Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

fallen, oder Sceptici werden. Jch kan es
wol sagen, wie ich auf diese Gedancken gera-
the. Wenn ich mich durch nichts von der Ge-
genwart, meines und andrer Körper überführen
kan; so bin ich nur noch um einen Schritt von
dem Jdealismo entfernet. Man sage mir
aber ein Mittel, wie sich ein Harmonist von
der Würcklichkeit der Körper überführen kön-
ne? Wenn sich seine Sele alles das, was sie
sich ietzo vorstellet, auch vorstellen müste, wenn
nichts davon würcklich wäre; so kan sie auch
durch nichts von dessen Würcklichkeit überfüh-
ret werden. Gesetzt aber auch, daß man es
glaubte, man habe einen Körper; so muß man
zugeben, daß man von denen allergewöhnlich-
sten Veränderungen in der Welt am allerun-
gewissesten urtheilen müsse. Denn wenn wir
läugnen, daß die Sele in den Körper würcke,
so ist es nicht anders möglich, als wir müssen
auch zweifeln, ob iemals in der Welt dieses ei-
ne Würckung von iener Ursach, oder eine Ur-
sach iener Würckung sey. Jch kan das, was
ich eben gesagt habe, ietzo nicht so gleich erwei-
sen. Allein wenn ich unten erweisen werde,
daß die Sele in den Körper würcke, wird sich
auch zugleich zeigen lassen, daß der so dieses
nicht behaupten wolte, auch läugnen müsse, daß
die Eltern die Ursach von den Kindern, daß die
Sonne die Ursache des Lichts, und die Erde
eine Ursach der Mondfinsternissen sey. Mit
einem Wort; daß man sein Urtheil allemal

nur

fallen, oder Sceptici werden. Jch kan es
wol ſagen, wie ich auf dieſe Gedancken gera-
the. Wenn ich mich durch nichts von der Ge-
genwart, meines und andrer Koͤrper uͤberfuͤhren
kan; ſo bin ich nur noch um einen Schritt von
dem Jdealismo entfernet. Man ſage mir
aber ein Mittel, wie ſich ein Harmoniſt von
der Wuͤrcklichkeit der Koͤrper uͤberfuͤhren koͤn-
ne? Wenn ſich ſeine Sele alles das, was ſie
ſich ietzo vorſtellet, auch vorſtellen muͤſte, wenn
nichts davon wuͤrcklich waͤre; ſo kan ſie auch
durch nichts von deſſen Wuͤrcklichkeit uͤberfuͤh-
ret werden. Geſetzt aber auch, daß man es
glaubte, man habe einen Koͤrper; ſo muß man
zugeben, daß man von denen allergewoͤhnlich-
ſten Veraͤnderungen in der Welt am allerun-
gewiſſeſten urtheilen muͤſſe. Denn wenn wir
laͤugnen, daß die Sele in den Koͤrper wuͤrcke,
ſo iſt es nicht anders moͤglich, als wir muͤſſen
auch zweifeln, ob iemals in der Welt dieſes ei-
ne Wuͤrckung von iener Urſach, oder eine Ur-
ſach iener Wuͤrckung ſey. Jch kan das, was
ich eben geſagt habe, ietzo nicht ſo gleich erwei-
ſen. Allein wenn ich unten erweiſen werde,
daß die Sele in den Koͤrper wuͤrcke, wird ſich
auch zugleich zeigen laſſen, daß der ſo dieſes
nicht behaupten wolte, auch laͤugnen muͤſſe, daß
die Eltern die Urſach von den Kindern, daß die
Sonne die Urſache des Lichts, und die Erde
eine Urſach der Mondfinſterniſſen ſey. Mit
einem Wort; daß man ſein Urtheil allemal

