Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.Höhere Sinne. Auge. das Entstehen einer wahren vorderen Augenkammer, bedeutendeVeränderungen. Es verbindet sich nämlich zum Theil mit den Gefässen der Regenbogenhaut, so dass nun seine vordere Wand mit dieser in eine innigere Gemeinschaft tritt. Da aber der frei liegende Theil der Linse immer kleiner wird, indem sie sich so- wohl von vorn nach hinten zurückzieht, als auch die Iris von aussen nach innen gegen das Centrum ihrer Vorderfläche eindringt, so entsteht in dem Kapselpupillarsacke eine Art von Einschnü- rung, welche in der Pupille am grössten ist. Nach hinten dage- gen erweitert sich die Membran wieder, um dann die hintere Wand der hinteren Linsenkapselabtheilung zu umkleiden. So entsteht eine dreifache Differenz in dem Kapselpupillarsacke, näm- lich nach vorn die Membrana pupillaris, nach den Seiten die capsulo-pupillaris und hinten die gefässreiche hintere Linsenkap- selwand. Daher finden wir auch die Pupillarmembran bei Säu- gethieren der Linse um so näher und die capsulo-pupillaris um so kürzer, je jünger der Embryo ist. Daher schreitet auch das Wachsthum der Letzteren in gleichem Verhältnisse mit dem Zu- rücktreten der Linse und das der Einschnürung mit der Vergrö- sserung der Iris in gleichem Grade fort, während die hintere ge- fässreiche Linsenkapselwand nur der Ausbildung und Grösse der Linse und Linsenkapsel immer parallel läuft. So sieht man bei dem Menschen noch in der eilften Woche den Kaspelpupillarsack als ein Gefässblatt, welches die hintere Fläche der Linsenkapsel überzieht, sich an den Seitenrändern derselben umschlägt, einen grossen Theil des äusseren Umkreises der vorderen Fläche dersel- ben ringförmig bedeckt und nur einen kleinen Kreis der vorde- ren Linsenkapselwand frei lässt, welches vielleicht zu Ammons Angabe (Zeitschr. II. S. 511.) Anlass gegeben hat, dass um diese Zeit die vordere Linsenkapselwand ganz fehle. -- Innerhalb die- ses Sackes bildet sich nun die gefässlose Linsenkapsel fort. Von aussen dagegen wird der Kapselpupillarsack wahrscheinlich eben- falls von einer gefässlosen Membran umgeben, nämlich von der von mir zuerst beschriebenen Haut (Ammons Zeitschr. 1833. Hft. 3. u. 4.), welche ich nun auch in dem Auge menschlicher Embryonen aus der letzten Hälfte des dritten Monates gefunden und Purkinje gezeigt habe. Nach hinten zu dagegen liegt die gefässreiche hin- tere Linsenkapselwand bei einem injicirten menschlichen Embryo nicht frei, sondern von einer körnigen Membran bedeckt. In wel- Höhere Sinne. Auge. das Entstehen einer wahren vorderen Augenkammer, bedeutendeVeränderungen. Es verbindet sich nämlich zum Theil mit den Gefäſsen der Regenbogenhaut, so daſs nun seine vordere Wand mit dieser in eine innigere Gemeinschaft tritt. Da aber der frei liegende Theil der Linse immer kleiner wird, indem sie sich so- wohl von vorn nach hinten zurückzieht, als auch die Iris von auſsen nach innen gegen das Centrum ihrer Vorderfläche eindringt, so entsteht in dem Kapselpupillarsacke eine Art von Einschnü- rung, welche in der Pupille am gröſsten ist. Nach hinten dage- gen erweitert sich die Membran wieder, um dann die hintere Wand der hinteren Linsenkapselabtheilung zu umkleiden. So entsteht eine dreifache Differenz in dem Kapselpupillarsacke, näm- lich nach vorn die Membrana pupillaris, nach den Seiten die capsulo-pupillaris und hinten die gefäſsreiche hintere Linsenkap- selwand. Daher finden wir auch die Pupillarmembran bei Säu- gethieren der Linse um so näher und die capsulo-pupillaris um so kürzer, je jünger der Embryo ist. Daher schreitet auch das Wachsthum der Letzteren in gleichem Verhältnisse mit dem Zu- rücktreten der Linse und das der Einschnürung mit der Vergrö- ſserung der Iris in gleichem Grade fort, während die hintere ge- fäſsreiche Linsenkapselwand nur der Ausbildung und Gröſse der Linse und Linsenkapsel immer parallel läuft. So sieht man bei dem Menschen noch in der eilften Woche den