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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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V. Metamorphosengang der individuellen Entwickelung.
von Anfang an individuell, mithin auch geschlechtig bestimmt.
Dies zeigt z. B. die schon im zweiten Abschnitte angeführte Er-
fahrung Sömmerings, dass noch früher, als sich die Differenz des
Geschlechtes durch äussere und innere Genitalien kund giebt, der
Habitus des Körpers, die vorherrschende Ausbildung mancher
Theile zwei constante Reihen erzeugen, die mit den künftigen
geschlechtigen zusammenfallen. Allein die beiden zum Grunde
liegende Uridee, das in ihnen enthaltene (und in den Genitalien
besonders hervortretende) concret Allgemeine muss sich in dem
männlichen Geschlechte eben so zeigen, wie in dem weiblichen
und in jedem nur durch die specielle Individualität modificirt
seyn. Daher ein höherer Typus auch hier, wie Joh. Müller schon
richtig bemerkt, früher dargestellt wird, bevor die singulären
Geschlechter hervorgehen. Die Ansicht, dass das männliche Ge-
schlecht, als das angeblich höhere, das niedere, früher existirende
weibliche durchlaufen müsse, fällt mit der Meinung zusammen,
welche für das Durchlaufen der Stufen der niederen Thierwelt
streitet. Diese aber, mit welcher nothwendig die Annahme einer
einfachen Kette der Wesen verbunden ist, erreicht ein bloss äusse-
res, scheinbar anschauliches Verhältniss und gleicht so in Rück-
sicht ihrer Einseitigkeit und Beschränktheit dem teleologischen
Principe. Der Weg einer mehr allseitigen Beobachtung ist zwar
dornigter, als der der niederen Vorstellungsweise; die Resultate
der ersteren sind deutlicher und planer, als die der letzteren, da
jene der speciellen denkenden Individualität mehr consonirende
Sätze liefert, eben deshalb aber gerade mehr an dem Aeusserlichen
hängen bleibt, während diese aller eigenen Persönlichkeit entsa-
gend nur das höhere Ganze nach Kräften zu begreifen und immer
vollständiger aufzufassen sich bemüht.

V.
Metamorphosengang der individuellen Entwickelung.

Wir haben gesehen, dass die Entwickelung der Thierwelt
die Darstellung der mannigfach sich sub- und coordinirenden
Urideen war; die Entwickelung des individuellen Thieres dagegen
die Individualisation des Einzelwesens aus einer bestimmten, in-
dividuellen Anlage durch eine Reihe von Metamorphosen der Ur-
ideen hervorgehen liess; dass in jener in einer unendlichen Menge

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V. Metamorphosengang der individuellen Entwickelung.
von Anfang an individuell, mithin auch geschlechtig bestimmt.
Dies zeigt z. B. die schon im zweiten Abschnitte angeführte Er-
fahrung Sömmerings, daſs noch früher, als sich die Differenz des
Geschlechtes durch äuſsere und innere Genitalien kund giebt, der
Habitus des Körpers, die vorherrschende Ausbildung mancher
Theile zwei constante Reihen erzeugen, die mit den künftigen
geschlechtigen zusammenfallen. Allein die beiden zum Grunde
liegende Uridee, das in ihnen enthaltene (und in den Genitalien
besonders hervortretende) concret Allgemeine muſs sich in dem
männlichen Geschlechte eben so zeigen, wie in dem weiblichen
und in jedem nur durch die specielle Individualität modificirt
seyn. Daher ein höherer Typus auch hier, wie Joh. Müller schon
richtig bemerkt, früher dargestellt wird, bevor die singulären
Geschlechter hervorgehen. Die Ansicht, daſs das männliche Ge-
schlecht, als das angeblich höhere, das niedere, früher existirende
weibliche durchlaufen müsse, fällt mit der Meinung zusammen,
welche für das Durchlaufen der Stufen der niederen Thierwelt
streitet. Diese aber, mit welcher nothwendig die Annahme einer
einfachen Kette der Wesen verbunden ist, erreicht ein bloſs äuſse-
res, scheinbar anschauliches Verhältniſs und gleicht so in Rück-
sicht ihrer Einseitigkeit und Beschränktheit dem teleologischen
Principe. Der Weg einer mehr allseitigen Beobachtung ist zwar
dornigter, als der der niederen Vorstellungsweise; die Resultate
der ersteren sind deutlicher und planer, als die der letzteren, da
jene der speciellen denkenden Individualität mehr consonirende
Sätze liefert, eben deshalb aber gerade mehr an dem Aeuſserlichen
hängen bleibt, während diese aller eigenen Persönlichkeit entsa-
gend nur das höhere Ganze nach Kräften zu begreifen und immer
vollständiger aufzufassen sich bemüht.

V.
Metamorphosengang der individuellen Entwickelung.

Wir haben gesehen, daſs die Entwickelung der Thierwelt
die Darstellung der mannigfach sich sub- und coordinirenden
Urideen war; die Entwickelung des individuellen Thieres dagegen
die Individualisation des Einzelwesens aus einer bestimmten, in-
dividuellen Anlage durch eine Reihe von Metamorphosen der Ur-
ideen hervorgehen lieſs; daſs in jener in einer unendlichen Menge

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[595/0623] V. Metamorphosengang der individuellen Entwickelung. von Anfang an individuell, mithin auch geschlechtig bestimmt. Dies zeigt z. B. die schon im zweiten Abschnitte angeführte Er- fahrung Sömmerings, daſs noch früher, als sich die Differenz des Geschlechtes durch äuſsere und innere Genitalien kund giebt, der Habitus des Körpers, die vorherrschende Ausbildung mancher Theile zwei constante Reihen erzeugen, die mit den künftigen geschlechtigen zusammenfallen. Allein die beiden zum Grunde liegende Uridee, das in ihnen enthaltene (und in den Genitalien besonders hervortretende) concret Allgemeine muſs sich in dem männlichen Geschlechte eben so zeigen, wie in dem weiblichen und in jedem nur durch die specielle Individualität modificirt seyn. Daher ein höherer Typus auch hier, wie Joh. Müller schon richtig bemerkt, früher dargestellt wird, bevor die singulären Geschlechter hervorgehen. Die Ansicht, daſs das männliche Ge- schlecht, als das angeblich höhere, das niedere, früher existirende weibliche durchlaufen müsse, fällt mit der Meinung zusammen, welche für das Durchlaufen der Stufen der niederen Thierwelt streitet. Diese aber, mit welcher nothwendig die Annahme einer einfachen Kette der Wesen verbunden ist, erreicht ein bloſs äuſse- res, scheinbar anschauliches Verhältniſs und gleicht so in Rück- sicht ihrer Einseitigkeit und Beschränktheit dem teleologischen Principe. Der Weg einer mehr allseitigen Beobachtung ist zwar dornigter, als der der niederen Vorstellungsweise; die Resultate der ersteren sind deutlicher und planer, als die der letzteren, da jene der speciellen denkenden Individualität mehr consonirende Sätze liefert, eben deshalb aber gerade mehr an dem Aeuſserlichen hängen bleibt, während diese aller eigenen Persönlichkeit entsa- gend nur das höhere Ganze nach Kräften zu begreifen und immer vollständiger aufzufassen sich bemüht. V. Metamorphosengang der individuellen Entwickelung. Wir haben gesehen, daſs die Entwickelung der Thierwelt die Darstellung der mannigfach sich sub- und coordinirenden Urideen war; die Entwickelung des individuellen Thieres dagegen die Individualisation des Einzelwesens aus einer bestimmten, in- dividuellen Anlage durch eine Reihe von Metamorphosen der Ur- ideen hervorgehen lieſs; daſs in jener in einer unendlichen Menge 38*

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/623>, abgerufen am 22.11.2024.