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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

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Vorrede.
schieden. Man lasse einen Materiali-
sten von seinen Nerven und einen Har-
monisten von seinen Monaden halten,
was ihnen gefält, wird man etwan
nun mit der Sache zu Ende seyn?
Keinesweges. Ob ich gleich in dieser
Schrift alle Behutsamkeit angewen-
det, das Wesen der Sele nicht zu be-
unruhigen, so habe ich dennoch das ver-
drießliche Disputiren nicht von mir ab-
lehnen können. Jch hätte mich bey-
nahe abschrecken lassen, an den Grund
einer Veränderung in meiner Sele zu
dencken, weil ich bey ieden neuen Ein-
falle, den ich davon hatte, so viel Wie-
derleger auf mich zurennen sahe, daß
ich gantz zweifelhaft gemacht wurde,
ob nicht die Natur unsre Sele bloß
darum gemacht habe, damit niemand
vergessen solte, daß die Kräfte unsrer
Erkenntniß Schrancken hätten, und
daß man dieselben zu überschreiten sich
niemals bemühen dürfte, ohne zu be-
fürchten, auf die allerempfindlichste
Weise wegen dieses Vergehens an ihr
gerochen zu werden. Die Menschen

ver-

Vorrede.
ſchieden. Man laſſe einen Materiali-
ſten von ſeinen Nerven und einen Har-
moniſten von ſeinen Monaden halten,
was ihnen gefaͤlt, wird man etwan
nun mit der Sache zu Ende ſeyn?
Keinesweges. Ob ich gleich in dieſer
Schrift alle Behutſamkeit angewen-
det, das Weſen der Sele nicht zu be-
unruhigen, ſo habe ich dennoch das ver-
drießliche Diſputiren nicht von mir ab-
lehnen koͤnnen. Jch haͤtte mich bey-
nahe abſchrecken laſſen, an den Grund
einer Veraͤnderung in meiner Sele zu
dencken, weil ich bey ieden neuen Ein-
falle, den ich davon hatte, ſo viel Wie-
derleger auf mich zurennen ſahe, daß
ich gantz zweifelhaft gemacht wurde,
ob nicht die Natur unſre Sele bloß
darum gemacht habe, damit niemand
vergeſſen ſolte, daß die Kraͤfte unſrer
Erkenntniß Schrancken haͤtten, und
daß man dieſelben zu uͤberſchreiten ſich
niemals bemuͤhen duͤrfte, ohne zu be-
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Weiſe wegen dieſes Vergehens an ihr
gerochen zu werden. Die Menſchen

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[0019] Vorrede. ſchieden. Man laſſe einen Materiali- ſten von ſeinen Nerven und einen Har- moniſten von ſeinen Monaden halten, was ihnen gefaͤlt, wird man etwan nun mit der Sache zu Ende ſeyn? Keinesweges. Ob ich gleich in dieſer Schrift alle Behutſamkeit angewen- det, das Weſen der Sele nicht zu be- unruhigen, ſo habe ich dennoch das ver- drießliche Diſputiren nicht von mir ab- lehnen koͤnnen. Jch haͤtte mich bey- nahe abſchrecken laſſen, an den Grund einer Veraͤnderung in meiner Sele zu dencken, weil ich bey ieden neuen Ein- falle, den ich davon hatte, ſo viel Wie- derleger auf mich zurennen ſahe, daß ich gantz zweifelhaft gemacht wurde, ob nicht die Natur unſre Sele bloß darum gemacht habe, damit niemand vergeſſen ſolte, daß die Kraͤfte unſrer Erkenntniß Schrancken haͤtten, und daß man dieſelben zu uͤberſchreiten ſich niemals bemuͤhen duͤrfte, ohne zu be- fuͤrchten, auf die allerempfindlichſte Weiſe wegen dieſes Vergehens an ihr gerochen zu werden. Die Menſchen ver-

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/19>, abgerufen am 28.04.2024.