vorzubringen, die sie hervorbringen kan; so muß auch dieses von der Sele gelten. Die Sele hat eine Kraft Vorstellungen zu würcken: und also kan sie ohnmöglich aufhören zu den- cken. Nun sagen die Materialisten selbst, daß ein Nerve gesund seyn müsse, wenn er Vor- stellungen würcken soll. Da er aber im Tode zerstört wird; so könte er deren keine würcken, und solchergestalt hätte alsdenn die Sele eine Kraft Vorstellungen zu würcken, und dieses geschähe doch nicht: welches offenbar unge- reimt ist. Man könte zwar einwenden, daß dieses nur alsdenn gelte, wenn die Kraft durch nichts verhindert würde, ihre Würckungen zu äussern. Allein, wie, wenn ich beweise, daß sich auch dieses öfters also befindet, und dennoch keine Vorstellungen zugegen sind? Setzet ein Mensch sey vollkommen gesund, und habe in der Nacht das Unglück, in ein Wasser zu fal- len, und darin zu ersticken. Geschicht bey die- ser Art des Todes wol denen Nerven ein Scha- den? Jch kan dieses nicht einsehen. Solcher- gestalt besinden sich die Nerven bey einen sol- chen todten Menschen, ehe er anfängt zu ver- wesen, in eben den Umständen, worin sie sich bey seinen Lebzeiten befunden. Woher solte also wol die Kraft der Nerven, Vorstellungen hervorzubringen, verhindert werden? Nichts destoweniger wird kein vernünftiger Mensch behaupten können, daß ein Ertrunckener den- cke. Jnzwischen ist dieses nicht zu läugnen,
daß
vorzubringen, die ſie hervorbringen kan; ſo muß auch dieſes von der Sele gelten. Die Sele hat eine Kraft Vorſtellungen zu wuͤrcken: und alſo kan ſie ohnmoͤglich aufhoͤren zu den- cken. Nun ſagen die Materialiſten ſelbſt, daß ein Nerve geſund ſeyn muͤſſe, wenn er Vor- ſtellungen wuͤrcken ſoll. Da er aber im Tode zerſtoͤrt wird; ſo koͤnte er deren keine wuͤrcken, und ſolchergeſtalt haͤtte alsdenn die Sele eine Kraft Vorſtellungen zu wuͤrcken, und dieſes geſchaͤhe doch nicht: welches offenbar unge- reimt iſt. Man koͤnte zwar einwenden, daß dieſes nur alsdenn gelte, wenn die Kraft durch nichts verhindert wuͤrde, ihre Wuͤrckungen zu aͤuſſern. Allein, wie, wenn ich beweiſe, daß ſich auch dieſes oͤfters alſo befindet, und dennoch keine Vorſtellungen zugegen ſind? Setzet ein Menſch ſey vollkommen geſund, und habe in der Nacht das Ungluͤck, in ein Waſſer zu fal- len, und darin zu erſticken. Geſchicht bey die- ſer Art des Todes wol denen Nerven ein Scha- den? Jch kan dieſes nicht einſehen. Solcher- geſtalt beſinden ſich die Nerven bey einen ſol- chen todten Menſchen, ehe er anfaͤngt zu ver- weſen, in eben den Umſtaͤnden, worin ſie ſich bey ſeinen Lebzeiten befunden. Woher ſolte alſo wol die Kraft der Nerven, Vorſtellungen hervorzubringen, verhindert werden? Nichts deſtoweniger wird kein vernuͤnftiger Menſch behaupten koͤnnen, daß ein Ertrunckener den- cke. Jnzwiſchen iſt dieſes nicht zu laͤugnen,
daß
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vorzubringen, die ſie hervorbringen kan; ſo
muß auch dieſes von der Sele gelten. Die
Sele hat eine Kraft Vorſtellungen zu wuͤrcken:
und alſo kan ſie ohnmoͤglich aufhoͤren zu den-
cken. Nun ſagen die Materialiſten ſelbſt, daß
ein Nerve geſund ſeyn muͤſſe, wenn er Vor-
ſtellungen wuͤrcken ſoll. Da er aber im Tode
zerſtoͤrt wird; ſo koͤnte er deren keine wuͤrcken,
und ſolchergeſtalt haͤtte alsdenn die Sele eine
Kraft Vorſtellungen zu wuͤrcken, und dieſes
geſchaͤhe doch nicht: welches offenbar unge-
reimt iſt. Man koͤnte zwar einwenden, daß
dieſes nur alsdenn gelte, wenn die Kraft durch
nichts verhindert wuͤrde, ihre Wuͤrckungen zu
aͤuſſern. Allein, wie, wenn ich beweiſe, daß
ſich auch dieſes oͤfters alſo befindet, und dennoch
keine Vorſtellungen zugegen ſind? Setzet ein
Menſch ſey vollkommen geſund, und habe in
der Nacht das Ungluͤck, in ein Waſſer zu fal-
len, und darin zu erſticken. Geſchicht bey die-
ſer Art des Todes wol denen Nerven ein Scha-
den? Jch kan dieſes nicht einſehen. Solcher-
geſtalt beſinden ſich die Nerven bey einen ſol-
chen todten Menſchen, ehe er anfaͤngt zu ver-
weſen, in eben den Umſtaͤnden, worin ſie ſich
bey ſeinen Lebzeiten befunden. Woher ſolte
alſo wol die Kraft der Nerven, Vorſtellungen
hervorzubringen, verhindert werden? Nichts
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behaupten koͤnnen, daß ein Ertrunckener den-
cke. Jnzwiſchen iſt dieſes nicht zu laͤugnen,
daß
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/46>, abgerufen am 16.07.2024.
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