Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Sieg des Liebesgottes. Zweytes Buch. Jndeß prangt Lesbia in ihren kühlen Zimmern, Die nach dem Garten sehn und reichbekleidet schim- mern. Daselbst versammeln sich, indem der Coffee winkt, Die Artigsten der Stadt und wer sich artig dünkt. Von allen Lippen rauscht ein fliessend Wortgepränge: Die Neugier schleicht herum im lärmenden Gedränge, Und starrt mit gleicher Lust bald glänzend Porcellan, Bald einen jungen Herrn und bald ein Möpschen an. Die Wirthinn geht und kömmt; und all ihr Thun belebet Der freyen Sitten Reiz, die unsre Zeit erhebet. Wer nennt so oft, wie sie, Paris und große Welt, Und mahlt mit höherm Roth verblühter Wangen Feld? Doch, Muse! steige selbst von deinem steilen Hügel: Crispin fliegt immer hoch; ich schone meine Flügel. Steig auch einmal herab, und sage mir getreu, Was diesen Tag geschehn, wer hier gewesen sey. Die stille Galathee, die Spielerinn Chlorinde, Nebst Chloen, die ich stets bey ihrer Mutter finde; Die fromme Dorilis, die ihren Ehmann plagt, Und bis er mit ihr singt, ihm ihren Kuß versagt: Und andre mehr sind hier, wovon die Muse schweiget, Weil sich Selinde selbst im höhern Reize zeiget. Wie
Sieg des Liebesgottes. Zweytes Buch. Jndeß prangt Lesbia in ihren kuͤhlen Zimmern, Die nach dem Garten ſehn und reichbekleidet ſchim- mern. Daſelbſt verſammeln ſich, indem der Coffee winkt, Die Artigſten der Stadt und wer ſich artig duͤnkt. Von allen Lippen rauſcht ein flieſſend Wortgepraͤnge: Die Neugier ſchleicht herum im laͤrmenden Gedraͤnge, Und ſtarrt mit gleicher Luſt bald glaͤnzend Porcellan, Bald einen jungen Herrn und bald ein Moͤpschen an. Die Wirthinn geht und koͤmmt; und all ihr Thun belebet Der freyen Sitten Reiz, die unſre Zeit erhebet. Wer nennt ſo oft, wie ſie, Paris und große Welt, Und mahlt mit hoͤherm Roth verbluͤhter Wangen Feld? Doch, Muſe! ſteige ſelbſt von deinem ſteilen Huͤgel: Criſpin fliegt immer hoch; ich ſchone meine Fluͤgel. Steig auch einmal herab, und ſage mir getreu, Was dieſen Tag geſchehn, wer hier geweſen ſey. Die ſtille Galathee, die Spielerinn Chlorinde, Nebſt Chloen, die ich ſtets bey ihrer Mutter finde; Die fromme Dorilis, die ihren Ehmann plagt, Und bis er mit ihr ſingt, ihm ihren Kuß verſagt: Und andre mehr ſind hier, wovon die Muſe ſchweiget, Weil ſich Selinde ſelbſt im hoͤhern Reize zeiget. Wie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0188" n="174"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Sieg des Liebesgottes.</hi> </fw><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#b">Zweytes Buch.</hi> </head><lb/> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">J</hi>ndeß prangt Lesbia in ihren kuͤhlen Zimmern,</l><lb/> <l>Die nach dem Garten ſehn und reichbekleidet ſchim-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">mern.</hi> </l><lb/> <l>Daſelbſt verſammeln ſich, indem der Coffee winkt,</l><lb/> <l>Die Artigſten der Stadt und wer ſich artig duͤnkt.</l><lb/> <l>Von allen Lippen rauſcht ein flieſſend Wortgepraͤnge:</l><lb/> <l>Die Neugier ſchleicht herum im laͤrmenden Gedraͤnge,</l><lb/> <l>Und ſtarrt mit gleicher Luſt bald glaͤnzend Porcellan,</l><lb/> <l>Bald einen jungen Herrn und bald ein Moͤpschen an.</l><lb/> <l>Die Wirthinn geht und koͤmmt; und all ihr Thun belebet</l><lb/> <l>Der freyen Sitten Reiz, die unſre Zeit erhebet.</l><lb/> <l>Wer nennt ſo oft, wie ſie, Paris und große Welt,</l><lb/> <l>Und mahlt mit hoͤherm Roth verbluͤhter Wangen Feld?</l><lb/> <l>Doch, Muſe! ſteige ſelbſt von deinem ſteilen Huͤgel:</l><lb/> <l>Criſpin fliegt immer hoch; ich ſchone meine Fluͤgel.</l><lb/> <l>Steig auch einmal herab, und ſage mir getreu,</l><lb/> <l>Was dieſen Tag geſchehn, wer hier geweſen ſey.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die ſtille Galathee, die Spielerinn Chlorinde,</l><lb/> <l>Nebſt Chloen, die ich ſtets bey ihrer Mutter finde;</l><lb/> <l>Die fromme Dorilis, die ihren Ehmann plagt,</l><lb/> <l>Und bis er mit ihr ſingt, ihm ihren Kuß verſagt:</l><lb/> <l>Und andre mehr ſind hier, wovon die Muſe ſchweiget,</l><lb/> <l>Weil ſich Selinde ſelbſt im hoͤhern Reize zeiget.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wie</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [174/0188]
Sieg des Liebesgottes.
Zweytes Buch.
Jndeß prangt Lesbia in ihren kuͤhlen Zimmern,
Die nach dem Garten ſehn und reichbekleidet ſchim-
mern.
Daſelbſt verſammeln ſich, indem der Coffee winkt,
Die Artigſten der Stadt und wer ſich artig duͤnkt.
Von allen Lippen rauſcht ein flieſſend Wortgepraͤnge:
Die Neugier ſchleicht herum im laͤrmenden Gedraͤnge,
Und ſtarrt mit gleicher Luſt bald glaͤnzend Porcellan,
Bald einen jungen Herrn und bald ein Moͤpschen an.
Die Wirthinn geht und koͤmmt; und all ihr Thun belebet
Der freyen Sitten Reiz, die unſre Zeit erhebet.
Wer nennt ſo oft, wie ſie, Paris und große Welt,
Und mahlt mit hoͤherm Roth verbluͤhter Wangen Feld?
Doch, Muſe! ſteige ſelbſt von deinem ſteilen Huͤgel:
Criſpin fliegt immer hoch; ich ſchone meine Fluͤgel.
Steig auch einmal herab, und ſage mir getreu,
Was dieſen Tag geſchehn, wer hier geweſen ſey.
Die ſtille Galathee, die Spielerinn Chlorinde,
Nebſt Chloen, die ich ſtets bey ihrer Mutter finde;
Die fromme Dorilis, die ihren Ehmann plagt,
Und bis er mit ihr ſingt, ihm ihren Kuß verſagt:
Und andre mehr ſind hier, wovon die Muſe ſchweiget,
Weil ſich Selinde ſelbſt im hoͤhern Reize zeiget.
Wie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |