Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

vensafte die Ehre, daß sie ihn vor ihre Sele
erklären, andre sagen dieses hingegen nur von
denen Nervenhäuten. Die erstern führen zu
Vertheidigung ihrer Meinung an, daß weil
ein Nerve, wenn er ausgetrocknet ist, nicht
mehr empfinde; so müsse dieser nicht die Sele
seyn, sondern vielmehr der Nervensaft Die
andern sagen, weil die weiche Substanz des
Gehirns unempfindlich, hingegen die Hirnhäu-
te so sehr empfindlich wären; so müste in die-
sen vielmehr der Grund von denen Vorstel-
lungen zu suchen seyn, und nicht in dem Ner-
vensaft. Noch andre, welche die Klügsten
seyn wollen, nehmen beydes zusammen, und
sagen, daß die mit Nervensaft erfüllten Ner-
venfäserchen ihre Sele wären. Fraget man
aber darnach, woher sie alles dieses erweisen
wollen; so ist es gewiß erbärmlich anzuhören,
wenn sie sagen, daß man nicht begreifen könte,
wie ein einfaches Ding solte beschaffen seyn,
noch vielweniger, wie es Vorstellungen habe.
Denn ob gleich nichts gewisser ist, als dieses,
so klingt es doch gar nicht philosophisch, wenn
man eine Meinung mit folgenden Schlusse
erweisen will: Alles was ich nicht begrei-
fen kan, ist unmöglich: Nun kan ich
nicht begreifen, was eine Monade sey,
und wie sie dencke; Derohalben ist meine
Sele keine Monade.
Jch berühre ietzo
nicht einmal, daß ein Monadist diesen Schluß,
wenn es erlaubt wäre, sich desselben zu bedie-

nen,

venſafte die Ehre, daß ſie ihn vor ihre Sele
erklaͤren, andre ſagen dieſes hingegen nur von
denen Nervenhaͤuten. Die erſtern fuͤhren zu
Vertheidigung ihrer Meinung an, daß weil
ein Nerve, wenn er ausgetrocknet iſt, nicht
mehr empfinde; ſo muͤſſe dieſer nicht die Sele
ſeyn, ſondern vielmehr der Nervenſaft Die
andern ſagen, weil die weiche Subſtanz des
Gehirns unempfindlich, hingegen die Hirnhaͤu-
te ſo ſehr empfindlich waͤren; ſo muͤſte in die-
ſen vielmehr der Grund von denen Vorſtel-
lungen zu ſuchen ſeyn, und nicht in dem Ner-
venſaft. Noch andre, welche die Kluͤgſten
ſeyn wollen, nehmen beydes zuſammen, und
ſagen, daß die mit Nervenſaft erfuͤllten Ner-
venfaͤſerchen ihre Sele waͤren. Fraget man
aber darnach, woher ſie alles dieſes erweiſen
wollen; ſo iſt es gewiß erbaͤrmlich anzuhoͤren,
wenn ſie ſagen, daß man nicht begreifen koͤnte,
wie ein einfaches Ding ſolte beſchaffen ſeyn,
noch vielweniger, wie es Vorſtellungen habe.
Denn ob gleich nichts gewiſſer iſt, als dieſes,
ſo klingt es doch gar nicht philoſophiſch, wenn
man eine Meinung mit folgenden Schluſſe
erweiſen will: Alles was ich nicht begrei-
fen kan, iſt unmoͤglich: Nun kan ich
nicht begreifen, was eine Monade ſey,
und wie ſie dencke; Derohalben iſt meine
Sele keine Monade.
Jch beruͤhre ietzo
nicht einmal, daß ein Monadiſt dieſen Schluß,
wenn es erlaubt waͤre, ſich deſſelben zu bedie-

