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Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

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Briefe.
Jch sah, wie alles dieses Volk, bis auf wenige Perso-
nen, die bey den Dichtern des Alterthums ruhig stunden,
sich in zween Haufen getheilet, ieder derselben aber seinen
Liebling hatte, dessen marmorne Statue sie bey Milton
oder Virgilen aufzurichten suchten, und von andern sich
daran verhindert sahen. Jeder Theil hatte gewisse pa-
pierne Posaunen zu seinem Dienste, die mit einem lau-
ten, oft beschwerlichen Gekreische vor dem Bilde hergien-
gen; indeß ihnen die Gegenparthey mit kleinen hellen Stu-
tzer-Pfeifchen antwortete. Jch hörte höhnisch lachen
und mit unter auch schimpfen: ja einige warfen sogar
mit Kothe nach dem Helden des Gegentheils; und diese
schienen wohl eifrige, doch nicht eben die fürchterlichsten
Feinde zu seyn. Jndessen wuchs der Streit, und das
Getöse nahm überhand.

Wie, wann der schwarzumwölkte Süd,
Auf dessen finstrer Stirn ein wüthend Feuer glüht,
Am regenvollen Himmel brüllet,
Und ihm aus Scythien, in schauernd Eis verhüllet,
Der kalte Nord entgegen zieht;
Von ihrem Kampf die Luft erzittert,
Der Erden Veste bebt, und im erschrocknen Hayn
Was sich nicht beuget, kracht und splittert,
Und alles taumelnd seufzt, vom furchtbarn Sturm
erschüttert:
So nahm Getös und Lärm den ganzen Tempel ein:
Als
Q 2

Briefe.
Jch ſah, wie alles dieſes Volk, bis auf wenige Perſo-
nen, die bey den Dichtern des Alterthums ruhig ſtunden,
ſich in zween Haufen getheilet, ieder derſelben aber ſeinen
Liebling hatte, deſſen marmorne Statue ſie bey Milton
oder Virgilen aufzurichten ſuchten, und von andern ſich
daran verhindert ſahen. Jeder Theil hatte gewiſſe pa-
pierne Poſaunen zu ſeinem Dienſte, die mit einem lau-
ten, oft beſchwerlichen Gekreiſche vor dem Bilde hergien-
gen; indeß ihnen die Gegenparthey mit kleinen hellen Stu-
tzer-Pfeifchen antwortete. Jch hoͤrte hoͤhniſch lachen
und mit unter auch ſchimpfen: ja einige warfen ſogar
mit Kothe nach dem Helden des Gegentheils; und dieſe
ſchienen wohl eifrige, doch nicht eben die fuͤrchterlichſten
Feinde zu ſeyn. Jndeſſen wuchs der Streit, und das
Getoͤſe nahm uͤberhand.

Wie, wann der ſchwarzumwoͤlkte Suͤd,
Auf deſſen finſtrer Stirn ein wuͤthend Feuer gluͤht,
Am regenvollen Himmel bruͤllet,
Und ihm aus Scythien, in ſchauernd Eis verhuͤllet,
Der kalte Nord entgegen zieht;
Von ihrem Kampf die Luft erzittert,
Der Erden Veſte bebt, und im erſchrocknen Hayn
Was ſich nicht beuget, kracht und ſplittert,
Und alles taumelnd ſeufzt, vom furchtbarn Sturm
erſchuͤttert:
So nahm Getoͤs und Laͤrm den ganzen Tempel ein:
Als
Q 2
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[243/0257] Briefe. Jch ſah, wie alles dieſes Volk, bis auf wenige Perſo- nen, die bey den Dichtern des Alterthums ruhig ſtunden, ſich in zween Haufen getheilet, ieder derſelben aber ſeinen Liebling hatte, deſſen marmorne Statue ſie bey Milton oder Virgilen aufzurichten ſuchten, und von andern ſich daran verhindert ſahen. Jeder Theil hatte gewiſſe pa- pierne Poſaunen zu ſeinem Dienſte, die mit einem lau- ten, oft beſchwerlichen Gekreiſche vor dem Bilde hergien- gen; indeß ihnen die Gegenparthey mit kleinen hellen Stu- tzer-Pfeifchen antwortete. Jch hoͤrte hoͤhniſch lachen und mit unter auch ſchimpfen: ja einige warfen ſogar mit Kothe nach dem Helden des Gegentheils; und dieſe ſchienen wohl eifrige, doch nicht eben die fuͤrchterlichſten Feinde zu ſeyn. Jndeſſen wuchs der Streit, und das Getoͤſe nahm uͤberhand. Wie, wann der ſchwarzumwoͤlkte Suͤd, Auf deſſen finſtrer Stirn ein wuͤthend Feuer gluͤht, Am regenvollen Himmel bruͤllet, Und ihm aus Scythien, in ſchauernd Eis verhuͤllet, Der kalte Nord entgegen zieht; Von ihrem Kampf die Luft erzittert, Der Erden Veſte bebt, und im erſchrocknen Hayn Was ſich nicht beuget, kracht und ſplittert, Und alles taumelnd ſeufzt, vom furchtbarn Sturm erſchuͤttert: So nahm Getoͤs und Laͤrm den ganzen Tempel ein: Als Q 2

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Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/257>, abgerufen am 21.11.2024.