Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Briefe. zwey verschiedene Thore, welche, wie ich hernach zu er-fahren Gelegenheit hatte, auch zu verschiedenen Wegen leiteten. Der eine, welcher der gebahnteste schien, düf- tete von den lieblichsten Bluhmen aller Arten. Diejeni- gen, die auf demselben in den Tempel kamen, räucherten insgemein den ehrwürdigsten Dichtern Griechenlands, Roms und Frankreichs, und besungen ihr Lob, wenigstens in einem verständlichen Deutsch und unter dem Getöne des Reims. Hingegen die übrigen, die auf dem andern Pfade wandelten, der sehr rauh und überhaupt nicht eben der lustigste zu seyn schien, verschwendeten allen ihren Weihrauch bey einer dem Homer gegenüberstehenden brittischen Statue von schwarzem Marmor: sie sungen ihm zu Ehren uranische Lobgesänge voll Olymp und zu gleicher Zeit voll mizraimischer Finsterniß, in seltsamen Versarten, die sie mit gewißen griechischen Nahmen gütig beehrten. Jhr Liebling, unerquickt vom güldnen Sonnenlichte Stund mit erstauntem Angesichte, Dem Hoheit eines Gotts aus vielen Zügen sah, Voll feuriger Entzückung, da: Und Engel, Teufel, Himmel, Hölle Vermischten, unverwirrt, sich an dem Fußgestelle. Für ihn, den Deutschland halb vergöttert, halb ver- dammt, Für ihn und andre junge Britten, Aus derer Augen selbst, wie oft aus ihren Sitten, Was kühnes und fast wildes flammt; Steigt
Briefe. zwey verſchiedene Thore, welche, wie ich hernach zu er-fahren Gelegenheit hatte, auch zu verſchiedenen Wegen leiteten. Der eine, welcher der gebahnteſte ſchien, duͤf- tete von den lieblichſten Bluhmen aller Arten. Diejeni- gen, die auf demſelben in den Tempel kamen, raͤucherten insgemein den ehrwuͤrdigſten Dichtern Griechenlands, Roms und Frankreichs, und beſungen ihr Lob, wenigſtens in einem verſtaͤndlichen Deutſch und unter dem Getoͤne des Reims. Hingegen die uͤbrigen, die auf dem andern Pfade wandelten, der ſehr rauh und uͤberhaupt nicht eben der luſtigſte zu ſeyn ſchien, verſchwendeten allen ihren Weihrauch bey einer dem Homer gegenuͤberſtehenden brittiſchen Statue von ſchwarzem Marmor: ſie ſungen ihm zu Ehren uraniſche Lobgeſaͤnge voll Olymp und zu gleicher Zeit voll mizraimiſcher Finſterniß, in ſeltſamen Versarten, die ſie mit gewißen griechiſchen Nahmen guͤtig beehrten. Jhr Liebling, unerquickt vom guͤldnen Sonnenlichte Stund mit erſtauntem Angeſichte, Dem Hoheit eines Gotts aus vielen Zuͤgen ſah, Voll feuriger Entzuͤckung, da: Und Engel, Teufel, Himmel, Hoͤlle Vermiſchten, unverwirrt, ſich an dem Fußgeſtelle. Fuͤr ihn, den Deutſchland halb vergoͤttert, halb ver- dammt, Fuͤr ihn und andre junge Britten, Aus derer Augen ſelbſt, wie oft aus ihren Sitten, Was kuͤhnes und faſt wildes flammt; Steigt
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Briefe.
zwey verſchiedene Thore, welche, wie ich hernach zu er-
fahren Gelegenheit hatte, auch zu verſchiedenen Wegen
leiteten. Der eine, welcher der gebahnteſte ſchien, duͤf-
tete von den lieblichſten Bluhmen aller Arten. Diejeni-
gen, die auf demſelben in den Tempel kamen, raͤucherten
insgemein den ehrwuͤrdigſten Dichtern Griechenlands,
Roms und Frankreichs, und beſungen ihr Lob, wenigſtens
in einem verſtaͤndlichen Deutſch und unter dem Getoͤne
des Reims. Hingegen die uͤbrigen, die auf dem andern
Pfade wandelten, der ſehr rauh und uͤberhaupt nicht eben
der luſtigſte zu ſeyn ſchien, verſchwendeten allen ihren
Weihrauch bey einer dem Homer gegenuͤberſtehenden
brittiſchen Statue von ſchwarzem Marmor: ſie ſungen
ihm zu Ehren uraniſche Lobgeſaͤnge voll Olymp und zu
gleicher Zeit voll mizraimiſcher Finſterniß, in ſeltſamen
Versarten, die ſie mit gewißen griechiſchen Nahmen
guͤtig beehrten.
Jhr Liebling, unerquickt vom guͤldnen Sonnenlichte
Stund mit erſtauntem Angeſichte,
Dem Hoheit eines Gotts aus vielen Zuͤgen ſah,
Voll feuriger Entzuͤckung, da:
Und Engel, Teufel, Himmel, Hoͤlle
Vermiſchten, unverwirrt, ſich an dem Fußgeſtelle.
Fuͤr ihn, den Deutſchland halb vergoͤttert, halb ver-
dammt,
Fuͤr ihn und andre junge Britten,
Aus derer Augen ſelbſt, wie oft aus ihren Sitten,
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