Die Elektricität ist auch musikalisch geworden; und wie richtig, wie sicher nimmt sie die leisesten wie die kräftigsten Töne auf, die Triller der sterbenden Primadonna, wie den Triumphgesang der siegreich zurückkehrenden Helden! Dann muß sie in den engen Draht und durcheilt in diesem mit Blitzesschnelle viele, viele Meilen; am Bestimmungsorte angelangt, jubelt sie wieder laut auf im Triumphgesange des Helden, haucht sie wieder die Triller der Primadonna aus. Im tiefen Waldes- schatten, zwischen hohen Felsenklippen stürzt brausend und tobend ein Wasserfall ins Thal hinab. Weitab von menschlicher Behausung, besuchte ihn früher nur selten ein kühner Wanderer. Und jetzt! Jetzt muß er mächtige Turbinen drehen, welche mit Hilfe unserer Maschinen seine gewaltige Kraft wieder in Elektricität umwandeln. In unfaßbarer Schnelligkeit durcheilt diese ihre Leitungsdrähte, weder Berge noch Thäler, weder Flüsse noch Wälder hemmen ihren Lauf, und bei den Wohnstätten der Menschen angelangt, verwandelt sie sich wieder in Wärme und Licht, in mechanische Kraft oder leistet chemische Arbeit. Der weit entfernte Wasserfall muß unsere Straßen und Plätze, unsere Wohnungen und Magazine mit Licht, mit hellem Tageslichte versehen, muß unsere Maschinen treiben, die Arbeit des Chemikers und Hüttenmannes übernehmen! Hat etwa Aladdin's Wunderlampe mehr geleistet? Ist wirklich die moderne technische Wissenschaft prosaisch oder fehlt nicht vielmehr der gottbegnadete Dichter, um die Wunder, welche die Elektricität verrichtet, in begeisterten Gesängen zu verherrlichen?
I. Geschichte des Magnetismus und der Elektricität.
Wie unscheinbar waren die ersten Erscheinungen, in welchen das Zwillings- paar, Magnetismus und Elektricität, zuerst beobachtet wurde! Und in der That legte man diesen auch keinerlei Bedeutung bei. Die Eigenschaft des geriebenen Bernsteines, leichte Körperchen anzuziehen, machte jenen zu einem beliebten Spielzeuge griechischer Frauen. Ueber den Magnetstein herrschten die kindlichsten Anschauungen. Die Alten kannten eben nur den natürlich vorkommenden Magnetstein. Plinius schreibt dessen Auffindung einem Hirten Namens Magnes zu. Derselbe sollte einmal beim Hüten seiner Herde auf eine Stelle gekommen sein, an welcher die Nägel seiner Schuhe und die Eisenspitze seines Stabes nur mit Mühe vom Boden losgemacht werden konnten. Er grub nach und fand den natürlichen Magnetstein. Nach Anderen soll der Stein den Namen "Lithos herakleia" geführt haben, was so viel als Herkulesstein oder Stein von Heraklea bedeuten würde. Die Stadt Heraklea scheint später den Namen Magnesia bekommen zu haben und dann wäre das Wort Magnet aus dem Namen jener Stadt abgeleitet. Wenngleich Lucrez (geb. im Jahre 95 v. Chr.) bereits erwähnt, daß der Magnetstein auch Eisen abstoßen könne und durch andere Körper durchwirke, so waren doch die Vor- stellungen der Alten über den Magnetismus äußerst unklare. Sie wußten nichts über die Polarität eines Magnetes, ja Plinius giebt sogar an, daß der Diamant im Stande sei, dem Magnete seine ganze Kraft zu rauben.
Fast ebenso unklar als die Entdeckung des Magnetismus überhaupt ist auch jene der Magnetnadel geblieben. Klaproth schreibt sie den Chinesen zu. Er fand in dem Wörterbuche Schu-e-wen von Hiu-tschin aus dem Jahre 121 n. Chr. für das Wort Magnet die Erklärung: Name eines Steines, mit welchem man der Nadel die Richtung gebe. In einem anderen chinesischen Wörterbuche aus dem
Die Elektricität iſt auch muſikaliſch geworden; und wie richtig, wie ſicher nimmt ſie die leiſeſten wie die kräftigſten Töne auf, die Triller der ſterbenden Primadonna, wie den Triumphgeſang der ſiegreich zurückkehrenden Helden! Dann muß ſie in den engen Draht und durcheilt in dieſem mit Blitzesſchnelle viele, viele Meilen; am Beſtimmungsorte angelangt, jubelt ſie wieder laut auf im Triumphgeſange des Helden, haucht ſie wieder die Triller der Primadonna aus. Im tiefen Waldes- ſchatten, zwiſchen hohen Felſenklippen ſtürzt brauſend und tobend ein Waſſerfall ins Thal hinab. Weitab von menſchlicher Behauſung, beſuchte ihn früher nur ſelten ein kühner Wanderer. Und jetzt! Jetzt muß er mächtige Turbinen drehen, welche mit Hilfe unſerer Maſchinen ſeine gewaltige Kraft wieder in Elektricität umwandeln. In unfaßbarer Schnelligkeit durcheilt dieſe ihre Leitungsdrähte, weder Berge noch Thäler, weder Flüſſe noch Wälder hemmen ihren Lauf, und bei den Wohnſtätten der Menſchen angelangt, verwandelt ſie ſich wieder in Wärme und Licht, in mechaniſche Kraft oder leiſtet chemiſche Arbeit. Der weit entfernte Waſſerfall muß unſere Straßen und Plätze, unſere Wohnungen und Magazine mit Licht, mit hellem Tageslichte verſehen, muß unſere Maſchinen treiben, die Arbeit des Chemikers und Hüttenmannes übernehmen! Hat etwa Aladdin’s Wunderlampe mehr geleiſtet? Iſt wirklich die moderne techniſche Wiſſenſchaft proſaiſch oder fehlt nicht vielmehr der gottbegnadete Dichter, um die Wunder, welche die Elektricität verrichtet, in begeiſterten Geſängen zu verherrlichen?
I. Geſchichte des Magnetismus und der Elektricität.
Wie unſcheinbar waren die erſten Erſcheinungen, in welchen das Zwillings- paar, Magnetismus und Elektricität, zuerſt beobachtet wurde! Und in der That legte man dieſen auch keinerlei Bedeutung bei. Die Eigenſchaft des geriebenen Bernſteines, leichte Körperchen anzuziehen, machte jenen zu einem beliebten Spielzeuge griechiſcher Frauen. Ueber den Magnetſtein herrſchten die kindlichſten Anſchauungen. Die Alten kannten eben nur den natürlich vorkommenden Magnetſtein. Plinius ſchreibt deſſen Auffindung einem Hirten Namens Magnes zu. Derſelbe ſollte einmal beim Hüten ſeiner Herde auf eine Stelle gekommen ſein, an welcher die Nägel ſeiner Schuhe und die Eiſenſpitze ſeines Stabes nur mit Mühe vom Boden losgemacht werden konnten. Er grub nach und fand den natürlichen Magnetſtein. Nach Anderen ſoll der Stein den Namen „Lithos herakleia“ geführt haben, was ſo viel als Herkulesſtein oder Stein von Heraklea bedeuten würde. Die Stadt Heraklea ſcheint ſpäter den Namen Magneſia bekommen zu haben und dann wäre das Wort Magnet aus dem Namen jener Stadt abgeleitet. Wenngleich Lucrez (geb. im Jahre 95 v. Chr.) bereits erwähnt, daß der Magnetſtein auch Eiſen abſtoßen könne und durch andere Körper durchwirke, ſo waren doch die Vor- ſtellungen der Alten über den Magnetismus äußerſt unklare. Sie wußten nichts über die Polarität eines Magnetes, ja Plinius giebt ſogar an, daß der Diamant im Stande ſei, dem Magnete ſeine ganze Kraft zu rauben.
