nung derer Egoisten die allerlächerlichste. Ein Egoist glaubt nicht allein, daß sein Körper nicht würcklich sey; sondern er läugnet auch, ausser dem Daseyn aller übrigen Körper in der Welt, die andern Geschöpfe, welche man Gei- ster nennet, und behauptet, daß dieses nur Vorstellungen in seiner Sele wären, von wel- chen allem aber nichts würcklich da sey, als er, das ist, seine vornehme Sele, allein. Alles andre aber, was er empfindet sind nur Vor- stellungen in ihm, welche verursachen, daß in der Welt nichts wäre, wenn er nicht wäre. Es ist schade, daß es dieser Herren viele gegeben: denn eben um deßwillen machen sie sich am mei- sten lächerlich. Ein Egoist hält immer den andern um die Wette vor ein Nichts, und sol- chergestalt sind die Leute, welche vollkommen einerley Meinung hegen, die grösten Feinde gegen einander. Wiederlegte ein Egoist den andern, so müste er seine eigene Meinung wie- derlegen, und doch würde er alsdenn behaupten können, daß er seine Gegner vertrieben und nur allein da wäre. Wären demnach alle Menschen Egoisten; so würde ein ieder von sei- ner Würcklichkeit überzeugt seyn. Nähme man aber die Meinung eines ieden, welche er von seinem Nachbar hat, zusammen; so bliebe ge- rade gar nichts übrig, das würcklich wäre. Al- le diese Creaturen sind Bilder, und ein iedes dieser Bilder ist auch zugleich das Urbild selbst. Bey alledem ist es doch etwas artiges, daß
man
nung derer Egoiſten die allerlaͤcherlichſte. Ein Egoiſt glaubt nicht allein, daß ſein Koͤrper nicht wuͤrcklich ſey; ſondern er laͤugnet auch, auſſer dem Daſeyn aller uͤbrigen Koͤrper in der Welt, die andern Geſchoͤpfe, welche man Gei- ſter nennet, und behauptet, daß dieſes nur Vorſtellungen in ſeiner Sele waͤren, von wel- chen allem aber nichts wuͤrcklich da ſey, als er, das iſt, ſeine vornehme Sele, allein. Alles andre aber, was er empfindet ſind nur Vor- ſtellungen in ihm, welche verurſachen, daß in der Welt nichts waͤre, wenn er nicht waͤre. Es iſt ſchade, daß es dieſer Herren viele gegeben: denn eben um deßwillen machen ſie ſich am mei- ſten laͤcherlich. Ein Egoiſt haͤlt immer den andern um die Wette vor ein Nichts, und ſol- chergeſtalt ſind die Leute, welche vollkommen einerley Meinung hegen, die groͤſten Feinde gegen einander. Wiederlegte ein Egoiſt den andern, ſo muͤſte er ſeine eigene Meinung wie- derlegen, und doch wuͤrde er alsdenn behaupten koͤnnen, daß er ſeine Gegner vertrieben und nur allein da waͤre. Waͤren demnach alle Menſchen Egoiſten; ſo wuͤrde ein ieder von ſei- ner Wuͤrcklichkeit uͤberzeugt ſeyn. Naͤhme man aber die Meinung eines ieden, welche er von ſeinem Nachbar hat, zuſammen; ſo bliebe ge- rade gar nichts uͤbrig, das wuͤrcklich waͤre. Al- le dieſe Creaturen ſind Bilder, und ein iedes dieſer Bilder iſt auch zugleich das Urbild ſelbſt. Bey alledem iſt es doch etwas artiges, daß
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nung derer Egoiſten die allerlaͤcherlichſte. Ein
Egoiſt glaubt nicht allein, daß ſein Koͤrper
nicht wuͤrcklich ſey; ſondern er laͤugnet auch,
auſſer dem Daſeyn aller uͤbrigen Koͤrper in der
Welt, die andern Geſchoͤpfe, welche man Gei-
ſter nennet, und behauptet, daß dieſes nur
Vorſtellungen in ſeiner Sele waͤren, von wel-
chen allem aber nichts wuͤrcklich da ſey, als er,
das iſt, ſeine vornehme Sele, allein. Alles
andre aber, was er empfindet ſind nur Vor-
ſtellungen in ihm, welche verurſachen, daß in
der Welt nichts waͤre, wenn er nicht waͤre. Es
iſt ſchade, daß es dieſer Herren viele gegeben:
denn eben um deßwillen machen ſie ſich am mei-
ſten laͤcherlich. Ein Egoiſt haͤlt immer den
andern um die Wette vor ein Nichts, und ſol-
chergeſtalt ſind die Leute, welche vollkommen
einerley Meinung hegen, die groͤſten Feinde
gegen einander. Wiederlegte ein Egoiſt den
andern, ſo muͤſte er ſeine eigene Meinung wie-
derlegen, und doch wuͤrde er alsdenn behaupten
koͤnnen, daß er ſeine Gegner vertrieben und
nur allein da waͤre. Waͤren demnach alle
Menſchen Egoiſten; ſo wuͤrde ein ieder von ſei-
ner Wuͤrcklichkeit uͤberzeugt ſeyn. Naͤhme man
aber die Meinung eines ieden, welche er von
ſeinem Nachbar hat, zuſammen; ſo bliebe ge-
rade gar nichts uͤbrig, das wuͤrcklich waͤre. Al-
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dieſer Bilder iſt auch zugleich das Urbild ſelbſt.
Bey alledem iſt es doch etwas artiges, daß
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/38>, abgerufen am 16.07.2024.
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