Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.Vorrede. nen, gehören nicht unter die erhabenenBemühungen derer übrigen Weltwei- sen. Wo findet man in der Naturleh- re wohl einen einzigen so subtilen Be- grif, den nicht ein nur gesunder natür- licher Verstand fassen könte? Wo hö- ret man daselbst von lauter allerklein- sten Kräften, von Gesichtspunkten derer Monaden, von einfachen Sub- stantzen, von Einflüssen und Harmo- nien ein Wort reden. Das subtileste, womit sich ein Naturforscher abgiebt, sind Muskeln, Adern, Nerven, von Thierchen, deren sich viele tausend in dem Raume eines einzigen Sandkörn- chens auf halten könten. Aber alles dieses sind noch nicht Begriffe von der feinsten Art, und dieses ist schon hin- reichend, ein Mißverständniß unter diesen Gelehrten anzurichten. So viele Verdrießlichkeiten verursachet schon das Wesen der Sele allein, und dennoch ist noch nichts von denen Ver- änderungen der Sele selbst gesagt wor- den. Man bediene sich der Vorsicht, und lasse das Wesen der Sele unent- schie-
Vorrede. nen, gehoͤren nicht unter die erhabenenBemuͤhungen derer uͤbrigen Weltwei- ſen. Wo findet man in der Naturleh- re wohl einen einzigen ſo ſubtilen Be- grif, den nicht ein nur geſunder natuͤr- licher Verſtand faſſen koͤnte? Wo hoͤ- ret man daſelbſt von lauter allerklein- ſten Kraͤften, von Geſichtspunkten derer Monaden, von einfachen Sub- ſtantzen, von Einfluͤſſen und Harmo- nien ein Wort reden. Das ſubtileſte, womit ſich ein Naturforſcher abgiebt, ſind Muskeln, Adern, Nerven, von Thierchen, deren ſich viele tauſend in dem Raume eines einzigen Sandkoͤrn- chens auf halten koͤnten. Aber alles dieſes ſind noch nicht Begriffe von der feinſten Art, und dieſes iſt ſchon hin- reichend, ein Mißverſtaͤndniß unter dieſen Gelehrten anzurichten. So viele Verdrießlichkeiten verurſachet ſchon das Weſen der Sele allein, und dennoch iſt noch nichts von denen Ver- aͤnderungen der Sele ſelbſt geſagt wor- den. Man bediene ſich der Vorſicht, und laſſe das Weſen der Sele unent- ſchie-
<TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0018"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/> nen, gehoͤren nicht unter die erhabenen<lb/> Bemuͤhungen derer uͤbrigen Weltwei-<lb/> ſen. Wo findet man in der Naturleh-<lb/> re wohl einen einzigen ſo ſubtilen Be-<lb/> grif, den nicht ein nur geſunder natuͤr-<lb/> licher Verſtand faſſen koͤnte? Wo hoͤ-<lb/> ret man daſelbſt von lauter allerklein-<lb/> ſten Kraͤften, von Geſichtspunkten<lb/> derer Monaden, von einfachen Sub-<lb/> ſtantzen, von Einfluͤſſen und Harmo-<lb/> nien ein Wort reden. Das ſubtileſte,<lb/> womit ſich ein Naturforſcher abgiebt,<lb/> ſind Muskeln, Adern, Nerven, von<lb/> Thierchen, deren ſich viele tauſend in<lb/> dem Raume eines einzigen Sandkoͤrn-<lb/> chens auf halten koͤnten. Aber alles<lb/> dieſes ſind noch nicht Begriffe von der<lb/> feinſten Art, und dieſes iſt ſchon hin-<lb/> reichend, ein Mißverſtaͤndniß unter<lb/> dieſen Gelehrten anzurichten. So<lb/> viele Verdrießlichkeiten verurſachet<lb/> ſchon das Weſen der Sele allein, und<lb/> dennoch iſt noch nichts von denen Ver-<lb/> aͤnderungen der Sele ſelbſt geſagt wor-<lb/> den. Man bediene ſich der Vorſicht,<lb/> und laſſe das Weſen der Sele unent-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſchie-</fw><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [0018]
Vorrede.
nen, gehoͤren nicht unter die erhabenen
Bemuͤhungen derer uͤbrigen Weltwei-
ſen. Wo findet man in der Naturleh-
re wohl einen einzigen ſo ſubtilen Be-
grif, den nicht ein nur geſunder natuͤr-
licher Verſtand faſſen koͤnte? Wo hoͤ-
ret man daſelbſt von lauter allerklein-
ſten Kraͤften, von Geſichtspunkten
derer Monaden, von einfachen Sub-
ſtantzen, von Einfluͤſſen und Harmo-
nien ein Wort reden. Das ſubtileſte,
womit ſich ein Naturforſcher abgiebt,
ſind Muskeln, Adern, Nerven, von
Thierchen, deren ſich viele tauſend in
dem Raume eines einzigen Sandkoͤrn-
chens auf halten koͤnten. Aber alles
dieſes ſind noch nicht Begriffe von der
feinſten Art, und dieſes iſt ſchon hin-
reichend, ein Mißverſtaͤndniß unter
dieſen Gelehrten anzurichten. So
viele Verdrießlichkeiten verurſachet
ſchon das Weſen der Sele allein, und
dennoch iſt noch nichts von denen Ver-
aͤnderungen der Sele ſelbſt geſagt wor-
den. Man bediene ſich der Vorſicht,
und laſſe das Weſen der Sele unent-
ſchie-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |