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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Ab- und Aussonderungen des Embryo.
benproduct functionirt, wie wenn z. B. in dem Erwachsenen Urin
oder Eiter in eine Höhle des lebenden Körpers ausgeschieden,
von Neuem aber wieder theilweise nach seinen noch zu benutzen-
den Bestandtheilen aufgesogen wird. Dass der Fötus sich von
dem liquor amnii nähre, ist eine eben so falsche, als schiefe
Ansicht. Man hat zwar diese Flüssigkeit in dem Munde und
dem Magen der Frucht gefunden und wir selbst haben sogar
in Früchten des Schweines Meconium in dem Kehlkopfe gesehen.
Dass dieses aber auf einem bloss mechanischen Einströmen des
Wassers und seiner Contenta beruhe, dürfte der Umstand bewei-
sen, dass nicht bloss die Verdauungsorgane, sondern auch die
Respirationsorgane, wie die Luftröhre, und die Nasenhöhlen von
dieser Flüssigkeit eben so wie die obere Abtheilung der Diges-
tionswerkzeuge gleichmässig erfüllt sind, dass dagegen in dem
tractus intestinorum tenuium fast nie deutliche Spuren der
Amnionsflüssigkeit gefunden werden. Auch besteht das Meconium
nur aus Schleim, den Häutungen des Darmrohres und der Galle.
Dass aber die Amniosflüssigkeit vielleicht Stoffe noch an den Fö-
tus abgebe lässt sich vermuthen. Mit dem Mutterkörper steht jene
wenigstens in inniger Wechselwirkung. Dies zeigt ein Versuch
von Dayer (Salzb. mediz. Zeit. 1817. S. 431.), welcher eine In-
digolösung in die Lungen eines trächtigen Kaninchens einsprützte
und nach einiger Zeit den liquor amnii grün gefärbt fand. Nach
Haller und Hertort (Ricklefs l. c. p. 7.) soll bei einer Frau, die
als Schwangere viel Safran gebraucht hatte, der liquor amnii
von safrangelber Farbe gefunden worden seyn. Vergleiche
Mayer in Meckels Archiv III. S. 502. 503. Für eine rege
Aufnahme des liquor amnii durch die Haut des Fötus scheint
wenigstens zum Theil die grosse Ausbildung der Hautdrüsen nicht
bloss in den Früchten des Menschen, worauf E. H. Weber schon
aufmerksam machte, sondern auch in denen der von mir hierauf
untersuchten Säugethiere, wie des Rindes, des Schaafes, des
Schweines, des Hundes und der Ratte hinzudeuten. -- 2. Eben
so wenig kann aber auch die Allantoisflüssigkeit als ein blosses
Excret des schon gebildeten Embryonalkörpers angesehen werden,
wiewohl das ganze Wesen dieses Stoffes noch weit räthselhafter
ist, als das des Amnion. Man hat ihn für den Harn des Fötus
angesehen und eine ziemliche Anzahl scheinbar treffender Gründe
für diese Meinung angeführt (s. J. G. Betschler disquisitio phy-

Ab- und Aussonderungen des Embryo.
benproduct functionirt, wie wenn z. B. in dem Erwachsenen Urin
oder Eiter in eine Höhle des lebenden Körpers ausgeschieden,
von Neuem aber wieder theilweise nach seinen noch zu benutzen-
den Bestandtheilen aufgesogen wird. Daſs der Fötus sich von
dem liquor amnii nähre, ist eine eben so falsche, als schiefe
Ansicht. Man hat zwar diese Flüssigkeit in dem Munde und
dem Magen der Frucht gefunden und wir selbst haben sogar
in Früchten des Schweines Meconium in dem Kehlkopfe gesehen.
Daſs dieses aber auf einem bloſs mechanischen Einströmen des
Wassers und seiner Contenta beruhe, dürfte der Umstand bewei-
sen, daſs nicht bloſs die Verdauungsorgane, sondern auch die
Respirationsorgane, wie die Luftröhre, und die Nasenhöhlen von
dieser Flüssigkeit eben so wie die obere Abtheilung der Diges-
tionswerkzeuge gleichmäſsig erfüllt sind, daſs dagegen in dem
tractus intestinorum tenuium fast nie deutliche Spuren der
Amnionsflüssigkeit gefunden werden. Auch besteht das Meconium
nur aus Schleim, den Häutungen des Darmrohres und der Galle.
Daſs aber die Amniosflüssigkeit vielleicht Stoffe noch an den Fö-
tus abgebe läſst sich vermuthen. Mit dem Mutterkörper steht jene
wenigstens in inniger Wechselwirkung. Dies zeigt ein Versuch
von Dayer (Salzb. mediz. Zeit. 1817. S. 431.), welcher eine In-
digolösung in die Lungen eines trächtigen Kaninchens einsprützte
und nach einiger Zeit den liquor amnii grün gefärbt fand. Nach
Haller und Hertort (Ricklefs l. c. p. 7.) soll bei einer Frau, die
als Schwangere viel Safran gebraucht hatte, der liquor amnii
von safrangelber Farbe gefunden worden seyn. Vergleiche
Mayer in Meckels Archiv III. S. 502. 503. Für eine rege
Aufnahme des liquor amnii durch die Haut des Fötus scheint
wenigstens zum Theil die groſse Ausbildung der Hautdrüsen nicht
bloſs in den Früchten des Menschen, worauf E. H. Weber schon
aufmerksam machte, sondern auch in denen der von mir hierauf
untersuchten Säugethiere, wie des Rindes, des Schaafes, des
Schweines, des Hundes und der Ratte hinzudeuten. — 2. Eben
so wenig kann aber auch die Allantoisflüssigkeit als ein bloſses
Excret des schon gebildeten Embryonalkörpers angesehen werden,
wiewohl das ganze Wesen dieses Stoffes noch weit räthselhafter
ist, als das des Amnion. Man hat ihn für den Harn des Fötus
angesehen und eine ziemliche Anzahl scheinbar treffender Gründe
für diese Meinung angeführt (s. J. G. Betschler disquisitio phy-

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[559/0587] Ab- und Aussonderungen des Embryo. benproduct functionirt, wie wenn z. B. in dem Erwachsenen Urin oder Eiter in eine Höhle des lebenden Körpers ausgeschieden, von Neuem aber wieder theilweise nach seinen noch zu benutzen- den Bestandtheilen aufgesogen wird. Daſs der Fötus sich von dem liquor amnii nähre, ist eine eben so falsche, als schiefe Ansicht. Man hat zwar diese Flüssigkeit in dem Munde und dem Magen der Frucht gefunden und wir selbst haben sogar in Früchten des Schweines Meconium in dem Kehlkopfe gesehen. Daſs dieses aber auf einem bloſs mechanischen Einströmen des Wassers und seiner Contenta beruhe, dürfte der Umstand bewei- sen, daſs nicht bloſs die Verdauungsorgane, sondern auch die Respirationsorgane, wie die Luftröhre, und die Nasenhöhlen von dieser Flüssigkeit eben so wie die obere Abtheilung der Diges- tionswerkzeuge gleichmäſsig erfüllt sind, daſs dagegen in dem tractus intestinorum tenuium fast nie deutliche Spuren der Amnionsflüssigkeit gefunden werden. Auch besteht das Meconium nur aus Schleim, den Häutungen des Darmrohres und der Galle. Daſs aber die Amniosflüssigkeit vielleicht Stoffe noch an den Fö- tus abgebe läſst sich vermuthen. Mit dem Mutterkörper steht jene wenigstens in inniger Wechselwirkung. Dies zeigt ein Versuch von Dayer (Salzb. mediz. Zeit. 1817. S. 431.), welcher eine In- digolösung in die Lungen eines trächtigen Kaninchens einsprützte und nach einiger Zeit den liquor amnii grün gefärbt fand. Nach Haller und Hertort (Ricklefs l. c. p. 7.) soll bei einer Frau, die als Schwangere viel Safran gebraucht hatte, der liquor amnii von safrangelber Farbe gefunden worden seyn. Vergleiche Mayer in Meckels Archiv III. S. 502. 503. Für eine rege Aufnahme des liquor amnii durch die Haut des Fötus scheint wenigstens zum Theil die groſse Ausbildung der Hautdrüsen nicht bloſs in den Früchten des Menschen, worauf E. H. Weber schon aufmerksam machte, sondern auch in denen der von mir hierauf untersuchten Säugethiere, wie des Rindes, des Schaafes, des Schweines, des Hundes und der Ratte hinzudeuten. — 2. Eben so wenig kann aber auch die Allantoisflüssigkeit als ein bloſses Excret des schon gebildeten Embryonalkörpers angesehen werden, wiewohl das ganze Wesen dieses Stoffes noch weit räthselhafter ist, als das des Amnion. Man hat ihn für den Harn des Fötus angesehen und eine ziemliche Anzahl scheinbar treffender Gründe für diese Meinung angeführt (s. J. G. Betschler disquisitio phy-

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/587>, abgerufen am 29.07.2024.