Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe.

a. Nach der Dimension der Länge. So theilt sich das zu-
erst entstandene Muskelbündel in parallele Muskelfasern.

b. Nach der Dimension der Fläche. So theilt sich die Haut-
schicht in Lederhaut, malpighische Schicht und Oberhaut.

c. Nach körperlichen Dimensionen.

a. Die netzförmige Verbindung zertheilt sich dadurch, dass
neue netzförmige Verbindungen zwischen ihnen und innerhalb
derselben entstehen. Diese bilden sich durch Entstehung neuer
isolirter Theile innerhalb und zwischen den alten und secundäre
Verbindung mit ihnen. Diese Art der Genese ist durch Beobach-
tung nachgewiesen. Als eine andere Art derselben wird angege-
ben, dass die alten sich an bestimmten Stellen verlängern, bis sie
so andere Netze erreichen und neue bilden. Doch bedarf diese
Art der Entstehung noch sehr der Stütze der Erfahrung. Vgl.
die Genese des Blutes.

b. Die einseitige Verästelung. Hier haben sich die isolirten
Theile mit einem entfernteren Haupttheile so verbunden, dass sie
als Seitenzweige desselben erscheinen, z. B. die Gänge der Drü-
sen mit dem Hauptgange. Nun vermehren sich die Seitenzweige
und ihre Verästelungen immer mehr und mehr und constituiren
auf diese Weise die entfernteren und entferntesten Nebengänge
bis zu ihren einfachen traubenförmig verbundenen blinden Enden.

g. Die Verknäuelung. Die Nebengänge sind vielfach in ein-
ander gewunden und haben einen oder mehrere Hauptgänge, wel-
che entweder wieder entfernte Theile, wie in den Nieren die
Becken, oder nahe Theile, wie in dem Hoden das Vas defe-
rens
, sind.

5. Das Gesetz der Charakterisirung. Wie jedes Organ sei-
nen bestimmten individuellen Charakter hat, so auch jeder Or-
gantheil, und dieses ist eben der Grund, dass jedes Partikelchen
eines Organes eben so nothwendig auf die bestimmteste Weise
charakterisirt ist, als das Organ selbst. Nach unseren bisherigen
Kenntnissen kann man so die Charaktere der Blutgefässnetze, der
Knochenkanäle u. dgl. schon erkennen. Da diese Eigenthümlich-
keiten aber die speciellsten sind, so müssen sie auch der Zeit
nach zuletzt sich bilden. Und so entsteht z. B. als Schlusspunkt
der Organ- und Organtheilentwickelung die eigenthümliche Cha-
rakteristik der entfernteren und entferntesten Organtheile. Um
aber eben den ganzen Gang anschaulicher zu machen, wollen wir

VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe.

a. Nach der Dimension der Länge. So theilt sich das zu-
erst entstandene Muskelbündel in parallele Muskelfasern.

b. Nach der Dimension der Fläche. So theilt sich die Haut-
schicht in Lederhaut, malpighische Schicht und Oberhaut.

c. Nach körperlichen Dimensionen.

α. Die netzförmige Verbindung zertheilt sich dadurch, daſs
neue netzförmige Verbindungen zwischen ihnen und innerhalb
derselben entstehen. Diese bilden sich durch Entstehung neuer
isolirter Theile innerhalb und zwischen den alten und secundäre
Verbindung mit ihnen. Diese Art der Genese ist durch Beobach-
tung nachgewiesen. Als eine andere Art derselben wird angege-
ben, daſs die alten sich an bestimmten Stellen verlängern, bis sie
so andere Netze erreichen und neue bilden. Doch bedarf diese
Art der Entstehung noch sehr der Stütze der Erfahrung. Vgl.
die Genese des Blutes.

