Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.Höhere Sinne. Ohr. dem Kinde. -- Das Trommelfell hängt nach Cassebohm (l. c. p.29. §. 72.) in der Frucht nur locker an dem Gehörringe, wird, wie Fabricius (de auditu. P. I. Cap. 4.) schon wusste und Kerkring (l. c. p. 221.) mit Unrecht als Entdeckung sich zurechnete, von einer gelatinösen Haut im Fötus bedeckt, welche Ruysch für eine Fortsetzung der Epidermis, Duverney und Valsalva für erhärteten Schleim und Rösslein für den Ueberrest der Fruchtschmiere hielt und besitzt viele Blutgefässe. Je jünger der Fötus, desto mehr wird das äussere Ohr von dem Trommelfelle und dem Trommelfellringe an Grösse übertroffen. -- Die Gehörknöchelchen haben nach Rath- ke's (Kiemenapparat S. 122.) und meinen Untersuchungen einen verschiedenen und nicht, wie Huschke (Isis 1833. S. 678.) angiebt, einen gleichartigen Ursprung. Hammer und Amboss entstehen nämlich früher, als der gesondert sich bildende Steigbügel, als eine aus der hinteren Wand der Paukenhöhle hervorwachsende Warze, welche sich schnell verlängert und die innere Seite des Unterkiefers erreicht. Diese metamorphosirt sich nun zu dem Hammer und dessen bald zu nennenden Meckelschen Fortsatze, so wie ohne Zweifel auch zu dem Körper des Ambosses. Erst nachdem dieses erste Rudiment der äusseren Gehörknöchelchen erschienen und sich gegen den Unterkiefer schon verlängert, ihn jedoch noch nicht erreicht hat, entsteht die Warze des Steigbü- gels an der Verwachsungsstelle der früheren Labyrintheinsackung, wie schon Rathke (l. c. S. 123.) bemerkt, wahrscheinlich als Wu- cherung des Labyrinthes in die Paukenhöhle und nicht der hin- teren Wand der Paukenhöhle selbst. Dieser späte Ursprung des Steigbügels giebt sich auch lange nachher noch deutlich zu er- kennen. Er ist noch immer weich und ohne Spur von Knorpel, wenn Hammer und Amboss, so wie Meckelscher Fortsatz und Zungenbein eine knorpelige Consistenz und eine sie von allen Nachbargebilden, selbst dem Unterkiefer, unterscheidende und in frischen oder nur kurze Zeit in Weingeist aufbewahrten Früchten auf den ersten Blick auffallende intensiv rothe Färbung haben. Beide Warzen stossen bald nach oben an einander und so bildet sich das Köpfchen und die concave Gelenkfläche des Steigbügels, während dieser in einen soliden, etwas platt gedrückten, rundlich dreieckigten Körper übergeht. a. Aeussere Kette der Gehörknöchelchen. -- Zu ihnen ge- Höhere Sinne. Ohr. dem Kinde. — Das Trommelfell hängt nach Cassebohm (l. c. p.29. §. 72.) in der Frucht nur locker an dem Gehörringe, wird, wie Fabricius (de auditu. P. I. Cap. 4.) schon wuſste und Kerkring (l. c. p. 221.) mit Unrecht als Entdeckung sich zurechnete, von einer gelatinösen Haut im Fötus bedeckt, welche Ruysch für eine Fortsetzung der Epidermis, Duverney und Valsalva für erhärteten Schleim und Röſslein für den Ueberrest der Fruchtschmiere hielt und besitzt viele Blutgefäſse. Je jünger der Fötus, desto mehr wird das äuſsere Ohr von dem Trommelfelle und dem Trommelfellringe an Gröſse übertroffen. — Die Gehörknöchelchen haben nach Rath- ke’s (Kiemenapparat S. 122.) und meinen Untersuchungen einen verschiedenen und nicht, wie Huschke (Isis 1833. S. 678.) angiebt, einen gleichartigen Ursprung. Hammer und Amboſs entstehen nämlich früher, als der gesondert sich bildende Steigbügel, als eine aus der hinteren Wand der Paukenhöhle hervorwachsende Warze, welche sich schnell verlängert und die innere Seite des Unterkiefers erreicht. Diese metamorphosirt sich nun zu dem Hammer und dessen bald zu nennenden Meckelschen Fortsatze, so wie ohne Zweifel auch zu dem Körper des Ambosses. Erst nachdem dieses erste Rudiment der äuſseren Gehörknöchelchen erschienen und sich gegen den Unterkiefer schon verlängert, ihn jedoch noch nicht erreicht hat, entsteht die Warze des