nur
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0054" n="24"/>
fallen, oder <hi rendition="#fr">Sceptici</hi> werden. Jch kan es<lb/>
wol &#x017F;agen, wie ich auf die&#x017F;e Gedancken gera-<lb/>
the. Wenn ich mich durch nichts von der Ge-<lb/>
genwart, meines und andrer Ko&#x0364;rper u&#x0364;berfu&#x0364;hren<lb/>
kan; &#x017F;o bin ich nur noch um einen Schritt von<lb/>
dem Jdealismo entfernet. Man &#x017F;age mir<lb/>
aber ein Mittel, wie &#x017F;ich ein Harmoni&#x017F;t von<lb/>
der Wu&#x0364;rcklichkeit der Ko&#x0364;rper u&#x0364;berfu&#x0364;hren ko&#x0364;n-<lb/>
ne? Wenn &#x017F;ich &#x017F;eine Sele alles das, was &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich ietzo vor&#x017F;tellet, auch vor&#x017F;tellen mu&#x0364;&#x017F;te, wenn<lb/>
nichts davon wu&#x0364;rcklich wa&#x0364;re; &#x017F;o kan &#x017F;ie auch<lb/>
durch nichts von de&#x017F;&#x017F;en Wu&#x0364;rcklichkeit u&#x0364;berfu&#x0364;h-<lb/>
ret werden. Ge&#x017F;etzt aber auch, daß man es<lb/>
glaubte, man habe einen Ko&#x0364;rper; &#x017F;o muß man<lb/>
zugeben, daß man von denen allergewo&#x0364;hnlich-<lb/>
&#x017F;ten Vera&#x0364;nderungen in der Welt am allerun-<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten urtheilen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Denn wenn wir<lb/>
la&#x0364;ugnen, daß die Sele in den Ko&#x0364;rper wu&#x0364;rcke,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t es nicht anders mo&#x0364;glich, als wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
auch zweifeln, ob iemals in der Welt die&#x017F;es ei-<lb/>
ne Wu&#x0364;rckung von iener Ur&#x017F;ach, oder eine Ur-<lb/>
&#x017F;ach iener Wu&#x0364;rckung &#x017F;ey. Jch kan das, was<lb/>
ich eben ge&#x017F;agt habe, ietzo nicht &#x017F;o gleich erwei-<lb/>
&#x017F;en. Allein wenn ich unten erwei&#x017F;en werde,<lb/>
daß die Sele in den Ko&#x0364;rper wu&#x0364;rcke, wird &#x017F;ich<lb/>
auch zugleich zeigen la&#x017F;&#x017F;en, daß der &#x017F;o die&#x017F;es<lb/>
nicht behaupten wolte, auch la&#x0364;ugnen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, daß<lb/>
die Eltern die Ur&#x017F;ach von den Kindern, daß die<lb/>
Sonne die Ur&#x017F;ache des Lichts, und die Erde<lb/>
eine Ur&#x017F;ach der Mondfin&#x017F;terni&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ey. Mit<lb/>
einem Wort; daß man &#x017F;ein Urtheil allemal<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nur</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0054] fallen, oder Sceptici werden. Jch kan es wol ſagen, wie ich auf dieſe Gedancken gera- the. Wenn ich mich durch nichts von der Ge- genwart, meines und andrer Koͤrper uͤberfuͤhren kan; ſo bin ich nur noch um einen Schritt von dem Jdealismo entfernet. Man ſage mir aber ein Mittel, wie ſich ein Harmoniſt von der Wuͤrcklichkeit der Koͤrper uͤberfuͤhren koͤn- ne? Wenn ſich ſeine Sele alles das, was ſie ſich ietzo vorſtellet, auch vorſtellen muͤſte, wenn nichts davon wuͤrcklich waͤre; ſo kan ſie auch durch nichts von deſſen Wuͤrcklichkeit uͤberfuͤh- ret werden. Geſetzt aber auch, daß man es glaubte, man habe einen Koͤrper; ſo muß man zugeben, daß man von denen allergewoͤhnlich- ſten Veraͤnderungen in der Welt am allerun- gewiſſeſten urtheilen muͤſſe. Denn wenn wir laͤugnen, daß die Sele in den Koͤrper wuͤrcke, ſo iſt es nicht anders moͤglich, als wir muͤſſen auch zweifeln, ob iemals in der Welt dieſes ei- ne Wuͤrckung von iener Urſach, oder eine Ur- ſach iener Wuͤrckung ſey. Jch kan das, was ich eben geſagt habe, ietzo nicht ſo gleich erwei- ſen. Allein wenn ich unten erweiſen werde, daß die Sele in den Koͤrper wuͤrcke, wird ſich auch zugleich zeigen laſſen, daß der ſo dieſes nicht behaupten wolte, auch laͤugnen muͤſſe, daß die Eltern die Urſach von den Kindern, daß die Sonne die Urſache des Lichts, und die Erde eine Urſach der Mondfinſterniſſen ſey. Mit einem Wort; daß man ſein Urtheil allemal nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/54
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/54>, abgerufen am 24.11.2024.