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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

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rungen im Körper u. s. w. Besonders ist es falsch,
wenn man glaubet, daß ein Stahlianer diesen
Satz auch umgekehrt verstanden wissen wolle.
Wenn ein Stahlianer glaubte alle Verände-
rungen der Sele rührten von denen Verände-
rungen des Körpers her; so wäre seine Mei-
nung eine der allerverächtlichsten. Er müste
den Intellectum Purum der Sele alsdenn
auch denen Veränderungen des Körpers zu-
schreiben, und ich glaube, daß ihm dieses so
leicht nicht einfallen werde. Jch sehe nicht ab,
warum man solchergestalt einen Stahlianer
seiner Meinung wegen tadeln wolte. Er be-
hauptet, die Bewegung des Hertzens werde
von der Sele gewürckt, weil nichts wahrschein-
licher ist als dieses, da die Bewegung dessel-
ben so gleich aufhöret, so bald der Körper todt
ist, und da sie allemal von statten gehet, wenn
wir eine Sele haben. Es könte zwar wol
seyn, daß das Hertz nur durch seine Strucktur
in seiner Bewegung erhalten würde: allein es
könte vielleicht auch wol nicht seyn. Jch ha-
be mir sagen lassen, daß der Hertzschlag nicht
lange solte dauren können, wo das Hertz selbst
nicht empfindlich wäre. Jst aber die Empfind-
lichkeit des Hertzens die Ursach seiner Bewe-
gung; so ist es auch die Sele; denn ich glau-
be, dieses wird wol einerley sagen. Jch werde
mich wenigstens nicht überreden können, der
Sele die Herrschaft über ihren Körper zu ent-
wenden. Sie scheinet eine so genaue Ver-

wand-

rungen im Koͤrper u. ſ. w. Beſonders iſt es falſch,
wenn man glaubet, daß ein Stahlianer dieſen
Satz auch umgekehrt verſtanden wiſſen wolle.
Wenn ein Stahlianer glaubte alle Veraͤnde-
rungen der Sele ruͤhrten von denen Veraͤnde-
rungen des Koͤrpers her; ſo waͤre ſeine Mei-
nung eine der allerveraͤchtlichſten. Er muͤſte
den Intellectum Purum der Sele alsdenn
auch denen Veraͤnderungen des Koͤrpers zu-
ſchreiben, und ich glaube, daß ihm dieſes ſo
leicht nicht einfallen werde. Jch ſehe nicht ab,
warum man ſolchergeſtalt einen Stahlianer
ſeiner Meinung wegen tadeln wolte. Er be-
hauptet, die Bewegung des Hertzens werde
von der Sele gewuͤrckt, weil nichts wahrſchein-
licher iſt als dieſes, da die Bewegung deſſel-
ben ſo gleich aufhoͤret, ſo bald der Koͤrper todt
iſt, und da ſie allemal von ſtatten gehet, wenn
wir eine Sele haben. Es koͤnte zwar wol
ſeyn, daß das Hertz nur durch ſeine Strucktur
in ſeiner Bewegung erhalten wuͤrde: allein es
koͤnte vielleicht auch wol nicht ſeyn. Jch ha-
be mir ſagen laſſen, daß der Hertzſchlag nicht
lange ſolte dauren koͤnnen, wo das Hertz ſelbſt
nicht empfindlich waͤre. Jſt aber die Empfind-
lichkeit des Hertzens die Urſach ſeiner Bewe-
gung; ſo iſt es auch die Sele; denn ich glau-
be, dieſes wird wol einerley ſagen. Jch werde
mich wenigſtens nicht uͤberreden koͤnnen, der
Sele die Herrſchaft uͤber ihren Koͤrper zu ent-
wenden. Sie ſcheinet eine ſo genaue Ver-

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[128/0158] rungen im Koͤrper u. ſ. w. Beſonders iſt es falſch, wenn man glaubet, daß ein Stahlianer dieſen Satz auch umgekehrt verſtanden wiſſen wolle. Wenn ein Stahlianer glaubte alle Veraͤnde- rungen der Sele ruͤhrten von denen Veraͤnde- rungen des Koͤrpers her; ſo waͤre ſeine Mei- nung eine der allerveraͤchtlichſten. Er muͤſte den Intellectum Purum der Sele alsdenn auch denen Veraͤnderungen des Koͤrpers zu- ſchreiben, und ich glaube, daß ihm dieſes ſo leicht nicht einfallen werde. Jch ſehe nicht ab, warum man ſolchergeſtalt einen Stahlianer ſeiner Meinung wegen tadeln wolte. Er be- hauptet, die Bewegung des Hertzens werde von der Sele gewuͤrckt, weil nichts wahrſchein- licher iſt als dieſes, da die Bewegung deſſel- ben ſo gleich aufhoͤret, ſo bald der Koͤrper todt iſt, und da ſie allemal von ſtatten gehet, wenn wir eine Sele haben. Es koͤnte zwar wol ſeyn, daß das Hertz nur durch ſeine Strucktur in ſeiner Bewegung erhalten wuͤrde: allein es koͤnte vielleicht auch wol nicht ſeyn. Jch ha- be mir ſagen laſſen, daß der Hertzſchlag nicht lange ſolte dauren koͤnnen, wo das Hertz ſelbſt nicht empfindlich waͤre. Jſt aber die Empfind- lichkeit des Hertzens die Urſach ſeiner Bewe- gung; ſo iſt es auch die Sele; denn ich glau- be, dieſes wird wol einerley ſagen. Jch werde mich wenigſtens nicht uͤberreden koͤnnen, der Sele die Herrſchaft uͤber ihren Koͤrper zu ent- wenden. Sie ſcheinet eine ſo genaue Ver- wand-

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/158>, abgerufen am 10.05.2024.