β. Die einseitige Verästelung. Hier haben sich die isolirten
Theile mit einem entfernteren Haupttheile so verbunden, daſs sie
als Seitenzweige desselben erscheinen, z. B. die Gänge der Drü-
sen mit dem Hauptgange. Nun vermehren sich die Seitenzweige
und ihre Verästelungen immer mehr und mehr und constituiren
auf diese Weise die entfernteren und entferntesten Nebengänge
bis zu ihren einfachen traubenförmig verbundenen blinden Enden.

γ. Die Verknäuelung. Die Nebengänge sind vielfach in ein-
ander gewunden und haben einen oder mehrere Hauptgänge, wel-
che entweder wieder entfernte Theile, wie in den Nieren die
Becken, oder nahe Theile, wie in dem Hoden das Vas defe-
rens
, sind.

5. Das Gesetz der Charakterisirung. Wie jedes Organ sei-
nen bestimmten individuellen Charakter hat, so auch jeder Or-
gantheil, und dieses ist eben der Grund, daſs jedes Partikelchen
eines Organes eben so nothwendig auf die bestimmteste Weise
charakterisirt ist, als das Organ selbst. Nach unseren bisherigen
Kenntnissen kann man so die Charaktere der Blutgefäſsnetze, der
Knochenkanäle u. dgl. schon erkennen. Da diese Eigenthümlich-
keiten aber die speciellsten sind, so müssen sie auch der Zeit
nach zuletzt sich bilden. Und so entsteht z. B. als Schluſspunkt
der Organ- und Organtheilentwickelung die eigenthümliche Cha-
rakteristik der entfernteren und entferntesten Organtheile. Um
aber eben den ganzen Gang anschaulicher zu machen, wollen wir