nen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0044" n="14"/>
ven&#x017F;afte die Ehre, daß &#x017F;ie ihn vor ihre Sele<lb/>
erkla&#x0364;ren, andre &#x017F;agen die&#x017F;es hingegen nur von<lb/>
denen Nervenha&#x0364;uten. Die er&#x017F;tern fu&#x0364;hren zu<lb/>
Vertheidigung ihrer Meinung an, daß weil<lb/>
ein Nerve, wenn er ausgetrocknet i&#x017F;t, nicht<lb/>
mehr empfinde; &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;er nicht die Sele<lb/>
&#x017F;eyn, &#x017F;ondern vielmehr der Nerven&#x017F;aft Die<lb/>
andern &#x017F;agen, weil die weiche Sub&#x017F;tanz des<lb/>
Gehirns unempfindlich, hingegen die Hirnha&#x0364;u-<lb/>
te &#x017F;o &#x017F;ehr empfindlich wa&#x0364;ren; &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;te in die-<lb/>
&#x017F;en vielmehr der Grund von denen Vor&#x017F;tel-<lb/>
lungen zu &#x017F;uchen &#x017F;eyn, und nicht in dem Ner-<lb/>
ven&#x017F;aft. Noch andre, welche die Klu&#x0364;g&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;eyn wollen, nehmen beydes zu&#x017F;ammen, und<lb/>
&#x017F;agen, daß die mit Nerven&#x017F;aft erfu&#x0364;llten Ner-<lb/>
venfa&#x0364;&#x017F;erchen ihre Sele wa&#x0364;ren. Fraget man<lb/>
aber darnach, woher &#x017F;ie alles die&#x017F;es erwei&#x017F;en<lb/>
wollen; &#x017F;o i&#x017F;t es gewiß erba&#x0364;rmlich anzuho&#x0364;ren,<lb/>
wenn &#x017F;ie &#x017F;agen, daß man nicht begreifen ko&#x0364;nte,<lb/>
wie ein einfaches Ding &#x017F;olte be&#x017F;chaffen &#x017F;eyn,<lb/>
noch vielweniger, wie es Vor&#x017F;tellungen habe.<lb/>
Denn ob gleich nichts gewi&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t, als die&#x017F;es,<lb/>
&#x017F;o klingt es doch gar nicht philo&#x017F;ophi&#x017F;ch, wenn<lb/>
man eine Meinung mit folgenden Schlu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
erwei&#x017F;en will: <hi rendition="#fr">Alles was ich nicht begrei-<lb/>
fen kan, i&#x017F;t unmo&#x0364;glich: Nun kan ich<lb/>
nicht begreifen, was eine Monade &#x017F;ey,<lb/>
und wie &#x017F;ie dencke; Derohalben i&#x017F;t meine<lb/>
Sele keine Monade.</hi> Jch beru&#x0364;hre ietzo<lb/>
nicht einmal, daß ein Monadi&#x017F;t die&#x017F;en Schluß,<lb/>
wenn es erlaubt wa&#x0364;re, &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;elben zu bedie-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nen,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0044] venſafte die Ehre, daß ſie ihn vor ihre Sele erklaͤren, andre ſagen dieſes hingegen nur von denen Nervenhaͤuten. Die erſtern fuͤhren zu Vertheidigung ihrer Meinung an, daß weil ein Nerve, wenn er ausgetrocknet iſt, nicht mehr empfinde; ſo muͤſſe dieſer nicht die Sele ſeyn, ſondern vielmehr der Nervenſaft Die andern ſagen, weil die weiche Subſtanz des Gehirns unempfindlich, hingegen die Hirnhaͤu- te ſo ſehr empfindlich waͤren; ſo muͤſte in die- ſen vielmehr der Grund von denen Vorſtel- lungen zu ſuchen ſeyn, und nicht in dem Ner- venſaft. Noch andre, welche die Kluͤgſten ſeyn wollen, nehmen beydes zuſammen, und ſagen, daß die mit Nervenſaft erfuͤllten Ner- venfaͤſerchen ihre Sele waͤren. Fraget man aber darnach, woher ſie alles dieſes erweiſen wollen; ſo iſt es gewiß erbaͤrmlich anzuhoͤren, wenn ſie ſagen, daß man nicht begreifen koͤnte, wie ein einfaches Ding ſolte beſchaffen ſeyn, noch vielweniger, wie es Vorſtellungen habe. Denn ob gleich nichts gewiſſer iſt, als dieſes, ſo klingt es doch gar nicht philoſophiſch, wenn man eine Meinung mit folgenden Schluſſe erweiſen will: Alles was ich nicht begrei- fen kan, iſt unmoͤglich: Nun kan ich nicht begreifen, was eine Monade ſey, und wie ſie dencke; Derohalben iſt meine Sele keine Monade. Jch beruͤhre ietzo nicht einmal, daß ein Monadiſt dieſen Schluß, wenn es erlaubt waͤre, ſich deſſelben zu bedie- nen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/44
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/44>, abgerufen am 21.11.2024.