Kaspelpupillarsack als ein Gefäſsblatt, welches die hintere Fläche der Linsenkapsel überzieht, sich an den Seitenrändern derselben umschlägt, einen groſsen Theil des äuſseren Umkreises der vorderen Fläche dersel- ben ringförmig bedeckt und nur einen kleinen Kreis der vorde- ren Linsenkapselwand frei läſst, welches vielleicht zu Ammons Angabe (Zeitschr. II. S. 511.) Anlaſs gegeben hat, daſs um diese Zeit die vordere Linsenkapselwand ganz fehle. — Innerhalb die- ses Sackes bildet sich nun die gefäſslose Linsenkapsel fort. Von auſsen dagegen wird der Kapselpupillarsack wahrscheinlich eben- falls von einer gefäſslosen Membran umgeben, nämlich von der von mir zuerst beschriebenen Haut (Ammons Zeitschr. 1833. Hft. 3. u. 4.), welche ich nun auch in dem Auge menschlicher Embryonen aus der letzten Hälfte des dritten Monates gefunden und Purkinje gezeigt habe. Nach hinten zu dagegen liegt die gefäſsreiche hin- tere Linsenkapselwand bei einem injicirten menschlichen Embryo nicht frei, sondern von einer körnigen Membran bedeckt. In wel- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0227" n="199"/><fw place="top" type="header">Höhere Sinne. Auge.</fw><lb/> das Entstehen einer wahren vorderen Augenkammer, bedeutende<lb/> Veränderungen. Es verbindet sich nämlich zum Theil mit den<lb/> Gefäſsen der Regenbogenhaut, so daſs nun seine vordere Wand<lb/> mit dieser in eine innigere Gemeinschaft tritt. Da aber der frei<lb/> liegende Theil der Linse immer kleiner wird, indem sie sich so-<lb/> wohl von vorn nach hinten zurückzieht, als auch die Iris von<lb/> auſsen nach innen gegen das Centrum ihrer Vorderfläche eindringt,<lb/> so entsteht in dem Kapselpupillarsacke eine Art von Einschnü-<lb/> rung, welche in der Pupille am gröſsten ist. Nach hinten dage-<lb/> gen erweitert sich die Membran wieder, um dann die hintere<lb/> Wand der hinteren Linsenkapselabtheilung zu umkleiden. So<lb/> entsteht eine dreifache Differenz in dem Kapselpupillarsacke, näm-<lb/> lich nach vorn die <hi rendition="#i">Membrana pupillaris</hi>, nach den Seiten die<lb/><hi rendition="#i">capsulo-pupillaris</hi> und hinten die gefäſsreiche hintere Linsenkap-<lb/> selwand. Daher finden wir auch die Pupillarmembran bei Säu-<lb/> gethieren der Linse um so näher und die <hi rendition="#i">capsulo-pupillaris</hi> um<lb/> so kürzer, je jünger der Embryo ist. Daher schreitet auch das<lb/> Wachsthum der Letzteren in gleichem Verhältnisse mit dem Zu-<lb/> rücktreten der Linse und das der Einschnürung mit der Vergrö-<lb/> ſserung der Iris in gleichem Grade fort, während die hintere ge-<lb/> fäſsreiche Linsenkapselwand nur der Ausbildung und Gröſse der<lb/> Linse und Linsenkapsel immer parallel läuft. So sieht man bei<lb/> dem Menschen noch in der eilften Woche den Kaspelpupillarsack<lb/> als ein Gefäſsblatt, welches die hintere Fläche der Linsenkapsel<lb/> überzieht, sich an den Seitenrändern derselben umschlägt, einen<lb/> groſsen Theil des äuſseren Umkreises der vorderen Fläche dersel-<lb/> ben ringförmig bedeckt und nur einen kleinen Kreis der vorde-<lb/> ren Linsenkapselwand frei läſst, welches vielleicht zu Ammons<lb/> Angabe (Zeitschr. II. S. 511.) Anlaſs gegeben hat, daſs um diese<lb/> Zeit die vordere Linsenkapselwand ganz fehle. — Innerhalb die-<lb/> ses Sackes bildet sich nun die gefäſslose Linsenkapsel fort. Von<lb/> auſsen dagegen wird der Kapselpupillarsack wahrscheinlich eben-<lb/> falls von einer gefäſslosen Membran umgeben, nämlich von der von<lb/> mir zuerst beschriebenen Haut (Ammons Zeitschr. 1833. Hft. 3. u.<lb/> 4.), welche ich nun auch in dem Auge menschlicher Embryonen<lb/> aus der letzten Hälfte des dritten Monates gefunden und Purkinje<lb/> gezeigt habe. Nach hinten zu dagegen liegt die gefäſsreiche hin-<lb/> tere Linsenkapselwand bei einem injicirten menschlichen Embryo<lb/> nicht frei, sondern von einer körnigen Membran bedeckt. In wel-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [199/0227]
Höhere Sinne. Auge.
