Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. die allgemeine Ueberzeugung, dass alle Thiere, alle thierischenOrgane nur Modificationen oder Metamorphosen von Urideen seyen, auf welchem Gebiete zum Theil Cuvier selbst, besonders aber d'Aubenton, Meckel, Oken, Carus, Geoffroy St. Hilaire, Spix, Huschke u. A. sich auszeichneten. nachdem nun aber so die Entwickelung der Thierwelt mit inniger Liebe umfasst, die Idee des sich entwickelnden Processes in der Natur überhaupt lebhaf- ter erkannt und zur Anwendung gebracht worden war, so blieb die individuelle Entwickelungsgeschichte als ein zum Theil homo- loges, zum Theil ergänzendes Element, das zunächst zu lösende Problem. Wie jedes neue, grosse Ereigniss durch Einen oder Mehrere angeregt, durch einzelne taugliche Anhänger fortgeführt und zuletzt erst von Allen, sobald es sich in sein vortheilhaftes Licht gestellt hat, aufgenommen, gepflegt und benutzt wird, so erging es auch nun der Entwickelungsgeschichte, welche zwar in Bezug auf beobachtete Facta nichts weniger, als neu, in Rücksicht ihrer Bedeutung und Anwendung für die Physiologie überhaupt aber einer höheren Stufe werth ward. Hatte Oken schon zu Anfange unseres Jahrhunderts, von ihrem grossen Einflusse auf die Lehre von dem Leben durchdrungen, mit Nachdruck von Sei- ten der Speculation auf sie hingewiesen, so trat jetzt das Haupt der sogenannten Würzburger physiologischen Schule, Döllinger, mit neuen empirischen Daten ausgerüstet, als der erste Wende- punkt zu einer einflussreichen Betrachtungsweise derselben auf. Er und seine beiden Schüler, Pander und d'Alton, bearbeiteten die früheste Entwickelung des Hühnchens mit aller ihnen mögli- chen Genauigkeit und Vollständigkeit, und als Epoche machendes Resultat dieser Bemühungen muss es angesehen werden, dass sie zuerst die drei Blätter der Keimhaut, von denen jedes seine be- stimmten Metamorphosen eingeht, unterschieden. In dieser Zeit empfing auch Karl Ernst v. Bär, damals ein Schüler Döllingers, den ersten Impuls zu seinen späteren, wichtigen Arbeiten. Aber auch zum Theil unabhängig von der Würzburger Schule wurden die Untersuchungen specieller Gegenstände der Entwickelungsge- schichte zahlreicher. So erschienen neue Beiträge zur Geschichte des Eies von Oken, Bojanus u. A., zu der des Gehirnes von Ser- res, Desmarest u. A., zu der des Blutes von Döllinger, zu der des Athmens und dessen Folgen von Joh. Müller, zu der der Mollus- ken von Stiebel, zu der der Amphibien von Rusconi, Configliachi, Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. die allgemeine Ueberzeugung, daſs alle Thiere, alle thierischenOrgane nur Modificationen oder Metamorphosen von Urideen seyen, auf welchem Gebiete zum Theil Cuvier selbst, besonders aber d’Aubenton, Meckel, Oken, Carus, Geoffroy St. Hilaire, Spix, Huschke u. A. sich auszeichneten. nachdem nun aber so die Entwickelung der Thierwelt mit inniger Liebe umfaſst, die Idee des sich entwickelnden Processes in der Natur überhaupt lebhaf- ter erkannt und zur Anwendung gebracht worden war, so blieb die individuelle Entwickelungsgeschichte als ein zum Theil homo- loges, zum Theil ergänzendes Element, das zunächst zu lösende Problem. Wie jedes neue, groſse Ereigniſs durch Einen oder Mehrere angeregt, durch einzelne taugliche Anhänger fortgeführt und zuletzt erst von Allen, sobald es sich in sein vortheilhaftes Licht gestellt hat, aufgenommen, gepflegt und benutzt wird, so erging es auch nun der Entwickelungsgeschichte, welche zwar in Bezug auf beobachtete Facta nichts weniger, als neu, in Rücksicht ihrer Bedeutung und Anwendung für die Physiologie überhaupt aber einer höheren Stufe werth ward. Hatte Oken schon zu Anfange unseres Jahrhunderts, von ihrem groſsen Einflusse auf die Lehre von dem Leben durchdrungen, mit Nachdruck von Sei- ten der Speculation auf sie hingewiesen, so trat jetzt das Haupt der sogenannten Würzburger physiologischen Schule, Döllinger, mit neuen empirischen Daten ausgerüstet, als der erste Wende- punkt zu einer einfluſsreichen Betrachtungsweise derselben auf. Er und seine beiden Schüler, Pander und d’Alton, bearbeiteten die früheste Entwickelung des Hühnchens mit aller ihnen mögli- chen Genauigkeit und Vollständigkeit, und als Epoche machendes Resultat dieser Bemühungen muſs es angesehen werden, daſs sie zuerst die drei Blätter der Keimhaut, von denen jedes seine be- stimmten Metamorphosen eingeht, unterschieden. In dieser Zeit empfing auch Karl Ernst v. Bär, damals ein Schüler Döllingers, den ersten Impuls zu seinen späteren, wichtigen Arbeiten. Aber auch zum Theil unabhängig von der Würzburger Schule wurden die Untersuchungen specieller Gegenstände der Entwickelungsge- schichte zahlreicher. So erschienen neue Beiträge zur Geschichte des Eies von Oken, Bojanus u. A., zu der des Gehirnes von Ser- res, Desmarest u. A., zu der des Blutes von Döllinger, zu der des Athmens und dessen Folgen von Joh. Müller, zu der der Mollus- ken von Stiebel, zu der der Amphibien von Rusconi, Configliachi, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0602" n="574"/><fw place="top" type="header">Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung.</fw><lb/> die allgemeine Ueberzeugung, daſs alle Thiere, alle thierischen<lb/> Organe nur Modificationen oder Metamorphosen von Urideen seyen,<lb/> auf welchem Gebiete zum Theil Cuvier selbst, besonders aber<lb/> d’Aubenton, Meckel, Oken, Carus, Geoffroy St. Hilaire, Spix,<lb/> Huschke u. A. sich auszeichneten. nachdem nun aber so die<lb/> Entwickelung der Thierwelt mit inniger Liebe umfaſst, die Idee<lb/> des sich entwickelnden Processes in der Natur überhaupt lebhaf-<lb/> ter erkannt und zur Anwendung gebracht worden war, so blieb<lb/> die individuelle Entwickelungsgeschichte als ein zum Theil homo-<lb/> loges, zum Theil ergänzendes Element, das zunächst zu lösende<lb/> Problem. 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Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung.
die allgemeine Ueberzeugung, daſs alle Thiere, alle thierischen
Organe nur Modificationen oder Metamorphosen von Urideen seyen,
auf welchem Gebiete zum Theil Cuvier selbst, besonders aber
d’Aubenton, Meckel, Oken, Carus, Geoffroy St. Hilaire, Spix,
Huschke u. A. sich auszeichneten. nachdem nun aber so die
Entwickelung der Thierwelt mit inniger Liebe umfaſst, die Idee
des sich entwickelnden Processes in der Natur überhaupt lebhaf-
ter erkannt und zur Anwendung gebracht worden war, so blieb
die individuelle Entwickelungsgeschichte als ein zum Theil homo-
loges, zum Theil ergänzendes Element, das zunächst zu lösende
Problem. Wie jedes neue, groſse Ereigniſs durch Einen oder
Mehrere angeregt, durch einzelne taugliche Anhänger fortgeführt
und zuletzt erst von Allen, sobald es sich in sein vortheilhaftes
Licht gestellt hat, aufgenommen, gepflegt und benutzt wird, so
erging es auch nun der Entwickelungsgeschichte, welche zwar in
Bezug auf beobachtete Facta nichts weniger, als neu, in Rücksicht
ihrer Bedeutung und Anwendung für die Physiologie überhaupt
aber einer höheren Stufe werth ward. Hatte Oken schon zu
Anfange unseres Jahrhunderts, von ihrem groſsen Einflusse auf
die Lehre von dem Leben durchdrungen, mit Nachdruck von Sei-
ten der Speculation auf sie hingewiesen, so trat jetzt das Haupt
der sogenannten Würzburger physiologischen Schule, Döllinger,
mit neuen empirischen Daten ausgerüstet, als der erste Wende-
punkt zu einer einfluſsreichen Betrachtungsweise derselben auf.
Er und seine beiden Schüler, Pander und d’Alton, bearbeiteten
die früheste Entwickelung des Hühnchens mit aller ihnen mögli-
chen Genauigkeit und Vollständigkeit, und als Epoche machendes
Resultat dieser Bemühungen muſs es angesehen werden, daſs sie
zuerst die drei Blätter der Keimhaut, von denen jedes seine be-
stimmten Metamorphosen eingeht, unterschieden. In dieser Zeit
empfing auch Karl Ernst v. Bär, damals ein Schüler Döllingers,
den ersten Impuls zu seinen späteren, wichtigen Arbeiten. Aber
auch zum Theil unabhängig von der Würzburger Schule wurden
die Untersuchungen specieller Gegenstände der Entwickelungsge-
schichte zahlreicher. So erschienen neue Beiträge zur Geschichte
des Eies von Oken, Bojanus u. A., zu der des Gehirnes von Ser-
res, Desmarest u. A., zu der des Blutes von Döllinger, zu der des
Athmens und dessen Folgen von Joh. Müller, zu der der Mollus-
ken von Stiebel, zu der der Amphibien von Rusconi, Configliachi,
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