Faſt ebenſo unklar als die Entdeckung des Magnetismus überhaupt iſt auch jene der Magnetnadel geblieben. Klaproth ſchreibt ſie den Chineſen zu. Er fand in dem Wörterbuche Schu-e-wen von Hiu-tſchin aus dem Jahre 121 n. Chr. für das Wort Magnet die Erklärung: Name eines Steines, mit welchem man der Nadel die Richtung gebe. In einem anderen chineſiſchen Wörterbuche aus dem
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wie den Triumphgeſang der ſiegreich zurückkehrenden Helden! Dann muß ſie in
den engen Draht und durcheilt in dieſem mit Blitzesſchnelle viele, viele Meilen;
am Beſtimmungsorte angelangt, jubelt ſie wieder laut auf im Triumphgeſange des
Helden, haucht ſie wieder die Triller der Primadonna aus. Im tiefen Waldes-
ſchatten, zwiſchen hohen Felſenklippen ſtürzt brauſend und tobend ein Waſſerfall
ins Thal hinab. Weitab von menſchlicher Behauſung, beſuchte ihn früher nur ſelten
ein kühner Wanderer. Und jetzt! Jetzt muß er mächtige Turbinen drehen, welche
mit Hilfe unſerer Maſchinen ſeine gewaltige Kraft wieder in Elektricität umwandeln.
In unfaßbarer Schnelligkeit durcheilt dieſe ihre Leitungsdrähte, weder Berge noch
Thäler, weder Flüſſe noch Wälder hemmen ihren Lauf, und bei den Wohnſtätten
der Menſchen angelangt, verwandelt ſie ſich wieder in Wärme und Licht, in
mechaniſche Kraft oder leiſtet chemiſche Arbeit. Der weit entfernte Waſſerfall muß
unſere Straßen und Plätze, unſere Wohnungen und Magazine mit Licht, mit
hellem Tageslichte verſehen, muß unſere Maſchinen treiben, die Arbeit des
Chemikers und Hüttenmannes übernehmen! Hat etwa Aladdin’s Wunderlampe
mehr geleiſtet? Iſt wirklich die moderne techniſche Wiſſenſchaft proſaiſch oder fehlt
nicht vielmehr der gottbegnadete Dichter, um die Wunder, welche die Elektricität
verrichtet, in begeiſterten Geſängen zu verherrlichen?
I. Geſchichte des Magnetismus und der Elektricität.
Wie unſcheinbar waren die erſten Erſcheinungen, in welchen das Zwillings-
paar, Magnetismus und Elektricität, zuerſt beobachtet wurde! Und in der That
legte man dieſen auch keinerlei Bedeutung bei. Die Eigenſchaft des geriebenen
Bernſteines, leichte Körperchen anzuziehen, machte jenen zu einem beliebten Spielzeuge
griechiſcher Frauen. Ueber den Magnetſtein herrſchten die kindlichſten Anſchauungen.
Die Alten kannten eben nur den natürlich vorkommenden Magnetſtein. Plinius
ſchreibt deſſen Auffindung einem Hirten Namens Magnes zu. Derſelbe ſollte
einmal beim Hüten ſeiner Herde auf eine Stelle gekommen ſein, an welcher die
Nägel ſeiner Schuhe und die Eiſenſpitze ſeines Stabes nur mit Mühe vom Boden
losgemacht werden konnten. Er grub nach und fand den natürlichen Magnetſtein.
Nach Anderen ſoll der Stein den Namen „Lithos herakleia“ geführt haben, was
ſo viel als Herkulesſtein oder Stein von Heraklea bedeuten würde. Die Stadt
Heraklea ſcheint ſpäter den Namen Magneſia bekommen zu haben und dann wäre
das Wort Magnet aus dem Namen jener Stadt abgeleitet. Wenngleich Lucrez
(geb. im Jahre 95 v. Chr.) bereits erwähnt, daß der Magnetſtein auch Eiſen
abſtoßen könne und durch andere Körper durchwirke, ſo waren doch die Vor-
ſtellungen der Alten über den Magnetismus äußerſt unklare. Sie wußten nichts
über die Polarität eines Magnetes, ja Plinius giebt ſogar an, daß der Diamant
im Stande ſei, dem Magnete ſeine ganze Kraft zu rauben.
Faſt ebenſo unklar als die Entdeckung des Magnetismus überhaupt iſt auch
jene der Magnetnadel geblieben. Klaproth ſchreibt ſie den Chineſen zu. Er fand
in dem Wörterbuche Schu-e-wen von Hiu-tſchin aus dem Jahre 121 n. Chr.
für das Wort Magnet die Erklärung: Name eines Steines, mit welchem man der
Nadel die Richtung gebe. In einem anderen chineſiſchen Wörterbuche aus dem
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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/18>, abgerufen am 21.11.2024.
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