung zwiſchen unſrer Sele und unſern Koͤrper erweiſen moͤge. §. 32. Wenn wir etwas empfinden ſollen, ſo muͤſ- ſen wir eine Sele haben, unſre Nerven muͤſſen in gehoͤrigen Zuſtande ſeyn, und ein aͤuſſerer Koͤrper muß dieſelben beruͤhren und in Bewe- gung ſetzen. Jch ſage: Wenn dieſe Bedingun- gen entweder allezuſammen genommen fehlen, oder wenn dieſes nur von einer einzigen gilt; ſo koͤnnen wir nichts empfinden. Es kan un- moͤglich ſchwer fallen, alles dieſes zu erweiſen. Die Empfindungen haben in der Sele ihren Sitz: daran wird niemand zweifeln, der nicht ſeiner Vernunft beraubt iſt. Wenn alſo ohne Sele auch keine Empfindung ſtatt hat; ſo muß nothwendig folgen, daß die Sele zu denen Em- pfindungen unumgaͤnglich noͤthig ſey. Und dieſes war das erſte. Wenn man einen Ner- ven entweder bindet, oder denſelben gaͤntzlich zerreißt; ſo wird derienige Theil zu welchem der Nerve hinlaͤuft unempfindlich, oder, man kan dadurch nichts empfinden. Dieſen Satz beſtaͤtigen ſo viele Obſervationen, daß man auch heut zu Tage nicht im geringſten mehr daran zweifelt. Man hat an lebendigen Thieren die Probe mehr als hundertmal gemacht, und ih- nen einen gewiſſen Nerven gebunden. So bald dieſes geſchehen iſt; ſo hat man mit dem- ienigen Theile zu welchen der gebundene Nerve hinge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/110
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/110>, abgerufen am 25.11.2024.