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0673" n="645"/>
          <fw place="top" type="header">VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe.</fw><lb/>
          <p>a. Nach der Dimension der Länge. So theilt sich das zu-<lb/>
erst entstandene Muskelbündel in parallele Muskelfasern.</p><lb/>
          <p>b. Nach der Dimension der Fläche. So theilt sich die Haut-<lb/>
schicht in Lederhaut, malpighische Schicht und Oberhaut.</p><lb/>
          <p>c. Nach körperlichen Dimensionen.</p><lb/>
          <p>&#x03B1;. Die netzförmige Verbindung zertheilt sich dadurch, da&#x017F;s<lb/>
neue netzförmige Verbindungen zwischen ihnen und innerhalb<lb/>
derselben entstehen. Diese bilden sich durch Entstehung neuer<lb/>
isolirter Theile innerhalb und zwischen den alten und secundäre<lb/>
Verbindung mit ihnen. Diese Art der Genese ist durch Beobach-<lb/>
tung nachgewiesen. Als eine andere Art derselben wird angege-<lb/>
ben, da&#x017F;s die alten sich an bestimmten Stellen verlängern, bis sie<lb/>
so andere Netze erreichen und neue bilden. Doch bedarf diese<lb/>
Art der Entstehung noch sehr der Stütze der Erfahrung. Vgl.<lb/>
die Genese des Blutes.</p><lb/>
          <p>&#x03B2;. Die einseitige Verästelung. Hier haben sich die isolirten<lb/>
Theile mit einem entfernteren Haupttheile so verbunden, da&#x017F;s sie<lb/>
als Seitenzweige desselben erscheinen, z. B. die Gänge der Drü-<lb/>
sen mit dem Hauptgange. Nun vermehren sich die Seitenzweige<lb/>
und ihre Verästelungen immer mehr und mehr und constituiren<lb/>
auf diese Weise die entfernteren und entferntesten Nebengänge<lb/>
bis zu ihren einfachen traubenförmig verbundenen blinden Enden.</p><lb/>
          <p>&#x03B3;. Die Verknäuelung. Die Nebengänge sind vielfach in ein-<lb/>
ander gewunden und haben einen oder mehrere Hauptgänge, wel-<lb/>
che entweder wieder entfernte Theile, wie in den Nieren die<lb/>
Becken, oder nahe Theile, wie in dem Hoden das <hi rendition="#i">Vas defe-<lb/>
rens</hi>, sind.</p><lb/>
          <p>5. Das Gesetz der Charakterisirung. Wie jedes Organ sei-<lb/>
nen bestimmten individuellen Charakter hat, so auch jeder Or-<lb/>
gantheil, und dieses ist eben der Grund, da&#x017F;s jedes Partikelchen<lb/>
eines Organes eben so nothwendig auf die bestimmteste Weise<lb/>
charakterisirt ist, als das Organ selbst. Nach unseren bisherigen<lb/>
Kenntnissen kann man so die Charaktere der Blutgefä&#x017F;snetze, der<lb/>
Knochenkanäle u. dgl. schon erkennen. Da diese Eigenthümlich-<lb/>
keiten aber die speciellsten sind, so müssen sie auch der Zeit<lb/>
nach zuletzt sich bilden. Und so entsteht z. B. als Schlu&#x017F;spunkt<lb/>
der Organ- und Organtheilentwickelung die eigenthümliche Cha-<lb/>
rakteristik der entfernteren und entferntesten Organtheile. Um<lb/>
aber eben den <choice><sic>gauzen</sic><corr>ganzen</corr></choice> Gang anschaulicher zu machen, wollen wir<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[645/0673] VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe. a. Nach der Dimension der Länge. So theilt sich das zu- erst entstandene Muskelbündel in parallele Muskelfasern. b. Nach der Dimension der Fläche. So theilt sich die Haut- schicht in Lederhaut, malpighische Schicht und Oberhaut. c. Nach körperlichen Dimensionen. α. Die netzförmige Verbindung zertheilt sich dadurch, daſs neue netzförmige Verbindungen zwischen ihnen und innerhalb derselben entstehen. Diese bilden sich durch Entstehung neuer isolirter Theile innerhalb und zwischen den alten und secundäre Verbindung mit ihnen. Diese Art der Genese ist durch Beobach- tung nachgewiesen. Als eine andere Art derselben wird angege- ben, daſs die alten sich an bestimmten Stellen verlängern, bis sie so andere Netze erreichen und neue bilden. Doch bedarf diese Art der Entstehung noch sehr der Stütze der Erfahrung. Vgl. die Genese des Blutes. β. Die einseitige Verästelung. Hier haben sich die isolirten Theile mit einem entfernteren Haupttheile so verbunden, daſs sie als Seitenzweige desselben erscheinen, z. B. die Gänge der Drü- sen mit dem Hauptgange. Nun vermehren sich die Seitenzweige und ihre Verästelungen immer mehr und mehr und constituiren auf diese Weise die entfernteren und entferntesten Nebengänge bis zu ihren einfachen traubenförmig verbundenen blinden Enden. γ. Die Verknäuelung. Die Nebengänge sind vielfach in ein- ander gewunden und haben einen oder mehrere Hauptgänge, wel- che entweder wieder entfernte Theile, wie in den Nieren die Becken, oder nahe Theile, wie in dem Hoden das Vas defe- rens, sind. 5. Das Gesetz der Charakterisirung. Wie jedes Organ sei- nen bestimmten individuellen Charakter hat, so auch jeder Or- gantheil, und dieses ist eben der Grund, daſs jedes Partikelchen eines Organes eben so nothwendig auf die bestimmteste Weise charakterisirt ist, als das Organ selbst. Nach unseren bisherigen Kenntnissen kann man so die Charaktere der Blutgefäſsnetze, der Knochenkanäle u. dgl. schon erkennen. Da diese Eigenthümlich- keiten aber die speciellsten sind, so müssen sie auch der Zeit nach zuletzt sich bilden. Und so entsteht z. B. als Schluſspunkt der Organ- und Organtheilentwickelung die eigenthümliche Cha- rakteristik der entfernteren und entferntesten Organtheile. Um aber eben den ganzen Gang anschaulicher zu machen, wollen wir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/673
Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 645. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/673>, abgerufen am 23.05.2024.