das Entstehen einer wahren vorderen Augenkammer, bedeutende
Veränderungen. Es verbindet sich nämlich zum Theil mit den
Gefäſsen der Regenbogenhaut, so daſs nun seine vordere Wand
mit dieser in eine innigere Gemeinschaft tritt. Da aber der frei
liegende Theil der Linse immer kleiner wird, indem sie sich so-
wohl von vorn nach hinten zurückzieht, als auch die Iris von
auſsen nach innen gegen das Centrum ihrer Vorderfläche eindringt,
so entsteht in dem Kapselpupillarsacke eine Art von Einschnü-
rung, welche in der Pupille am gröſsten ist. Nach hinten dage-
gen erweitert sich die Membran wieder, um dann die hintere
Wand der hinteren Linsenkapselabtheilung zu umkleiden. So
entsteht eine dreifache Differenz in dem Kapselpupillarsacke, näm-
lich nach vorn die Membrana pupillaris, nach den Seiten die
capsulo-pupillaris und hinten die gefäſsreiche hintere Linsenkap-
selwand. Daher finden wir auch die Pupillarmembran bei Säu-
gethieren der Linse um so näher und die capsulo-pupillaris um
so kürzer, je jünger der Embryo ist. Daher schreitet auch das
Wachsthum der Letzteren in gleichem Verhältnisse mit dem Zu-
rücktreten der Linse und das der Einschnürung mit der Vergrö-
ſserung der Iris in gleichem Grade fort, während die hintere ge-
fäſsreiche Linsenkapselwand nur der Ausbildung und Gröſse der
Linse und Linsenkapsel immer parallel läuft. So sieht man bei
dem Menschen noch in der eilften Woche den Kaspelpupillarsack
als ein Gefäſsblatt, welches die hintere Fläche der Linsenkapsel
überzieht, sich an den Seitenrändern derselben umschlägt, einen
groſsen Theil des äuſseren Umkreises der vorderen Fläche dersel-
ben ringförmig bedeckt und nur einen kleinen Kreis der vorde-
ren Linsenkapselwand frei läſst, welches vielleicht zu Ammons
Angabe (Zeitschr. II. S. 511.) Anlaſs gegeben hat, daſs um diese
Zeit die vordere Linsenkapselwand ganz fehle. — Innerhalb die-
ses Sackes bildet sich nun die gefäſslose Linsenkapsel fort. Von
auſsen dagegen wird der Kapselpupillarsack wahrscheinlich eben-
falls von einer gefäſslosen Membran umgeben, nämlich von der von
mir zuerst beschriebenen Haut (Ammons Zeitschr. 1833. Hft. 3. u.
4.), welche ich nun auch in dem Auge menschlicher Embryonen
aus der letzten Hälfte des dritten Monates gefunden und Purkinje
gezeigt habe. Nach hinten zu dagegen liegt die gefäſsreiche hin-
tere Linsenkapselwand bei einem injicirten menschlichen Embryo
nicht frei, sondern von einer körnigen Membran bedeckt. In wel-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |