Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Ein Gedicht. Sie schwatzte so vertieft, vielleicht, wie ich vermuthe,Von Pflicht und keuschem Stolz und von dem höchsten Gute; Daß ihr verirrter Fuß in finstre Büsche kam, Wo ihre Geistigkeit ein sinnlich Ende nahm. Auch Chloe wagt sich hin: sie, die erst aufgeblühet, Und sich um neuen Putz und nicht um Witz bemühet, Wie ihre Mutter denkt, wie ihre Köchinn spricht, Hört dem Magister zu; versteht ihn aber nicht. Nachdem zween Sommer lang der Mann sich blaß gelesen, Und nun aus Wolfen weis, was beste Welt und Wesen Und Lieb und Schönheit sind: so wünscht sein menschlich Herz Nun auch verliebte Lust und ungelehrten Scherz. Er fühlet sich bereit, nach ehlichen Gesetzen An seiner Chloen Werth sich sinnlich zu ergetzen; Und folglich liebt er sie, und fraget mit Geschrey, Ob sie nicht auch entzückt von seinem Werthe sey. Das unschuldvolle Kind! was hat sie ihm zu sagen? Sie weis nur Ja und Nein; und weil auf seine Fragen Sie deren keines wählt, und keine Mutter sieht, Erröthet sie, verstummt, weint endlich und entflieht. Der süsse Selimor, der zärtliche Dorante, Selinde, Lesbia, die allen Zwang verbannte, Verweilten um den Ort, wo rauschend Wasser sprang, Das eines Tritons Mund aus krummem Horne zwang. Dort glänzte Tyndaris, von Marmor ausgehauen: Jhr holdes Angesicht wies Liebe, Scham und Grauen, Und M 4
Ein Gedicht. Sie ſchwatzte ſo vertieft, vielleicht, wie ich vermuthe,Von Pflicht und keuſchem Stolz und von dem hoͤchſten Gute; Daß ihr verirrter Fuß in finſtre Buͤſche kam, Wo ihre Geiſtigkeit ein ſinnlich Ende nahm. Auch Chloe wagt ſich hin: ſie, die erſt aufgebluͤhet, Und ſich um neuen Putz und nicht um Witz bemuͤhet, Wie ihre Mutter denkt, wie ihre Koͤchinn ſpricht, Hoͤrt dem Magiſter zu; verſteht ihn aber nicht. Nachdem zween Sommer lang der Mann ſich blaß geleſen, Und nun aus Wolfen weis, was beſte Welt und Weſen Und Lieb und Schoͤnheit ſind: ſo wuͤnſcht ſein menſchlich Herz Nun auch verliebte Luſt und ungelehrten Scherz. Er fuͤhlet ſich bereit, nach ehlichen Geſetzen An ſeiner Chloen Werth ſich ſinnlich zu ergetzen; Und folglich liebt er ſie, und fraget mit Geſchrey, Ob ſie nicht auch entzuͤckt von ſeinem Werthe ſey. Das unſchuldvolle Kind! was hat ſie ihm zu ſagen? Sie weis nur Ja und Nein; und weil auf ſeine Fragen Sie deren keines waͤhlt, und keine Mutter ſieht, Erroͤthet ſie, verſtummt, weint endlich und entflieht. Der ſuͤſſe Selimor, der zaͤrtliche Dorante, Selinde, Lesbia, die allen Zwang verbannte, Verweilten um den Ort, wo rauſchend Waſſer ſprang, Das eines Tritons Mund aus krummem Horne zwang. Dort glaͤnzte Tyndaris, von Marmor ausgehauen: Jhr holdes Angeſicht wies Liebe, Scham und Grauen, Und M 4
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Ein Gedicht.
Sie ſchwatzte ſo vertieft, vielleicht, wie ich vermuthe,
Von Pflicht und keuſchem Stolz und von dem hoͤchſten Gute;
Daß ihr verirrter Fuß in finſtre Buͤſche kam,
Wo ihre Geiſtigkeit ein ſinnlich Ende nahm.
Auch Chloe wagt ſich hin: ſie, die erſt aufgebluͤhet,
Und ſich um neuen Putz und nicht um Witz bemuͤhet,
Wie ihre Mutter denkt, wie ihre Koͤchinn ſpricht,
Hoͤrt dem Magiſter zu; verſteht ihn aber nicht.
Nachdem zween Sommer lang der Mann ſich blaß geleſen,
Und nun aus Wolfen weis, was beſte Welt und Weſen
Und Lieb und Schoͤnheit ſind: ſo wuͤnſcht ſein menſchlich Herz
Nun auch verliebte Luſt und ungelehrten Scherz.
Er fuͤhlet ſich bereit, nach ehlichen Geſetzen
An ſeiner Chloen Werth ſich ſinnlich zu ergetzen;
Und folglich liebt er ſie, und fraget mit Geſchrey,
Ob ſie nicht auch entzuͤckt von ſeinem Werthe ſey.
Das unſchuldvolle Kind! was hat ſie ihm zu ſagen?
Sie weis nur Ja und Nein; und weil auf ſeine Fragen
Sie deren keines waͤhlt, und keine Mutter ſieht,
Erroͤthet ſie, verſtummt, weint endlich und entflieht.
Der ſuͤſſe Selimor, der zaͤrtliche Dorante,
Selinde, Lesbia, die allen Zwang verbannte,
Verweilten um den Ort, wo rauſchend Waſſer ſprang,
Das eines Tritons Mund aus krummem Horne zwang.
Dort glaͤnzte Tyndaris, von Marmor ausgehauen:
Jhr holdes Angeſicht wies Liebe, Scham und Grauen,
Und
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