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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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schuk, Guttapercha, Wachs u. s. w. Andere Körper aber, wie z. B. alle feuchten
Körper, Metalle, Kohle u. s. w., werden durch Reiben nicht elektrisch. Man
nennt die ersteren elektrisirbare oder idioelektrische, die letzteren nicht
elektrisirbare
oder anelektrische Körper.

Dies ist jedoch nicht der einzige Unterschied, der sich beim Reiben verschie-
dener Körper ergiebt. Reibt man eine Glasstange mit Wolle und nähert sie dem
elektrischen Pendel, so wird dieses angezogen, berührt diese Stange und empfängt
von dieser Elektricität; jetzt stößt die Glasstange die Hollundermarkkugel ab. Reibt
man nun eine Siegellackstange mit Wolle und nähert sie der elektrischen
Hollundermarkkugel, so wird diese von der Siegellackstange nicht erst angezogen und
dann abgestoßen, sondern nur angezogen, während die unelektrische Kugel eines
zweiten Pendels von derselben Siegellackstange ebenso wie die erste von dem Glas-
stabe elektrisirte zuerst angezogen und dann aber abgestoßen wird. Schon dieses
Experiment zeigt, daß zwischen der auf dem Glasstabe und jener auf der Siegel-
lackstange hervorgerufenen Elektricität ein Unterschied bestehen müsse. Dies wird
jedoch noch klarer, wenn man sich bei obigem Versuche des Goldblatt-Elektroskopes
an Stelle des Pendels bedient. Man berührt mit dem geriebenen Glasstabe die
Kugel des Elektroskopes; sofort werden sich die beiden Goldblättchen abstoßen und
divergiren. Reibt man den Glasstab neuerdings, und zwar kräftiger als das erste-
mal und berührt wieder die Kugel des Elektroskopes, so wird die Divergenz der
Goldblättchen gesteigert. Das Experiment nimmt denselben Verlauf, wenn man
statt des Glasstabes eine Siegellackstange verwendet; es ändert sich jedoch, wenn man
die Anwendung beider combinirt. Zu dem Ende wird vorerst die Kugel des
Elektroskopes mit dem geriebenen Glasstabe berührt und dadurch eine Divergenz
beider Goldblättchen hervorgerufen. Nun berührt man aber die Kugel des Elektro-
skopes mit einer geriebenen Siegellackstange; die Goldblättchen werden jetzt sofort
zusammenfallen oder doch ihre Divergenz verkleinern. Die Goldblättchen zeigen ein
analoges Verhalten, wenn das Experiment in umgekehrter Ordnung ausgeführt
wird: die Blättchen des unelektrisirten Elektroskopes divergiren durch die Berührung
mit der geriebenen Siegellackstange, diese Divergenz wird jedoch durch darauf-
folgende Berührung mit dem elektrisirten Glasstabe ganz oder theilweise auf-
gehoben.

Das Experiment beweist also, daß sowohl Glas als auch Siegellack durch
Reiben elektrisch wird; es zeigt aber auch, daß die elektrischen Zustände auf diesen
beiden Körpern sich in einem gewissen Gegensatze befinden, da der eine Körper die
Divergenz vernichtet, welche durch den anderen hervorgerufen wird, und umgekehrt.
Dies lehrt, daß zweierlei elektrische Zustände angenommen werden müssen.
Um diese zu unterscheiden, hat man jenen Zustand, in welchen das Glas durch
Reibung gelangt, Glaselektricität, und jenen Zustand, in welchen Harze durch
dieselbe Behandlung kommen, Harzelektricität genannt, wobei man von der
Ansicht ausging, daß ein bestimmter Körper durch Reiben immer nur in einen und
denselben elektrischen Zustand versetzt werden könne. Als man jedoch den Versuch
machte, einen Körper mit verschiedenen Stoffen zu reiben, erkannte man bald, daß
die Art des elektrischen Zustandes sich nicht nur mit dem geriebenen Körper,
sondern auch mit dem zum Reiben angewandten ändern kann, daß also ein und
derselbe Körper sowohl den einen als auch den entgegengesetzten elektrischen Zustand
annehmen kann, je nachdem man ihn mit dem einen oder anderen Körper reibt.
Die Bezeichnungen Glaselektricität und Harzelektricität konnten daher nicht bei-

ſchuk, Guttapercha, Wachs u. ſ. w. Andere Körper aber, wie z. B. alle feuchten
Körper, Metalle, Kohle u. ſ. w., werden durch Reiben nicht elektriſch. Man
nennt die erſteren elektriſirbare oder idioelektriſche, die letzteren nicht
elektriſirbare
oder anelektriſche Körper.

Dies iſt jedoch nicht der einzige Unterſchied, der ſich beim Reiben verſchie-
dener Körper ergiebt. Reibt man eine Glasſtange mit Wolle und nähert ſie dem
elektriſchen Pendel, ſo wird dieſes angezogen, berührt dieſe Stange und empfängt
von dieſer Elektricität; jetzt ſtößt die Glasſtange die Hollundermarkkugel ab. Reibt
man nun eine Siegellackſtange mit Wolle und nähert ſie der elektriſchen
Hollundermarkkugel, ſo wird dieſe von der Siegellackſtange nicht erſt angezogen und
dann abgeſtoßen, ſondern nur angezogen, während die unelektriſche Kugel eines
zweiten Pendels von derſelben Siegellackſtange ebenſo wie die erſte von dem Glas-
ſtabe elektriſirte zuerſt angezogen und dann aber abgeſtoßen wird. Schon dieſes
Experiment zeigt, daß zwiſchen der auf dem Glasſtabe und jener auf der Siegel-
lackſtange hervorgerufenen Elektricität ein Unterſchied beſtehen müſſe. Dies wird
jedoch noch klarer, wenn man ſich bei obigem Verſuche des Goldblatt-Elektroſkopes
an Stelle des Pendels bedient. Man berührt mit dem geriebenen Glasſtabe die
Kugel des Elektroſkopes; ſofort werden ſich die beiden Goldblättchen abſtoßen und
divergiren. Reibt man den Glasſtab neuerdings, und zwar kräftiger als das erſte-
mal und berührt wieder die Kugel des Elektroſkopes, ſo wird die Divergenz der
Goldblättchen geſteigert. Das Experiment nimmt denſelben Verlauf, wenn man
ſtatt des Glasſtabes eine Siegellackſtange verwendet; es ändert ſich jedoch, wenn man
die Anwendung beider combinirt. Zu dem Ende wird vorerſt die Kugel des
Elektroſkopes mit dem geriebenen Glasſtabe berührt und dadurch eine Divergenz
beider Goldblättchen hervorgerufen. Nun berührt man aber die Kugel des Elektro-
ſkopes mit einer geriebenen Siegellackſtange; die Goldblättchen werden jetzt ſofort
zuſammenfallen oder doch ihre Divergenz verkleinern. Die Goldblättchen zeigen ein
analoges Verhalten, wenn das Experiment in umgekehrter Ordnung ausgeführt
wird: die Blättchen des unelektriſirten Elektroſkopes divergiren durch die Berührung
mit der geriebenen Siegellackſtange, dieſe Divergenz wird jedoch durch darauf-
folgende Berührung mit dem elektriſirten Glasſtabe ganz oder theilweiſe auf-
gehoben.

Das Experiment beweiſt alſo, daß ſowohl Glas als auch Siegellack durch
Reiben elektriſch wird; es zeigt aber auch, daß die elektriſchen Zuſtände auf dieſen
beiden Körpern ſich in einem gewiſſen Gegenſatze befinden, da der eine Körper die
Divergenz vernichtet, welche durch den anderen hervorgerufen wird, und umgekehrt.
Dies lehrt, daß zweierlei elektriſche Zuſtände angenommen werden müſſen.
Um dieſe zu unterſcheiden, hat man jenen Zuſtand, in welchen das Glas durch
Reibung gelangt, Glaselektricität, und jenen Zuſtand, in welchen Harze durch
dieſelbe Behandlung kommen, Harzelektricität genannt, wobei man von der
Anſicht ausging, daß ein beſtimmter Körper durch Reiben immer nur in einen und
denſelben elektriſchen Zuſtand verſetzt werden könne. Als man jedoch den Verſuch
machte, einen Körper mit verſchiedenen Stoffen zu reiben, erkannte man bald, daß
die Art des elektriſchen Zuſtandes ſich nicht nur mit dem geriebenen Körper,
ſondern auch mit dem zum Reiben angewandten ändern kann, daß alſo ein und
derſelbe Körper ſowohl den einen als auch den entgegengeſetzten elektriſchen Zuſtand
annehmen kann, je nachdem man ihn mit dem einen oder anderen Körper reibt.
Die Bezeichnungen Glaselektricität und Harzelektricität konnten daher nicht bei-

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[64/0078] ſchuk, Guttapercha, Wachs u. ſ. w. Andere Körper aber, wie z. B. alle feuchten Körper, Metalle, Kohle u. ſ. w., werden durch Reiben nicht elektriſch. Man nennt die erſteren elektriſirbare oder idioelektriſche, die letzteren nicht elektriſirbare oder anelektriſche Körper. Dies iſt jedoch nicht der einzige Unterſchied, der ſich beim Reiben verſchie- dener Körper ergiebt. Reibt man eine Glasſtange mit Wolle und nähert ſie dem elektriſchen Pendel, ſo wird dieſes angezogen, berührt dieſe Stange und empfängt von dieſer Elektricität; jetzt ſtößt die Glasſtange die Hollundermarkkugel ab. Reibt man nun eine Siegellackſtange mit Wolle und nähert ſie der elektriſchen Hollundermarkkugel, ſo wird dieſe von der Siegellackſtange nicht erſt angezogen und dann abgeſtoßen, ſondern nur angezogen, während die unelektriſche Kugel eines zweiten Pendels von derſelben Siegellackſtange ebenſo wie die erſte von dem Glas- ſtabe elektriſirte zuerſt angezogen und dann aber abgeſtoßen wird. Schon dieſes Experiment zeigt, daß zwiſchen der auf dem Glasſtabe und jener auf der Siegel- lackſtange hervorgerufenen Elektricität ein Unterſchied beſtehen müſſe. Dies wird jedoch noch klarer, wenn man ſich bei obigem Verſuche des Goldblatt-Elektroſkopes an Stelle des Pendels bedient. Man berührt mit dem geriebenen Glasſtabe die Kugel des Elektroſkopes; ſofort werden ſich die beiden Goldblättchen abſtoßen und divergiren. Reibt man den Glasſtab neuerdings, und zwar kräftiger als das erſte- mal und berührt wieder die Kugel des Elektroſkopes, ſo wird die Divergenz der Goldblättchen geſteigert. Das Experiment nimmt denſelben Verlauf, wenn man ſtatt des Glasſtabes eine Siegellackſtange verwendet; es ändert ſich jedoch, wenn man die Anwendung beider combinirt. Zu dem Ende wird vorerſt die Kugel des Elektroſkopes mit dem geriebenen Glasſtabe berührt und dadurch eine Divergenz beider Goldblättchen hervorgerufen. Nun berührt man aber die Kugel des Elektro- ſkopes mit einer geriebenen Siegellackſtange; die Goldblättchen werden jetzt ſofort zuſammenfallen oder doch ihre Divergenz verkleinern. Die Goldblättchen zeigen ein analoges Verhalten, wenn das Experiment in umgekehrter Ordnung ausgeführt wird: die Blättchen des unelektriſirten Elektroſkopes divergiren durch die Berührung mit der geriebenen Siegellackſtange, dieſe Divergenz wird jedoch durch darauf- folgende Berührung mit dem elektriſirten Glasſtabe ganz oder theilweiſe auf- gehoben. Das Experiment beweiſt alſo, daß ſowohl Glas als auch Siegellack durch Reiben elektriſch wird; es zeigt aber auch, daß die elektriſchen Zuſtände auf dieſen beiden Körpern ſich in einem gewiſſen Gegenſatze befinden, da der eine Körper die Divergenz vernichtet, welche durch den anderen hervorgerufen wird, und umgekehrt. Dies lehrt, daß zweierlei elektriſche Zuſtände angenommen werden müſſen. Um dieſe zu unterſcheiden, hat man jenen Zuſtand, in welchen das Glas durch Reibung gelangt, Glaselektricität, und jenen Zuſtand, in welchen Harze durch dieſelbe Behandlung kommen, Harzelektricität genannt, wobei man von der Anſicht ausging, daß ein beſtimmter Körper durch Reiben immer nur in einen und denſelben elektriſchen Zuſtand verſetzt werden könne. Als man jedoch den Verſuch machte, einen Körper mit verſchiedenen Stoffen zu reiben, erkannte man bald, daß die Art des elektriſchen Zuſtandes ſich nicht nur mit dem geriebenen Körper, ſondern auch mit dem zum Reiben angewandten ändern kann, daß alſo ein und derſelbe Körper ſowohl den einen als auch den entgegengeſetzten elektriſchen Zuſtand annehmen kann, je nachdem man ihn mit dem einen oder anderen Körper reibt. Die Bezeichnungen Glaselektricität und Harzelektricität konnten daher nicht bei-

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/78>, abgerufen am 21.11.2024.