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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Von dem Embryo.
geschlossene Oeffnung der Labyrintheinsackung stösst, deren äussere
Wand aber offenbar den Visceralplatten angehört. Schon zu der
Zeit, wo Eustachische Trompete und Trommelhöhle eine kegel-
förmige oder pyramidale Grube noch ausmachen, wächst, wie ich
an einem siebenwöchentlichen menschlichen Embryo gesehen habe,
an der Schliessungsstelle der früheren Labyrintheinsackung eine
rundliche, pyramidale Warze hervor und unter und etwas hinter
derselben eine ähnliche dickere Warze. Die erstere ist, wie der
Erfolg lehrt, das Rudiment des Steigbügels, die letztere des Am-
bosses und Hammers. Die äussere Oeffnung der Paukenhöhle ist
um diese Zeit, nicht bloss durch eine feine Hautlamelle, sondern auch
durch körnige Substanz der Visceralplatten verschlossen. Zog
ich nämlich die dünne obere Haut genau hinweg, so war es mir
nicht möglich, eine Oeffnung zu sehen oder ein Haar einzubrin-
gen. Als ich aber die Stelle mit einem feinen Staarmesser spal-
tete, sah ich deutlich eine Schicht körnerhaltigen Bildungsgewe-
bes über dem äusseren Ende der Paukenhöhle liegen. Sollte die-
ses etwa die erste Andeutung des knöchernen Gehörganges und
des äusseren Ohres gewesen seyn, die wie die Extremitätengrund-
lagen (s. unten) aus der Körnchenschicht des peripherischen Thei-
les des serösen Blattes entstehen? -- So wird nun erst während des
weiteren Verlaufes der Entwickelung Paukenhöhle von Eustachi-
scher Trompete abgegrenzt, indem die letztere an Länge zu, an
Breite aber relativ abnimmt. Die Paukenhöhle ist nach Meckel
(l. c. S. 44.) während des Fötallebens mit einer dicken, gallert-
artigen Flüssigkeit erfüllt und wird nach Burdach (l. c. S. 465.)
vom vierten Monate an grösser, hat aber im achten ihre relative
Grösse erreicht. Nach Cassebohm (l. c. §. 47. p. 111.) bleibt das
foramen ovale und rotundum vom siebenten Monate in seiner
Ausbildung stehen. Der Trommelfellring ist in der eilften Woche
schon als ein zarter, zierlicher, circulärer Knochenstreif wahrzu-
nehmen und lässt den sulcus transversus deutlich erkennen.
Er hat in früherer Zeit eine mehr horizontale Richtung und ver-
grössert sich nach Burdach (l. c. S. 466.) bis zum siebenten bis
achten Monate. Im dritten Monate sah Cassebohm (l. c. p. 26.
§. 63.) in ihm longitudinelle Fasern, welche aber nicht ganz um
ihm herumliefen, sondern sich zum Theil frei an der Oberfläche
endigten. Nach ihm (l. c. p. 29. §. 71.) ist auch der sulcus im
vierten bis fünften Monate sehr tief und verengert sich mehr bei

Von dem Embryo.
geschlossene Oeffnung der Labyrintheinsackung stöſst, deren äuſsere
Wand aber offenbar den Visceralplatten angehört. Schon zu der
Zeit, wo Eustachische Trompete und Trommelhöhle eine kegel-
förmige oder pyramidale Grube noch ausmachen, wächst, wie ich
an einem siebenwöchentlichen menschlichen Embryo gesehen habe,
an der Schlieſsungsstelle der früheren Labyrintheinsackung eine
rundliche, pyramidale Warze hervor und unter und etwas hinter
derselben eine ähnliche dickere Warze. Die erstere ist, wie der
Erfolg lehrt, das Rudiment des Steigbügels, die letztere des Am-
bosses und Hammers. Die äuſsere Oeffnung der Paukenhöhle ist
um diese Zeit, nicht bloſs durch eine feine Hautlamelle, sondern auch
durch körnige Substanz der Visceralplatten verschlossen. Zog
ich nämlich die dünne obere Haut genau hinweg, so war es mir
nicht möglich, eine Oeffnung zu sehen oder ein Haar einzubrin-
gen. Als ich aber die Stelle mit einem feinen Staarmesser spal-
tete, sah ich deutlich eine Schicht körnerhaltigen Bildungsgewe-
bes über dem äuſseren Ende der Paukenhöhle liegen. Sollte die-
ses etwa die erste Andeutung des knöchernen Gehörganges und
des äuſseren Ohres gewesen seyn, die wie die Extremitätengrund-
lagen (s. unten) aus der Körnchenschicht des peripherischen Thei-
les des serösen Blattes entstehen? — So wird nun erst während des
weiteren Verlaufes der Entwickelung Paukenhöhle von Eustachi-
scher Trompete abgegrenzt, indem die letztere an Länge zu, an
Breite aber relativ abnimmt. Die Paukenhöhle ist nach Meckel
(l. c. S. 44.) während des Fötallebens mit einer dicken, gallert-
artigen Flüssigkeit erfüllt und wird nach Burdach (l. c. S. 465.)
vom vierten Monate an gröſser, hat aber im achten ihre relative
Gröſse erreicht. Nach Cassebohm (l. c. §. 47. p. 111.) bleibt das
foramen ovale und rotundum vom siebenten Monate in seiner
Ausbildung stehen. Der Trommelfellring ist in der eilften Woche
schon als ein zarter, zierlicher, circulärer Knochenstreif wahrzu-
nehmen und läſst den sulcus transversus deutlich erkennen.
Er hat in früherer Zeit eine mehr horizontale Richtung und ver-
gröſsert sich nach Burdach (l. c. S. 466.) bis zum siebenten bis
achten Monate. Im dritten Monate sah Cassebohm (l. c. p. 26.
§. 63.) in ihm longitudinelle Fasern, welche aber nicht ganz um
ihm herumliefen, sondern sich zum Theil frei an der Oberfläche
endigten. Nach ihm (l. c. p. 29. §. 71.) ist auch der sulcus im
vierten bis fünften Monate sehr tief und verengert sich mehr bei

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[212/0240] Von dem Embryo. geschlossene Oeffnung der Labyrintheinsackung stöſst, deren äuſsere Wand aber offenbar den Visceralplatten angehört. Schon zu der Zeit, wo Eustachische Trompete und Trommelhöhle eine kegel- förmige oder pyramidale Grube noch ausmachen, wächst, wie ich an einem siebenwöchentlichen menschlichen Embryo gesehen habe, an der Schlieſsungsstelle der früheren Labyrintheinsackung eine rundliche, pyramidale Warze hervor und unter und etwas hinter derselben eine ähnliche dickere Warze. Die erstere ist, wie der Erfolg lehrt, das Rudiment des Steigbügels, die letztere des Am- bosses und Hammers. Die äuſsere Oeffnung der Paukenhöhle ist um diese Zeit, nicht bloſs durch eine feine Hautlamelle, sondern auch durch körnige Substanz der Visceralplatten verschlossen. Zog ich nämlich die dünne obere Haut genau hinweg, so war es mir nicht möglich, eine Oeffnung zu sehen oder ein Haar einzubrin- gen. Als ich aber die Stelle mit einem feinen Staarmesser spal- tete, sah ich deutlich eine Schicht körnerhaltigen Bildungsgewe- bes über dem äuſseren Ende der Paukenhöhle liegen. Sollte die- ses etwa die erste Andeutung des knöchernen Gehörganges und des äuſseren Ohres gewesen seyn, die wie die Extremitätengrund- lagen (s. unten) aus der Körnchenschicht des peripherischen Thei- les des serösen Blattes entstehen? — So wird nun erst während des weiteren Verlaufes der Entwickelung Paukenhöhle von Eustachi- scher Trompete abgegrenzt, indem die letztere an Länge zu, an Breite aber relativ abnimmt. Die Paukenhöhle ist nach Meckel (l. c. S. 44.) während des Fötallebens mit einer dicken, gallert- artigen Flüssigkeit erfüllt und wird nach Burdach (l. c. S. 465.) vom vierten Monate an gröſser, hat aber im achten ihre relative Gröſse erreicht. Nach Cassebohm (l. c. §. 47. p. 111.) bleibt das foramen ovale und rotundum vom siebenten Monate in seiner Ausbildung stehen. Der Trommelfellring ist in der eilften Woche schon als ein zarter, zierlicher, circulärer Knochenstreif wahrzu- nehmen und läſst den sulcus transversus deutlich erkennen. Er hat in früherer Zeit eine mehr horizontale Richtung und ver- gröſsert sich nach Burdach (l. c. S. 466.) bis zum siebenten bis achten Monate. Im dritten Monate sah Cassebohm (l. c. p. 26. §. 63.) in ihm longitudinelle Fasern, welche aber nicht ganz um ihm herumliefen, sondern sich zum Theil frei an der Oberfläche endigten. Nach ihm (l. c. p. 29. §. 71.) ist auch der sulcus im vierten bis fünften Monate sehr tief und verengert sich mehr bei

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/240>, abgerufen am 18.05.2024.