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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung.
und wichtigsten Differenzen zwischen Wirbelthieren und Wirbel-
losen sind in Bezug auf die individuelle Entwickelung folgende:

1. Da der Zeit nach die Uridee des ganzen Thieres sich im-
mer mehr specialisirt, so wird sie natürlich bloss die allgemein-
sten Verhältnisse durchlaufen, und je tiefer die Entwickelung
hinabsteigt, desto kleinere Sprünge gleichsam machen. So stellt
sich vielleicht allgemein zuerst der Primitivstreifen dar. Seine
unmittelbare nächste Metamorphose ist aber die in den wichtigsten
animalen Theil des speciellen thierischen Leibes. Daher wird sich
bei den Wirbellosen das System der Bewegungorgane, der Extremi-
täten besonders, zuerst entwickeln. Die Wirbelthiere dagegen wer-
den ihr centrales Nervensystem speciell daraus bilden und ihren übri-
gen animalen Theil als Rücken und Bauchplatten nur in der all-
gemeinsten Uridee andeuten. In der Klasse der Wirbellosen ent-
steht also auf diese Weise der Hauptcharakter des Thieres über-
haupt, sein animaler Theil zuerst, in der Klasse der Wirbelthiere
zerfällt sogleich dieser animale Theil, indem sich sein Haupttheil
(centrales Nervensystem und Hülle, Wirbelsäule) besonders her-
vorhildet, sein untergeordneter animaler Theil dagegen nur in der
Uridee angedeutet ist. Organe der willkührlichen Bewegung der
Wirbellosen und der Empfindung der Wirbelthiere sind also die
beiden höchsten Charaktere der beiden Thierreihen überhaupt.

2. Die Uridee zerfällt in eine grössere Zahl nächst niederer
Urideen bei den Wirbellosen, als bei den Wirbelthieren. Denn
hier sind einige wenige (nach der allgemeinen Annahme vier)
Hauptklassen, welche sich vielfach individualisiren. Es werden
daher in Bezug auf die Urvorgänge der individuellen Entwicke-
lung weit mehr und weit grössere Verschiedenheiten sich finden,
als bei den Wirbelthieren. Rathke.

3. In jeder individuellen Entwickelung setzt sich die indi-
viduelle Keimanlage den Nahrungsflüssigkeiten des Eies entgegen.
Bei den Wirbelthieren ist jene nun eine mehr oder minder be-
grenzte Scheibe, welche auf dem Dotter liegt und von der Dot-
terhaut eingeschlossen wird, später mit dem Verschwinden dieser
Letzteren sich über den Dotter ausbreitet und ihn umfasst. Bei
den Wirbellosen findet hierin ein anderes Verhältniss Statt. Wie
dieses aber im Allgemeinen sey, lässt sich bei den zum Theil wi-
derstreitenden Relationen mit Sicherheit noch nicht bestimmen.
So ist es nach den von Herold, Rathke u. A. gemachten Erfah-

Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung.
und wichtigsten Differenzen zwischen Wirbelthieren und Wirbel-
losen sind in Bezug auf die individuelle Entwickelung folgende:

1. Da der Zeit nach die Uridee des ganzen Thieres sich im-
mer mehr specialisirt, so wird sie natürlich bloſs die allgemein-
sten Verhältnisse durchlaufen, und je tiefer die Entwickelung
hinabsteigt, desto kleinere Sprünge gleichsam machen. So stellt
sich vielleicht allgemein zuerst der Primitivstreifen dar. Seine
unmittelbare nächste Metamorphose ist aber die in den wichtigsten
animalen Theil des speciellen thierischen Leibes. Daher wird sich
bei den Wirbellosen das System der Bewegungorgane, der Extremi-
täten besonders, zuerst entwickeln. Die Wirbelthiere dagegen wer-
den ihr centrales Nervensystem speciell daraus bilden und ihren übri-
gen animalen Theil als Rücken und Bauchplatten nur in der all-
gemeinsten Uridee andeuten. In der Klasse der Wirbellosen ent-
steht also auf diese Weise der Hauptcharakter des Thieres über-
haupt, sein animaler Theil zuerst, in der Klasse der Wirbelthiere
zerfällt sogleich dieser animale Theil, indem sich sein Haupttheil
(centrales Nervensystem und Hülle, Wirbelsäule) besonders her-
vorhildet, sein untergeordneter animaler Theil dagegen nur in der
Uridee angedeutet ist. Organe der willkührlichen Bewegung der
Wirbellosen und der Empfindung der Wirbelthiere sind also die
beiden höchsten Charaktere der beiden Thierreihen überhaupt.

