nen, gerade auch umkehren und sagen könte: Man begreift nicht wie die Bewegung der Nerven und des Nervensaftes Vorstellungen würcken könne; Also ist dieses unmöglich. Wenn wir nun zum voraus setzen, daß die Materialisten ihre Meinung auf keine andre Art erweisen können; so ist es vor sich klar, daß dieselbe ungegründet sey. Es erhellet hieraus, daß nicht alle Materialisten ohn Un- terschied Atheisten seyn. Von denen, welche alle einfachen Dinge läugnen, kan man dieses behaupten. Dieienigen aber, welche nur ihre Sele vor eine Materie halten, geben zu, daß ein GOtt sey, und sein Wesen einfach. Al- lein, ob ihre Meinung mit dem Artikel von der Auferstehung der Todten übereinkomme; solches braucht weiterer Untersuchung. Sie sagen zwar, daß bey Erweckung der verbliche- nen Leiber, auch zugleich die Nerven, das ist, ihre Sele, wieder hergestellt werde; allein auf diese Art, wäre eine Sele in der That etwas wunderliches. Sie könte vergehen und wieder entstehen. Sie könte wachsen und abnehmen. Aber alles dieses sind Sachen, welche eine grosse Hertzhaftigkeit erfordern, wenn man sie behaupten soll. Jch gebe daher einem Mate- rialisten nur folgendes hierbey zu bedencken: Unsre Sele mag seyn, was sie will; so muß sie doch eine Kraft haben, Vorstellungen her- vorzubringen. Wenn nun eine Kraft in be- ständiger Handlung ist, die Würckungen her-
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nen, gerade auch umkehren und ſagen koͤnte: Man begreift nicht wie die Bewegung der Nerven und des Nervenſaftes Vorſtellungen wuͤrcken koͤnne; Alſo iſt dieſes unmoͤglich. Wenn wir nun zum voraus ſetzen, daß die Materialiſten ihre Meinung auf keine andre Art erweiſen koͤnnen; ſo iſt es vor ſich klar, daß dieſelbe ungegruͤndet ſey. Es erhellet hieraus, daß nicht alle Materialiſten ohn Un- terſchied Atheiſten ſeyn. Von denen, welche alle einfachen Dinge laͤugnen, kan man dieſes behaupten. Dieienigen aber, welche nur ihre Sele vor eine Materie halten, geben zu, daß ein GOtt ſey, und ſein Weſen einfach. Al- lein, ob ihre Meinung mit dem Artikel von der Auferſtehung der Todten uͤbereinkomme; ſolches braucht weiterer Unterſuchung. Sie ſagen zwar, daß bey Erweckung der verbliche- nen Leiber, auch zugleich die Nerven, das iſt, ihre Sele, wieder hergeſtellt werde; allein auf dieſe Art, waͤre eine Sele in der That etwas wunderliches. Sie koͤnte vergehen und wieder entſtehen. Sie koͤnte wachſen und abnehmen. Aber alles dieſes ſind Sachen, welche eine groſſe Hertzhaftigkeit erfordern, wenn man ſie behaupten ſoll. Jch gebe daher einem Mate- rialiſten nur folgendes hierbey zu bedencken: Unſre Sele mag ſeyn, was ſie will; ſo muß ſie doch eine Kraft haben, Vorſtellungen her- vorzubringen. Wenn nun eine Kraft in be- ſtaͤndiger Handlung iſt, die Wuͤrckungen her-
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nen, gerade auch umkehren und ſagen koͤnte:
Man begreift nicht wie die Bewegung der
Nerven und des Nervenſaftes Vorſtellungen
wuͤrcken koͤnne; Alſo iſt dieſes unmoͤglich.
Wenn wir nun zum voraus ſetzen, daß die
Materialiſten ihre Meinung auf keine andre
Art erweiſen koͤnnen; ſo iſt es vor ſich klar,
daß dieſelbe ungegruͤndet ſey. Es erhellet
hieraus, daß nicht alle Materialiſten ohn Un-
terſchied Atheiſten ſeyn. Von denen, welche
alle einfachen Dinge laͤugnen, kan man dieſes
behaupten. Dieienigen aber, welche nur ihre
Sele vor eine Materie halten, geben zu, daß
ein GOtt ſey, und ſein Weſen einfach. Al-
lein, ob ihre Meinung mit dem Artikel von
der Auferſtehung der Todten uͤbereinkomme;
ſolches braucht weiterer Unterſuchung. Sie
ſagen zwar, daß bey Erweckung der verbliche-
nen Leiber, auch zugleich die Nerven, das iſt,
ihre Sele, wieder hergeſtellt werde; allein auf
dieſe Art, waͤre eine Sele in der That etwas
wunderliches. Sie koͤnte vergehen und wieder
entſtehen. Sie koͤnte wachſen und abnehmen.
Aber alles dieſes ſind Sachen, welche eine
groſſe Hertzhaftigkeit erfordern, wenn man ſie
behaupten ſoll. Jch gebe daher einem Mate-
rialiſten nur folgendes hierbey zu bedencken:
Unſre Sele mag ſeyn, was ſie will; ſo muß
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vorzubringen. Wenn nun eine Kraft in be-
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/45>, abgerufen am 16.07.2024.
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