Steigbü- gels an der Verwachsungsstelle der früheren Labyrintheinsackung, wie schon Rathke (l. c. S. 123.) bemerkt, wahrscheinlich als Wu- cherung des Labyrinthes in die Paukenhöhle und nicht der hin- teren Wand der Paukenhöhle selbst. Dieser späte Ursprung des Steigbügels giebt sich auch lange nachher noch deutlich zu er- kennen. Er ist noch immer weich und ohne Spur von Knorpel, wenn Hammer und Amboſs, so wie Meckelscher Fortsatz und Zungenbein eine knorpelige Consistenz und eine sie von allen Nachbargebilden, selbst dem Unterkiefer, unterscheidende und in frischen oder nur kurze Zeit in Weingeist aufbewahrten Früchten auf den ersten Blick auffallende intensiv rothe Färbung haben. Beide Warzen stoſsen bald nach oben an einander und so bildet sich das Köpfchen und die concave Gelenkfläche des Steigbügels, während dieser in einen soliden, etwas platt gedrückten, rundlich dreieckigten Körper übergeht. a. Aeuſsere Kette der Gehörknöchelchen. — Zu ihnen ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0241" n="213"/><fw place="top" type="header">Höhere Sinne. Ohr.</fw><lb/> dem Kinde. — Das Trommelfell hängt nach Cassebohm (l. c. p.<lb/> 29. §. 72.) in der Frucht nur locker an dem Gehörringe, wird, wie<lb/> Fabricius (<hi rendition="#i">de auditu. P. I. Cap.</hi> 4.) schon wuſste und Kerkring<lb/> (l. c. p. 221.) mit Unrecht als Entdeckung sich zurechnete, von<lb/> einer gelatinösen Haut im Fötus bedeckt, welche Ruysch für eine<lb/> Fortsetzung der Epidermis, Duverney und Valsalva für erhärteten<lb/> Schleim und Röſslein für den Ueberrest der Fruchtschmiere hielt und<lb/> besitzt viele Blutgefäſse. Je jünger der Fötus, desto mehr wird<lb/> das äuſsere Ohr von dem Trommelfelle und dem Trommelfellringe<lb/> an Gröſse übertroffen. — Die Gehörknöchelchen haben nach Rath-<lb/> ke’s (Kiemenapparat S. 122.) und meinen Untersuchungen einen<lb/> verschiedenen und nicht, wie Huschke (Isis 1833. S. 678.) angiebt,<lb/> einen gleichartigen Ursprung. Hammer und Amboſs entstehen<lb/> nämlich früher, als der gesondert sich bildende Steigbügel, als<lb/> eine aus der hinteren Wand der Paukenhöhle hervorwachsende<lb/> Warze, welche sich schnell verlängert und die innere Seite des<lb/> Unterkiefers erreicht. Diese metamorphosirt sich nun zu dem<lb/> Hammer und dessen bald zu nennenden Meckelschen Fortsatze,<lb/> so wie ohne Zweifel auch zu dem Körper des Ambosses. Erst<lb/> nachdem dieses erste Rudiment der äuſseren Gehörknöchelchen<lb/> erschienen und sich gegen den Unterkiefer schon verlängert, ihn<lb/> jedoch noch nicht erreicht hat, entsteht die Warze des Steigbü-<lb/> gels an der Verwachsungsstelle der früheren Labyrintheinsackung,<lb/> wie schon Rathke (l. c. S. 123.) bemerkt, wahrscheinlich als Wu-<lb/> cherung des Labyrinthes in die Paukenhöhle und nicht der hin-<lb/> teren Wand der Paukenhöhle selbst. Dieser späte Ursprung des<lb/> Steigbügels giebt sich auch lange nachher noch deutlich zu er-<lb/> kennen. Er ist noch immer weich und ohne Spur von Knorpel,<lb/> wenn Hammer und Amboſs, so wie Meckelscher Fortsatz und<lb/> Zungenbein eine knorpelige Consistenz und eine sie von allen<lb/> Nachbargebilden, selbst dem Unterkiefer, unterscheidende und in<lb/> frischen oder nur kurze Zeit in Weingeist aufbewahrten Früchten<lb/> auf den ersten Blick auffallende intensiv rothe Färbung haben.<lb/> Beide Warzen stoſsen bald nach oben an einander und so bildet<lb/> sich das Köpfchen und die concave Gelenkfläche des Steigbügels,<lb/> während dieser in einen soliden, etwas platt gedrückten, rundlich<lb/> dreieckigten Körper übergeht.</p><lb/> <p>a. Aeuſsere Kette der Gehörknöchelchen. — Zu ihnen ge-<lb/> hören Hammer, Amboſs, Meckelscher Fortsatz und vielleicht auch<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [213/0241]
Höhere Sinne. Ohr.
dem Kinde. — Das Trommelfell hängt nach Cassebohm (l. c. p.
29. §. 72.) in der Frucht nur locker an dem Gehörringe, wird, wie
Fabricius (de auditu. P. I. Cap. 4.) schon wuſste und Kerkring
(l. c. p. 221.) mit Unrecht als Entdeckung sich zurechnete, von
einer gelatinösen Haut im Fötus bedeckt, welche Ruysch für eine
Fortsetzung der Epidermis, Duverney und Valsalva für erhärteten
Schleim und Röſslein für den Ueberrest der Fruchtschmiere hielt und
besitzt viele Blutgefäſse. Je jünger der Fötus, desto mehr wird
das äuſsere Ohr von dem Trommelfelle und dem Trommelfellringe
an Gröſse übertroffen. — Die Gehörknöchelchen haben nach Rath-
ke’s (Kiemenapparat S. 122.) und meinen Untersuchungen einen
verschiedenen und nicht, wie Huschke (Isis 1833. S. 678.) angiebt,
einen gleichartigen Ursprung. Hammer und Amboſs entstehen
nämlich früher, als der gesondert sich bildende Steigbügel, als
eine aus der hinteren Wand der Paukenhöhle hervorwachsende
Warze, welche sich schnell verlängert und die innere Seite des
Unterkiefers erreicht. Diese metamorphosirt sich nun zu dem
Hammer und dessen bald zu nennenden Meckelschen Fortsatze,
so wie ohne Zweifel auch zu dem Körper des Ambosses. Erst
nachdem dieses erste Rudiment der äuſseren Gehörknöchelchen
erschienen und sich gegen den Unterkiefer schon verlängert, ihn
jedoch noch nicht erreicht hat, entsteht die Warze des Steigbü-
gels an der Verwachsungsstelle der früheren Labyrintheinsackung,
wie schon Rathke (l. c. S. 123.) bemerkt, wahrscheinlich als Wu-
cherung des Labyrinthes in die Paukenhöhle und nicht der hin-
teren Wand der Paukenhöhle selbst. Dieser späte Ursprung des
Steigbügels giebt sich auch lange nachher noch deutlich zu er-
kennen. Er ist noch immer weich und ohne Spur von Knorpel,
wenn Hammer und Amboſs, so wie Meckelscher Fortsatz und
Zungenbein eine knorpelige Consistenz und eine sie von allen
Nachbargebilden, selbst dem Unterkiefer, unterscheidende und in
frischen oder nur kurze Zeit in Weingeist aufbewahrten Früchten
auf den ersten Blick auffallende intensiv rothe Färbung haben.
Beide Warzen stoſsen bald nach oben an einander und so bildet
sich das Köpfchen und die concave Gelenkfläche des Steigbügels,
während dieser in einen soliden, etwas platt gedrückten, rundlich
dreieckigten Körper übergeht.
a. Aeuſsere Kette der Gehörknöchelchen. — Zu ihnen ge-
hören Hammer, Amboſs, Meckelscher Fortsatz und vielleicht auch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |