Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Sieg des Liebesgottes Jhr Schutzgeist aber warf sein trotzig Haupt empor,Und setzte seinen Schild den Pfeilen Amors vor. Welch unerträglich Bild! ein Liebesgott mit Pfeilen, Die mit verwegnem Flug auf schöne Busen eilen! Die alte Rüstung weg! wer wird so griechisch gehn? Allein die Muse sagts: die hat ihn doch gesehn. Sie hat mit angeschaut, wie seine Pfeile flogen, Geschnitzt aus leichtem Buchs: vergüldet war der Bogen; Und hätte sie nur Zeit, stets mahlerisch zu seyn: So sagte sie uns mehr; wir schliefen aber ein. Sie sah den güldnen Schild vor ihren Augen blitzen: Die Pfeile prallten ab mit umgebognen Spitzen. O welch verfluchter Geist! rief Amor voller Wuth; Geist närrscher Eitelkeit, Verächter süsser Glut! Soll sich Selinde nie zu ihrem Heil entschließen, Nur immer sieghaft seyn und keinen Sieg genießen? Und lernt sie nicht verstehn, wie schnell die Zeit verfliegt? Wie schnell die Schönheit welkt und wenig Jahre siegt? Wird, immer unruhvoll, sie nur Begierden fühlen, Die iedes Nichts entflammt und Augenblicke kühlen? Die Wollust selbst ist matt, wenn, kalt und unergetzt, Das Herz nicht Antheil nimmt, sich sträubt und widersetzt Selinde soll durch mich der Liebe Necktar schmecken: Jch will Natur und Wunsch in ihrer Brust erwecken: Jch will, verhaßter Geist, der mir zuwider ist! Und wenn Gewalt nicht hilft, so zittre vor der List. Er
Sieg des Liebesgottes Jhr Schutzgeiſt aber warf ſein trotzig Haupt empor,Und ſetzte ſeinen Schild den Pfeilen Amors vor. Welch unertraͤglich Bild! ein Liebesgott mit Pfeilen, Die mit verwegnem Flug auf ſchoͤne Buſen eilen! Die alte Ruͤſtung weg! wer wird ſo griechiſch gehn? Allein die Muſe ſagts: die hat ihn doch geſehn. Sie hat mit angeſchaut, wie ſeine Pfeile flogen, Geſchnitzt aus leichtem Buchs: verguͤldet war der Bogen; Und haͤtte ſie nur Zeit, ſtets mahleriſch zu ſeyn: So ſagte ſie uns mehr; wir ſchliefen aber ein. Sie ſah den guͤldnen Schild vor ihren Augen blitzen: Die Pfeile prallten ab mit umgebognen Spitzen. O welch verfluchter Geiſt! rief Amor voller Wuth; Geiſt naͤrrſcher Eitelkeit, Veraͤchter ſuͤſſer Glut! Soll ſich Selinde nie zu ihrem Heil entſchließen, Nur immer ſieghaft ſeyn und keinen Sieg genießen? Und lernt ſie nicht verſtehn, wie ſchnell die Zeit verfliegt? Wie ſchnell die Schoͤnheit welkt und wenig Jahre ſiegt? Wird, immer unruhvoll, ſie nur Begierden fuͤhlen, Die iedes Nichts entflammt und Augenblicke kuͤhlen? Die Wolluſt ſelbſt iſt matt, wenn, kalt und unergetzt, Das Herz nicht Antheil nimmt, ſich ſtraͤubt und widerſetzt Selinde ſoll durch mich der Liebe Necktar ſchmecken: Jch will Natur und Wunſch in ihrer Bruſt erwecken: Jch will, verhaßter Geiſt, der mir zuwider iſt! Und wenn Gewalt nicht hilft, ſo zittre vor der Liſt. Er
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="4"> <pb facs="#f0194" n="180"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Sieg des Liebesgottes</hi> </fw><lb/> <l>Jhr Schutzgeiſt aber warf ſein trotzig Haupt empor,</l><lb/> <l>Und ſetzte ſeinen Schild den Pfeilen Amors vor.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Welch unertraͤglich Bild! ein Liebesgott mit Pfeilen,</l><lb/> <l>Die mit verwegnem Flug auf ſchoͤne Buſen eilen!</l><lb/> <l>Die alte Ruͤſtung weg! wer wird ſo griechiſch gehn?</l><lb/> <l>Allein die Muſe ſagts: die hat ihn doch geſehn.</l><lb/> <l>Sie hat mit angeſchaut, wie ſeine Pfeile flogen,</l><lb/> <l>Geſchnitzt aus leichtem Buchs: verguͤldet war der Bogen;</l><lb/> <l>Und haͤtte ſie nur Zeit, ſtets mahleriſch zu ſeyn:</l><lb/> <l>So ſagte ſie uns mehr; wir ſchliefen aber ein.</l><lb/> <l>Sie ſah den guͤldnen Schild vor ihren Augen blitzen:</l><lb/> <l>Die Pfeile prallten ab mit umgebognen Spitzen.</l><lb/> <l>O welch verfluchter Geiſt! rief Amor voller Wuth;</l><lb/> <l>Geiſt naͤrrſcher Eitelkeit, Veraͤchter ſuͤſſer Glut!</l><lb/> <l>Soll ſich Selinde nie zu ihrem Heil entſchließen,</l><lb/> <l>Nur immer ſieghaft ſeyn und keinen Sieg genießen?</l><lb/> <l>Und lernt ſie nicht verſtehn, wie ſchnell die Zeit verfliegt?</l><lb/> <l>Wie ſchnell die Schoͤnheit welkt und wenig Jahre ſiegt?</l><lb/> <l>Wird, immer unruhvoll, ſie nur Begierden fuͤhlen,</l><lb/> <l>Die iedes Nichts entflammt und Augenblicke kuͤhlen?</l><lb/> <l>Die Wolluſt ſelbſt iſt matt, wenn, kalt und unergetzt,</l><lb/> <l>Das Herz nicht Antheil nimmt, ſich ſtraͤubt und widerſetzt</l><lb/> <l>Selinde ſoll durch mich der Liebe Necktar ſchmecken:</l><lb/> <l>Jch will Natur und Wunſch in ihrer Bruſt erwecken:</l><lb/> <l>Jch will, verhaßter Geiſt, der mir zuwider iſt!</l><lb/> <l>Und wenn Gewalt nicht hilft, ſo zittre vor der Liſt.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [180/0194]
Sieg des Liebesgottes
Jhr Schutzgeiſt aber warf ſein trotzig Haupt empor,
Und ſetzte ſeinen Schild den Pfeilen Amors vor.
Welch unertraͤglich Bild! ein Liebesgott mit Pfeilen,
Die mit verwegnem Flug auf ſchoͤne Buſen eilen!
Die alte Ruͤſtung weg! wer wird ſo griechiſch gehn?
Allein die Muſe ſagts: die hat ihn doch geſehn.
Sie hat mit angeſchaut, wie ſeine Pfeile flogen,
Geſchnitzt aus leichtem Buchs: verguͤldet war der Bogen;
Und haͤtte ſie nur Zeit, ſtets mahleriſch zu ſeyn:
So ſagte ſie uns mehr; wir ſchliefen aber ein.
Sie ſah den guͤldnen Schild vor ihren Augen blitzen:
Die Pfeile prallten ab mit umgebognen Spitzen.
O welch verfluchter Geiſt! rief Amor voller Wuth;
Geiſt naͤrrſcher Eitelkeit, Veraͤchter ſuͤſſer Glut!
Soll ſich Selinde nie zu ihrem Heil entſchließen,
Nur immer ſieghaft ſeyn und keinen Sieg genießen?
Und lernt ſie nicht verſtehn, wie ſchnell die Zeit verfliegt?
Wie ſchnell die Schoͤnheit welkt und wenig Jahre ſiegt?
Wird, immer unruhvoll, ſie nur Begierden fuͤhlen,
Die iedes Nichts entflammt und Augenblicke kuͤhlen?
Die Wolluſt ſelbſt iſt matt, wenn, kalt und unergetzt,
Das Herz nicht Antheil nimmt, ſich ſtraͤubt und widerſetzt
Selinde ſoll durch mich der Liebe Necktar ſchmecken:
Jch will Natur und Wunſch in ihrer Bruſt erwecken:
Jch will, verhaßter Geiſt, der mir zuwider iſt!
Und wenn Gewalt nicht hilft, ſo zittre vor der Liſt.
Er
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |