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Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

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Lyrische Gedichte
Sieh auf den starken Trieb, der uns zur Wollust
reisset,
Jm freyen Wilde Brunst, in Menschen Liebe heisset,
Und, unbeherrscht, sich leicht verirrt.
Er wird Gesetz und Recht und Menschlichkeit verletzen,
Wenn ihn kein Zügel hält, und ihm erlaubet wird,
Sich höhern Pflichten vorzusetzen.
Aus ihren Schranken darf auch die Natur nicht
schreiten:
Soll nicht ein gleicher Zaum die weiche Wehmuth lei-
ten,
Die ein verlohrnes Gut bedaurt?
Kein allzulanger Schmerz muß unsre Ruhe stören;
Und wenn es Menschheit ist, daß unsre Seele traurt,
So ist es Weisheit, aufzuhören.
Was kann den Sterblichen das wilde Glück entzie-
hen,
Das ewig Leid verdient? Jst alles nicht geliehen?
Gebührt nicht alles ihm zurück?
Die Güter, die es giebt, verschenkt es nicht auf immer:
Sein schmeichlend Lächeln ist ein kurzer Sonnenblick,
Ein kaum genossner Frühlings-Schimmer.
Wann
Lyriſche Gedichte
Sieh auf den ſtarken Trieb, der uns zur Wolluſt
reiſſet,
Jm freyen Wilde Brunſt, in Menſchen Liebe heiſſet,
Und, unbeherrſcht, ſich leicht verirrt.
Er wird Geſetz und Recht und Menſchlichkeit verletzen,
Wenn ihn kein Zuͤgel haͤlt, und ihm erlaubet wird,
Sich hoͤhern Pflichten vorzuſetzen.
Aus ihren Schranken darf auch die Natur nicht
ſchreiten:
Soll nicht ein gleicher Zaum die weiche Wehmuth lei-
ten,
Die ein verlohrnes Gut bedaurt?
Kein allzulanger Schmerz muß unſre Ruhe ſtoͤren;
Und wenn es Menſchheit iſt, daß unſre Seele traurt,
So iſt es Weisheit, aufzuhoͤren.
Was kann den Sterblichen das wilde Gluͤck entzie-
hen,
Das ewig Leid verdient? Jſt alles nicht geliehen?
Gebuͤhrt nicht alles ihm zuruͤck?
Die Guͤter, die es giebt, verſchenkt es nicht auf immer:
Sein ſchmeichlend Laͤcheln iſt ein kurzer Sonnenblick,
Ein kaum genoſſner Fruͤhlings-Schimmer.
Wann
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[94/0108] Lyriſche Gedichte Sieh auf den ſtarken Trieb, der uns zur Wolluſt reiſſet, Jm freyen Wilde Brunſt, in Menſchen Liebe heiſſet, Und, unbeherrſcht, ſich leicht verirrt. Er wird Geſetz und Recht und Menſchlichkeit verletzen, Wenn ihn kein Zuͤgel haͤlt, und ihm erlaubet wird, Sich hoͤhern Pflichten vorzuſetzen. Aus ihren Schranken darf auch die Natur nicht ſchreiten: Soll nicht ein gleicher Zaum die weiche Wehmuth lei- ten, Die ein verlohrnes Gut bedaurt? Kein allzulanger Schmerz muß unſre Ruhe ſtoͤren; Und wenn es Menſchheit iſt, daß unſre Seele traurt, So iſt es Weisheit, aufzuhoͤren. Was kann den Sterblichen das wilde Gluͤck entzie- hen, Das ewig Leid verdient? Jſt alles nicht geliehen? Gebuͤhrt nicht alles ihm zuruͤck? Die Guͤter, die es giebt, verſchenkt es nicht auf immer: Sein ſchmeichlend Laͤcheln iſt ein kurzer Sonnenblick, Ein kaum genoſſner Fruͤhlings-Schimmer. Wann

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Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/108>, abgerufen am 21.11.2024.