Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Geschlechts- und Harnorgane.
Bauchplatte in der zweiten Hälfte des dritten Tages ein rundli-
cher Streifen als der erste Anfang der Wolffschen Körper. Er
sah ihn hohl und in ihm ein Blutströpfchen, so wie längs dessel-
ben bald darauf ein Blutgefäss, vermuthet daher, dass der Wolff-
sche Körper aus einem Blutgefässe entstehe (S. XI. XII. und S.
81.). Beide sind nach ihm von ihrem ersten Anfange an durch
die Gekrösplatte von einander getrennt. Die Quergefässe schei-
nen später Blut zu enthalten (l. c. S. 71. bei Burdach S. 301.).
Im Uebrigen stimmt seine Darstellung fast gänzlich mit Rathkes
überein. Nur scheint er (über Entw.gesch. S. 127.) gegen die
Entstehung des Nebenhodens aus den Wolffschen Körpern später
einige Zweifel gehabt zu haben.

Burdach (Physiol. II. S. 562.) sieht die Wolffschen Körper
zum Theil als ein indifferentes Harnzeugungsorgan an, dessen ver-
gängliche Natur sich auch dadurch beurkunde, dass es sich nur
bei denjenigen Thieren (Sauriern, Ophidiern, Cheloniern, Vögeln
und Säugethieren) finde, welche ein Amnion oder einen vergäng-
lichen Theil der Keimhaut haben. Eine Beziehung zu den Bauch-
kiemen werde auch dadurch angedeutet, dass es nur da vorkomme,
wo diese sich fänden. -- Bei dem Menschen (S. 569.) müssen
sie sehr früh entstehen und von sehr kurzer Dauer seyn. --
Beide Geschlechter (S. 567.) ähneln in früherer Zeit mehr ein-
ander und jedes durchläuft die ihm entgegengesetzten Bildungs-
stufen, ehe es in seiner vollen Eigenthümlichkeit erscheint. --
Endlich vermuthet er (S. 591.), dass Ei und Saamenleiter aus
dem falschen Harnleiter entstehen und die Kanäle der Wolffschen
Körper bei dem männlichen Geschlechte als Saamengefässe ver-
harren, an den Eileitern dagegen schwinden. --

Rathke lieferte (an mehreren Stellen der Burdachschen Phy-
siologie) eine Reihe wichtiger Zusätze und Berichtigungen sei-
ner früheren Untersuchungen. -- Die Wolffschen Körper (bei
Burdach S. 563.) erreichen bei Säugethieren vor der Mitte, bei
höheren Amphibien erst geraume Zeit nach der Mitte, bei Vögeln
um die Mitte des Embryonenlebens ihren grössten Umfang. Je
schneller sie bei fortgesetztem Wachsthume absolut zugenommen
haben (S. 564.) um so früher verschwinden sie auch. Auf der
Oberfläche der falschen Nieren entsteht bald nach ihrem Erschei-
nen ein nach dem Längendurchmesser derselben verlaufendes zar-
tes Rohr, welches in die Kloake sich mündet. Nur bei Säuge-

Geschlechts- und Harnorgane.
Bauchplatte in der zweiten Hälfte des dritten Tages ein rundli-
cher Streifen als der erste Anfang der Wolffschen Körper. Er
sah ihn hohl und in ihm ein Blutströpfchen, so wie längs dessel-
ben bald darauf ein Blutgefäſs, vermuthet daher, daſs der Wolff-
sche Körper aus einem Blutgefäſse entstehe (S. XI. XII. und S.
81.). Beide sind nach ihm von ihrem ersten Anfange an durch
die Gekrösplatte von einander getrennt. Die Quergefäſse schei-
nen später Blut zu enthalten (l. c. S. 71. bei Burdach S. 301.).
Im Uebrigen stimmt seine Darstellung fast gänzlich mit Rathkes
überein. Nur scheint er (über Entw.gesch. S. 127.) gegen die
Entstehung des Nebenhodens aus den Wolffschen Körpern später
einige Zweifel gehabt zu haben.

Burdach (Physiol. II. S. 562.) sieht die Wolffschen Körper
zum Theil als ein indifferentes Harnzeugungsorgan an, dessen ver-
gängliche Natur sich auch dadurch beurkunde, daſs es sich nur
bei denjenigen Thieren (Sauriern, Ophidiern, Cheloniern, Vögeln
und Säugethieren) finde, welche ein Amnion oder einen vergäng-
lichen Theil der Keimhaut haben. Eine Beziehung zu den Bauch-
kiemen werde auch dadurch angedeutet, daſs es nur da vorkomme,
wo diese sich fänden. — Bei dem Menschen (S. 569.) müssen
sie sehr früh entstehen und von sehr kurzer Dauer seyn. —
Beide Geschlechter (S. 567.) ähneln in früherer Zeit mehr ein-
ander und jedes durchläuft die ihm entgegengesetzten Bildungs-
stufen, ehe es in seiner vollen Eigenthümlichkeit erscheint. —
Endlich vermuthet er (S. 591.), daſs Ei und Saamenleiter aus
dem falschen Harnleiter entstehen und die Kanäle der Wolffschen
Körper bei dem männlichen Geschlechte als Saamengefäſse ver-
harren, an den Eileitern dagegen schwinden. —

Rathke lieferte (an mehreren Stellen der Burdachschen Phy-
siologie) eine Reihe wichtiger Zusätze und Berichtigungen sei-
ner früheren Untersuchungen. — Die Wolffschen Körper (bei
Burdach S. 563.) erreichen bei Säugethieren vor der Mitte, bei
höheren Amphibien erst geraume Zeit nach der Mitte, bei Vögeln
um die Mitte des Embryonenlebens ihren gröſsten Umfang. Je
schneller sie bei fortgesetztem Wachsthume absolut zugenommen
haben (S. 564.) um so früher verschwinden sie auch. Auf der
Oberfläche der falschen Nieren entsteht bald nach ihrem Erschei-
nen ein nach dem Längendurchmesser derselben verlaufendes zar-
tes Rohr, welches in die Kloake sich mündet. Nur bei Säuge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0393" n="365"/><fw place="top" type="header">Geschlechts- und Harnorgane.</fw><lb/>
Bauchplatte in der zweiten Hälfte des dritten Tages ein rundli-<lb/>
cher Streifen als der erste Anfang der Wolffschen Körper. Er<lb/>
sah ihn hohl und in ihm ein Blutströpfchen, so wie längs dessel-<lb/>
ben bald darauf ein Blutgefä&#x017F;s, vermuthet daher, da&#x017F;s der Wolff-<lb/>
sche Körper aus einem Blutgefä&#x017F;se entstehe (S. XI. XII. und S.<lb/>
81.). Beide sind nach ihm von ihrem ersten Anfange an durch<lb/>
die Gekrösplatte von einander getrennt. Die Quergefä&#x017F;se schei-<lb/>
nen später Blut zu enthalten (l. c. S. 71. bei Burdach S. 301.).<lb/>
Im Uebrigen stimmt seine Darstellung fast gänzlich mit Rathkes<lb/>
überein. Nur scheint er (über Entw.gesch. S. 127.) gegen die<lb/>
Entstehung des Nebenhodens aus den Wolffschen Körpern später<lb/>
einige Zweifel gehabt zu haben.</p><lb/>
            <p>Burdach (Physiol. II. S. 562.) sieht die Wolffschen Körper<lb/>
zum Theil als ein indifferentes Harnzeugungsorgan an, dessen ver-<lb/>
gängliche Natur sich auch dadurch beurkunde, da&#x017F;s es sich nur<lb/>
bei denjenigen Thieren (Sauriern, Ophidiern, Cheloniern, Vögeln<lb/>
und Säugethieren) finde, welche ein Amnion oder einen vergäng-<lb/>
lichen Theil der Keimhaut haben. Eine Beziehung zu den Bauch-<lb/>
kiemen werde auch dadurch angedeutet, da&#x017F;s es nur da vorkomme,<lb/>
wo diese sich fänden. &#x2014; Bei dem Menschen (S. 569.) müssen<lb/>
sie sehr früh entstehen und von sehr kurzer Dauer seyn. &#x2014;<lb/>
Beide Geschlechter (S. 567.) ähneln in früherer Zeit mehr ein-<lb/>
ander und jedes durchläuft die ihm entgegengesetzten Bildungs-<lb/>
stufen, ehe es in seiner vollen Eigenthümlichkeit erscheint. &#x2014;<lb/>
Endlich vermuthet er (S. 591.), da&#x017F;s Ei und Saamenleiter aus<lb/>
dem falschen Harnleiter entstehen und die Kanäle der Wolffschen<lb/>
Körper bei dem männlichen Geschlechte als Saamengefä&#x017F;se ver-<lb/>
harren, an den Eileitern dagegen schwinden. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Rathke lieferte (an mehreren Stellen der Burdachschen Phy-<lb/>
siologie) eine Reihe wichtiger Zusätze und Berichtigungen sei-<lb/>
ner früheren Untersuchungen. &#x2014; Die Wolffschen Körper (bei<lb/>
Burdach S. 563.) erreichen bei Säugethieren vor der Mitte, bei<lb/>
höheren Amphibien erst geraume Zeit nach der Mitte, bei Vögeln<lb/>
um die Mitte des Embryonenlebens ihren grö&#x017F;sten Umfang. Je<lb/>
schneller sie bei fortgesetztem Wachsthume absolut zugenommen<lb/>
haben (S. 564.) um so früher verschwinden sie auch. Auf der<lb/>
Oberfläche der falschen Nieren entsteht bald nach ihrem Erschei-<lb/>
nen ein nach dem Längendurchmesser derselben verlaufendes zar-<lb/>
tes Rohr, welches in die Kloake sich mündet. Nur bei Säuge-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[365/0393] Geschlechts- und Harnorgane. Bauchplatte in der zweiten Hälfte des dritten Tages ein rundli- cher Streifen als der erste Anfang der Wolffschen Körper. Er sah ihn hohl und in ihm ein Blutströpfchen, so wie längs dessel- ben bald darauf ein Blutgefäſs, vermuthet daher, daſs der Wolff- sche Körper aus einem Blutgefäſse entstehe (S. XI. XII. und S. 81.). Beide sind nach ihm von ihrem ersten Anfange an durch die Gekrösplatte von einander getrennt. Die Quergefäſse schei- nen später Blut zu enthalten (l. c. S. 71. bei Burdach S. 301.). Im Uebrigen stimmt seine Darstellung fast gänzlich mit Rathkes überein. Nur scheint er (über Entw.gesch. S. 127.) gegen die Entstehung des Nebenhodens aus den Wolffschen Körpern später einige Zweifel gehabt zu haben. Burdach (Physiol. II. S. 562.) sieht die Wolffschen Körper zum Theil als ein indifferentes Harnzeugungsorgan an, dessen ver- gängliche Natur sich auch dadurch beurkunde, daſs es sich nur bei denjenigen Thieren (Sauriern, Ophidiern, Cheloniern, Vögeln und Säugethieren) finde, welche ein Amnion oder einen vergäng- lichen Theil der Keimhaut haben. Eine Beziehung zu den Bauch- kiemen werde auch dadurch angedeutet, daſs es nur da vorkomme, wo diese sich fänden. — Bei dem Menschen (S. 569.) müssen sie sehr früh entstehen und von sehr kurzer Dauer seyn. — Beide Geschlechter (S. 567.) ähneln in früherer Zeit mehr ein- ander und jedes durchläuft die ihm entgegengesetzten Bildungs- stufen, ehe es in seiner vollen Eigenthümlichkeit erscheint. — Endlich vermuthet er (S. 591.), daſs Ei und Saamenleiter aus dem falschen Harnleiter entstehen und die Kanäle der Wolffschen Körper bei dem männlichen Geschlechte als Saamengefäſse ver- harren, an den Eileitern dagegen schwinden. — Rathke lieferte (an mehreren Stellen der Burdachschen Phy- siologie) eine Reihe wichtiger Zusätze und Berichtigungen sei- ner früheren Untersuchungen. — Die Wolffschen Körper (bei Burdach S. 563.) erreichen bei Säugethieren vor der Mitte, bei höheren Amphibien erst geraume Zeit nach der Mitte, bei Vögeln um die Mitte des Embryonenlebens ihren gröſsten Umfang. Je schneller sie bei fortgesetztem Wachsthume absolut zugenommen haben (S. 564.) um so früher verschwinden sie auch. Auf der Oberfläche der falschen Nieren entsteht bald nach ihrem Erschei- nen ein nach dem Längendurchmesser derselben verlaufendes zar- tes Rohr, welches in die Kloake sich mündet. Nur bei Säuge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/393
Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/393>, abgerufen am 22.11.2024.