stellt also eine positive Lichtenberg'sche Figur dar. Man ersieht aus dieser, daß die von der Metallspitze auf die Platte übergegangene Elektricität sich vom Fuß- punkte der Spitzen nach allen Richtungen hin strahlenförmig ausgebreitet hat, und daß die einzelnen Strahlen sich mannigfach verästeln. Betrachten wir hingegen die negative Figur (Fig. 80), so sehen wir eine kreisförmig begrenzte Fläche gleich- mäßig mit Pulver bestreut. Strahlen oder Verästelungen sind keine wahrnehmbar, die ganze negative Figur besteht vielmehr nur aus einer rothen Scheibe. Ertheilt man der Harzplatte eine gemischte Ladung, so zeigt sich auch nach der Bestreuung eine gemischte Figur, wie eine solche in Fig. 81 dargestellt ist. Bei dieser sehen wir innen eine (rothe) Scheibe, entsprechend der negativen Elektrisirung, umgeben von einem (gelben) Strahlenkranze, welcher durch die positive Entladung hervor- gerufen wurde. Eine derartige Figur kann am bequemsten mit Hilfe eines Ruhm- korff'schen Inductoriums (welches wir später noch kennen lernen werden) hervorgerufen werden.
[Abbildung]
Fig. 79.
Positive Lichtenberg'sche Figur.
[Abbildung]
Fig. 80.
Negative Lichtenberg'sche Figur.
Mit der Erklärung und der Erforschung der gesetzmäßigen Beziehungen der Lichtenberg'schen Figuren haben sich namentlich Bezold, Reitlinger, Rieß und Wächter beschäftigt. Wir folgen im Nachstehenden einer diesbezüglichen, von Reitlinger und Wächter in der Wiener Akademie der Wissenschaften veröffentlichten Abhandlung. Ersterer hatte schon vorher nachstehende Erklärung gegeben: Positiv elektrisirten Theilchen, welche sich von der Spitze entfernen, habe man einen Impuls in der Richtung ihrer Elektricitätsübertragung zuzuschreiben; indem sie in solcher Weise schief von der Spitze nach der Platte fahren, streifen sie vermöge Zerlegung ihrer Bewegung noch ein Stück an der Harzfläche, radial vom Fußpunkte der Spitze ausgehend, nach außen fort; diese Bahnen erzeugen positiv elektrisirte Striche auf dem Harze, welche, durch Bestäubung sichtbar gemacht, die gelbe Strahlenfigur bilden. Dagegen fehle den negativ elektrisirten Theilchen ein solcher Impuls und finde die Ausbreitung der negativen Elektricität unter der Spitze in solcher Gleich- förmigkeit rund um dieselbe statt, daß der Schnitt zwischen ihr und der Harzfläche eine Kreisscheibe bilde. Diese wird nachher durch Bestäubung als negative, rothe
ſtellt alſo eine poſitive Lichtenberg’ſche Figur dar. Man erſieht aus dieſer, daß die von der Metallſpitze auf die Platte übergegangene Elektricität ſich vom Fuß- punkte der Spitzen nach allen Richtungen hin ſtrahlenförmig ausgebreitet hat, und daß die einzelnen Strahlen ſich mannigfach veräſteln. Betrachten wir hingegen die negative Figur (Fig. 80), ſo ſehen wir eine kreisförmig begrenzte Fläche gleich- mäßig mit Pulver beſtreut. Strahlen oder Veräſtelungen ſind keine wahrnehmbar, die ganze negative Figur beſteht vielmehr nur aus einer rothen Scheibe. Ertheilt man der Harzplatte eine gemiſchte Ladung, ſo zeigt ſich auch nach der Beſtreuung eine gemiſchte Figur, wie eine ſolche in Fig. 81 dargeſtellt iſt. Bei dieſer ſehen wir innen eine (rothe) Scheibe, entſprechend der negativen Elektriſirung, umgeben von einem (gelben) Strahlenkranze, welcher durch die poſitive Entladung hervor- gerufen wurde. Eine derartige Figur kann am bequemſten mit Hilfe eines Ruhm- korff’ſchen Inductoriums (welches wir ſpäter noch kennen lernen werden) hervorgerufen werden.
[Abbildung]
Fig. 79.
Poſitive Lichtenberg’ſche Figur.
[Abbildung]
Fig. 80.
Negative Lichtenberg’ſche Figur.
Mit der Erklärung und der Erforſchung der geſetzmäßigen Beziehungen der Lichtenberg’ſchen Figuren haben ſich namentlich Bezold, Reitlinger, Rieß und Wächter beſchäftigt. Wir folgen im Nachſtehenden einer diesbezüglichen, von Reitlinger und Wächter in der Wiener Akademie der Wiſſenſchaften veröffentlichten Abhandlung. Erſterer hatte ſchon vorher nachſtehende Erklärung gegeben: Poſitiv elektriſirten Theilchen, welche ſich von der Spitze entfernen, habe man einen Impuls in der Richtung ihrer Elektricitätsübertragung zuzuſchreiben; indem ſie in ſolcher Weiſe ſchief von der Spitze nach der Platte fahren, ſtreifen ſie vermöge Zerlegung ihrer Bewegung noch ein Stück an der Harzfläche, radial vom Fußpunkte der Spitze ausgehend, nach außen fort; dieſe Bahnen erzeugen poſitiv elektriſirte Striche auf dem Harze, welche, durch Beſtäubung ſichtbar gemacht, die gelbe Strahlenfigur bilden. Dagegen fehle den negativ elektriſirten Theilchen ein ſolcher Impuls und finde die Ausbreitung der negativen Elektricität unter der Spitze in ſolcher Gleich- förmigkeit rund um dieſelbe ſtatt, daß der Schnitt zwiſchen ihr und der Harzfläche eine Kreisſcheibe bilde. Dieſe wird nachher durch Beſtäubung als negative, rothe
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ſtellt alſo eine poſitive Lichtenberg’ſche Figur dar. Man erſieht aus dieſer, daß
die von der Metallſpitze auf die Platte übergegangene Elektricität ſich vom Fuß-
punkte der Spitzen nach allen Richtungen hin ſtrahlenförmig ausgebreitet hat, und
daß die einzelnen Strahlen ſich mannigfach veräſteln. Betrachten wir hingegen die
negative Figur (Fig. 80), ſo ſehen wir eine kreisförmig begrenzte Fläche gleich-
mäßig mit Pulver beſtreut. Strahlen oder Veräſtelungen ſind keine wahrnehmbar,
die ganze negative Figur beſteht vielmehr nur aus einer rothen Scheibe. Ertheilt man
der Harzplatte eine gemiſchte Ladung, ſo zeigt ſich auch nach der Beſtreuung
eine gemiſchte Figur, wie eine ſolche in Fig. 81 dargeſtellt iſt. Bei dieſer ſehen
wir innen eine (rothe) Scheibe, entſprechend der negativen Elektriſirung, umgeben
von einem (gelben) Strahlenkranze, welcher durch die poſitive Entladung hervor-
gerufen wurde. Eine derartige Figur kann am bequemſten mit Hilfe eines Ruhm-
korff’ſchen Inductoriums (welches wir ſpäter noch kennen lernen werden) hervorgerufen
werden.
[Abbildung Fig. 79.
Poſitive Lichtenberg’ſche Figur.]
[Abbildung Fig. 80.
Negative Lichtenberg’ſche Figur.]
Mit der Erklärung und der Erforſchung der geſetzmäßigen Beziehungen der
Lichtenberg’ſchen Figuren haben ſich namentlich Bezold, Reitlinger, Rieß und Wächter
beſchäftigt. Wir folgen im Nachſtehenden einer diesbezüglichen, von Reitlinger und
Wächter in der Wiener Akademie der Wiſſenſchaften veröffentlichten Abhandlung.
Erſterer hatte ſchon vorher nachſtehende Erklärung gegeben: Poſitiv elektriſirten
Theilchen, welche ſich von der Spitze entfernen, habe man einen Impuls in der
Richtung ihrer Elektricitätsübertragung zuzuſchreiben; indem ſie in ſolcher Weiſe
ſchief von der Spitze nach der Platte fahren, ſtreifen ſie vermöge Zerlegung ihrer
Bewegung noch ein Stück an der Harzfläche, radial vom Fußpunkte der Spitze
ausgehend, nach außen fort; dieſe Bahnen erzeugen poſitiv elektriſirte Striche auf
dem Harze, welche, durch Beſtäubung ſichtbar gemacht, die gelbe Strahlenfigur
bilden. Dagegen fehle den negativ elektriſirten Theilchen ein ſolcher Impuls und
finde die Ausbreitung der negativen Elektricität unter der Spitze in ſolcher Gleich-
förmigkeit rund um dieſelbe ſtatt, daß der Schnitt zwiſchen ihr und der Harzfläche
eine Kreisſcheibe bilde. Dieſe wird nachher durch Beſtäubung als negative, rothe
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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/165>, abgerufen am 25.11.2024.
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