2. Die Uridee zerfällt in eine gröſsere Zahl nächst niederer
Urideen bei den Wirbellosen, als bei den Wirbelthieren. Denn
hier sind einige wenige (nach der allgemeinen Annahme vier)
Hauptklassen, welche sich vielfach individualisiren. Es werden
daher in Bezug auf die Urvorgänge der individuellen Entwicke-
lung weit mehr und weit gröſsere Verschiedenheiten sich finden,
als bei den Wirbelthieren. Rathke.

3. In jeder individuellen Entwickelung setzt sich die indi-
viduelle Keimanlage den Nahrungsflüssigkeiten des Eies entgegen.
Bei den Wirbelthieren ist jene nun eine mehr oder minder be-
grenzte Scheibe, welche auf dem Dotter liegt und von der Dot-
terhaut eingeschlossen wird, später mit dem Verschwinden dieser
Letzteren sich über den Dotter ausbreitet und ihn umfaſst. Bei
den Wirbellosen findet hierin ein anderes Verhältniſs Statt. Wie
dieses aber im Allgemeinen sey, läſst sich bei den zum Theil wi-
derstreitenden Relationen mit Sicherheit noch nicht bestimmen.
So ist es nach den von Herold, Rathke u. A. gemachten Erfah-

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[602/0630] Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. und wichtigsten Differenzen zwischen Wirbelthieren und Wirbel- losen sind in Bezug auf die individuelle Entwickelung folgende: 1. Da der Zeit nach die Uridee des ganzen Thieres sich im- mer mehr specialisirt, so wird sie natürlich bloſs die allgemein- sten Verhältnisse durchlaufen, und je tiefer die Entwickelung hinabsteigt, desto kleinere Sprünge gleichsam machen. So stellt sich vielleicht allgemein zuerst der Primitivstreifen dar. Seine unmittelbare nächste Metamorphose ist aber die in den wichtigsten animalen Theil des speciellen thierischen Leibes. Daher wird sich bei den Wirbellosen das System der Bewegungorgane, der Extremi- täten besonders, zuerst entwickeln. Die Wirbelthiere dagegen wer- den ihr centrales Nervensystem speciell daraus bilden und ihren übri- gen animalen Theil als Rücken und Bauchplatten nur in der all- gemeinsten Uridee andeuten. In der Klasse der Wirbellosen ent- steht also auf diese Weise der Hauptcharakter des Thieres über- haupt, sein animaler Theil zuerst, in der Klasse der Wirbelthiere zerfällt sogleich dieser animale Theil, indem sich sein Haupttheil (centrales Nervensystem und Hülle, Wirbelsäule) besonders her- vorhildet, sein untergeordneter animaler Theil dagegen nur in der Uridee angedeutet ist. Organe der willkührlichen Bewegung der Wirbellosen und der Empfindung der Wirbelthiere sind also die beiden höchsten Charaktere der beiden Thierreihen überhaupt. 2. Die Uridee zerfällt in eine gröſsere Zahl nächst niederer Urideen bei den Wirbellosen, als bei den Wirbelthieren. Denn hier sind einige wenige (nach der allgemeinen Annahme vier) Hauptklassen, welche sich vielfach individualisiren. Es werden daher in Bezug auf die Urvorgänge der individuellen Entwicke- lung weit mehr und weit gröſsere Verschiedenheiten sich finden, als bei den Wirbelthieren. Rathke. 3. In jeder individuellen Entwickelung setzt sich die indi- viduelle Keimanlage den Nahrungsflüssigkeiten des Eies entgegen. Bei den Wirbelthieren ist jene nun eine mehr oder minder be- grenzte Scheibe, welche auf dem Dotter liegt und von der Dot- terhaut eingeschlossen wird, später mit dem Verschwinden dieser Letzteren sich über den Dotter ausbreitet und ihn umfaſst. Bei den Wirbellosen findet hierin ein anderes Verhältniſs Statt. Wie dieses aber im Allgemeinen sey, läſst sich bei den zum Theil wi- derstreitenden Relationen mit Sicherheit noch nicht bestimmen. So ist es nach den von Herold, Rathke u. A. gemachten Erfah-

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/630>, abgerufen am 22.11.2024.