Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Lyrische Gedichte Hier unterbrach die langen Klagen Der Traumgott voller Ungeduld, Und sprach: o Göttinn! darf ichs wagen; So höre mich mit gleicher Huld. So müsse dir der Weltkreis fröhnen, Und Amors Bogen sey beglückt, Solang auf Wangen junger Schönen Ein blühend Morgenroth entzückt! Jch muß der frommen Mädchen lachen: Sie träumen von verliebter Lust! Welch Wunder? herrscht, wann Mädchen wachen, Die Liebe nicht in ihrer Brust? Jch weis, was ieder Schönen fehlet, Um die mein stiller Fittig spielt; Und sehe was ihr Herz verhehlet, Und oft sie selbst nur dunkel fühlt. Manch Mädchen prangt mit scheuer Tugend, Das ingeheim zu Amorn fleht, Wann itzt im Frühling muntrer Jugend Jhr Busen in der Fülle steht. Sie seufzt, und, o gerechter Kummer! Es jammert mich der Schäferinn: Jch führe sie bey frühem Schlummer Jn ihres Hirten Arme hin. Liebt
Lyriſche Gedichte Hier unterbrach die langen Klagen Der Traumgott voller Ungeduld, Und ſprach: o Goͤttinn! darf ichs wagen; So hoͤre mich mit gleicher Huld. So muͤſſe dir der Weltkreis froͤhnen, Und Amors Bogen ſey begluͤckt, Solang auf Wangen junger Schoͤnen Ein bluͤhend Morgenroth entzuͤckt! Jch muß der frommen Maͤdchen lachen: Sie traͤumen von verliebter Luſt! Welch Wunder? herrſcht, wann Maͤdchen wachen, Die Liebe nicht in ihrer Bruſt? Jch weis, was ieder Schoͤnen fehlet, Um die mein ſtiller Fittig ſpielt; Und ſehe was ihr Herz verhehlet, Und oft ſie ſelbſt nur dunkel fuͤhlt. Manch Maͤdchen prangt mit ſcheuer Tugend, Das ingeheim zu Amorn fleht, Wann itzt im Fruͤhling muntrer Jugend Jhr Buſen in der Fuͤlle ſteht. Sie ſeufzt, und, o gerechter Kummer! Es jammert mich der Schaͤferinn: Jch fuͤhre ſie bey fruͤhem Schlummer Jn ihres Hirten Arme hin. Liebt
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Lyriſche Gedichte
Hier unterbrach die langen Klagen
Der Traumgott voller Ungeduld,
Und ſprach: o Goͤttinn! darf ichs wagen;
So hoͤre mich mit gleicher Huld.
So muͤſſe dir der Weltkreis froͤhnen,
Und Amors Bogen ſey begluͤckt,
Solang auf Wangen junger Schoͤnen
Ein bluͤhend Morgenroth entzuͤckt!
Jch muß der frommen Maͤdchen lachen:
Sie traͤumen von verliebter Luſt!
Welch Wunder? herrſcht, wann Maͤdchen wachen,
Die Liebe nicht in ihrer Bruſt?
Jch weis, was ieder Schoͤnen fehlet,
Um die mein ſtiller Fittig ſpielt;
Und ſehe was ihr Herz verhehlet,
Und oft ſie ſelbſt nur dunkel fuͤhlt.
Manch Maͤdchen prangt mit ſcheuer Tugend,
Das ingeheim zu Amorn fleht,
Wann itzt im Fruͤhling muntrer Jugend
Jhr Buſen in der Fuͤlle ſteht.
Sie ſeufzt, und, o gerechter Kummer!
Es jammert mich der Schaͤferinn:
Jch fuͤhre ſie bey fruͤhem Schlummer
Jn ihres Hirten Arme hin.
Liebt
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