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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

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hern Zweck desto besser. Jch sehe es zum
Voraus, daß ich mich bey dem Obersatze am
meisten aufhalten werde, und doch befürchte
ich noch einigen Tadel, weil meine Ausschwei-
fung ein wenig gar zu weit aussehend ist. Je-
doch vielleicht wird mir auch dieses zum besten
dienen müssen. Wie ich mercke, so befinde ich
mich ietzo in eben den Umständen, worin ein
Opernschreiber sich befindet, wenn er etwas,
das angenehm fallen soll, auf die Schaubühne
liefern will. Meine Oper nimmt einen lu-
stigen Anfang: denn sie stellet einen Egoisten
vor, dessen Meinung sich in kein Trauerspiel
schicket. Nach diesen habe ich ein gantzes
Theater voller Geister erscheinen lassen, die sich
Jdealisten nennten. Der Vorhang ward vom
neuen eröfnet, und es traten lauter eingefleisch-
te Selen auf den Platz. Jst es nun ein Kunst-
stück eines Comödienschreibers in ieden Auf-
tritte etwas neues zu zeigen, so habe ich hierin
dieses Kunststück auch angebracht, und im fol-
genden ist es auch nicht vergessen worden. Es
erscheinen Occasionalisten, Harmonisten, Jn-
fluxionisten, Mechanisten, Organisten. Lau-
ter Jsten! Hier hatte ich des vorigen Kunst-
griffes vergessen. Nun aber erscheinen Ein-
flüsse. Sie waren idealisch, sie waren physi-
calisch. Auf einem Theater müssen die erstern
Personen eine Zeitlang aussen bleiben, und als-
denn erscheinen sie am Ende der Handlung
vom neuen. Dieses ist die Marime, deren ich

mich

hern Zweck deſto beſſer. Jch ſehe es zum
Voraus, daß ich mich bey dem Oberſatze am
meiſten aufhalten werde, und doch befuͤrchte
ich noch einigen Tadel, weil meine Ausſchwei-
fung ein wenig gar zu weit ausſehend iſt. Je-
doch vielleicht wird mir auch dieſes zum beſten
dienen muͤſſen. Wie ich mercke, ſo befinde ich
mich ietzo in eben den Umſtaͤnden, worin ein
Opernſchreiber ſich befindet, wenn er etwas,
das angenehm fallen ſoll, auf die Schaubuͤhne
liefern will. Meine Oper nimmt einen lu-
ſtigen Anfang: denn ſie ſtellet einen Egoiſten
vor, deſſen Meinung ſich in kein Trauerſpiel
ſchicket. Nach dieſen habe ich ein gantzes
Theater voller Geiſter erſcheinen laſſen, die ſich
Jdealiſten nennten. Der Vorhang ward vom
neuen eroͤfnet, und es traten lauter eingefleiſch-
te Selen auf den Platz. Jſt es nun ein Kunſt-
ſtuͤck eines Comoͤdienſchreibers in ieden Auf-
tritte etwas neues zu zeigen, ſo habe ich hierin
dieſes Kunſtſtuͤck auch angebracht, und im fol-
genden iſt es auch nicht vergeſſen worden. Es
erſcheinen Occaſionaliſten, Harmoniſten, Jn-
fluxioniſten, Mechaniſten, Organiſten. Lau-
ter Jſten! Hier hatte ich des vorigen Kunſt-
griffes vergeſſen. Nun aber erſcheinen Ein-
fluͤſſe. Sie waren idealiſch, ſie waren phyſi-
caliſch. Auf einem Theater muͤſſen die erſtern
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[44/0074] hern Zweck deſto beſſer. Jch ſehe es zum Voraus, daß ich mich bey dem Oberſatze am meiſten aufhalten werde, und doch befuͤrchte ich noch einigen Tadel, weil meine Ausſchwei- fung ein wenig gar zu weit ausſehend iſt. Je- doch vielleicht wird mir auch dieſes zum beſten dienen muͤſſen. Wie ich mercke, ſo befinde ich mich ietzo in eben den Umſtaͤnden, worin ein Opernſchreiber ſich befindet, wenn er etwas, das angenehm fallen ſoll, auf die Schaubuͤhne liefern will. Meine Oper nimmt einen lu- ſtigen Anfang: denn ſie ſtellet einen Egoiſten vor, deſſen Meinung ſich in kein Trauerſpiel ſchicket. Nach dieſen habe ich ein gantzes Theater voller Geiſter erſcheinen laſſen, die ſich Jdealiſten nennten. Der Vorhang ward vom neuen eroͤfnet, und es traten lauter eingefleiſch- te Selen auf den Platz. Jſt es nun ein Kunſt- ſtuͤck eines Comoͤdienſchreibers in ieden Auf- tritte etwas neues zu zeigen, ſo habe ich hierin dieſes Kunſtſtuͤck auch angebracht, und im fol- genden iſt es auch nicht vergeſſen worden. Es erſcheinen Occaſionaliſten, Harmoniſten, Jn- fluxioniſten, Mechaniſten, Organiſten. Lau- ter Jſten! Hier hatte ich des vorigen Kunſt- griffes vergeſſen. Nun aber erſcheinen Ein- fluͤſſe. Sie waren idealiſch, ſie waren phyſi- caliſch. Auf einem Theater muͤſſen die erſtern Perſonen eine Zeitlang auſſen bleiben, und als- denn erſcheinen ſie am Ende der Handlung vom neuen. Dieſes iſt die Marime, deren ich mich

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/74>, abgerufen am 21.11.2024.