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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
Oeffnung an, während nach Heusinger (Zeitschrift für die organ.
Physik II. S. 514.) an den Mündungen der Tuben durchaus keine
existirt, die decidua dagegen an dem Gebärmutterhalse immer
zarter wird, so dass sie hier äusserst leicht zerreisst. Nach unten
aber befindet sich (dslb. Zeitschr. Bd. 1. S. 465.) ein gallertarti-
ger Pfropf, welcher die Mündung der Gebärmutter schliesst. Burdach
(Physiol. II. S. 73.) sah deutlich, wie die Mündungen der Tuben von
der decidua verschlossen wurden; in der Nähe des Muttermundes
dagegen ist sie nur dünner, lockerer und weniger gefässreich. R. Wag-
ner, welcher der irrthümlichen Ansicht ist, dass John Hunter die Oeff-
nungen der decidua genau beschrieben habe (Meck. Arch. 1830. S.
76.), folgert aus der Reihe der ihm bekannten Beobachtungen (S. 100.),
dass die hinfällige Haut entweder eine überall geschlossene Blase
darstelle oder dass sie nach unten und an einer oder an allen bei-
den Trompetenmündungen offen sey. Dass Seiler in Consequenz
seiner Ansicht der decidua überhaupt drei Oeffnungen annimmt,
welche später geschlossen werden, haben wir oben schon ange-
führt. Velpeau (Heusinger's Zeitschrift II. S. 69.) hielt in einem
früheren Berichte die Oeffnungen für zufällig, läugnet sie dagegen
in seinem neuesten Werke (Embryologie p. 3.) in dem normalen
und natürlichen Zustande gänzlich. Die Verlängerungen, welche
nach Breschet (l. c. p. 98.) sich nur in die Tuben (bisweilen so-
gar nur in eine, was jedoch wahrscheinlich nur zufällig ist) er-
strecken, sind hier stets geschlossen. Der Muttermund wird
durch den Gallertpfropf noch besonders verschlossen.

Fassen wir nun kürzlich die vielfach abweichenden Angaben
der Schriftsteller über die Oeffnungen der decidua zusammen,
so erhalten wir folgende Rubriken:

1. Diejenigen, denen decidua nichts ist, als die aufgelockerte
Schleimhaut der Gebärmutter, müssen natürlich ursprünglich drei
Oeffnungen annehmen. Hierher gehören besonders Oken, Bär,
Raspail, Seiler u. A.

2. Die drei Mündungen lassen sich durch Beobachtung nach-
weisen. W. Hunter, Burns, Sandifort, Krummacher, Blumenbach,
Reuss, Bojanus, Pockels.

3. Die drei Mündungen existiren; sie haben jedoch nur eine
temporäre Existenz. John Hunter, Lobstein (nach seiner Ver-
muthung), Meckel (nach literarischen Angaben). Seiler u. A.

III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
Oeffnung an, während nach Heusinger (Zeitschrift für die organ.
Physik II. S. 514.) an den Mündungen der Tuben durchaus keine
existirt, die decidua dagegen an dem Gebärmutterhalse immer
zarter wird, so daſs sie hier äuſserst leicht zerreiſst. Nach unten
aber befindet sich (dslb. Zeitschr. Bd. 1. S. 465.) ein gallertarti-
ger Pfropf, welcher die Mündung der Gebärmutter schlieſst. Burdach
(Physiol. II. S. 73.) sah deutlich, wie die Mündungen der Tuben von
der decidua verschlossen wurden; in der Nähe des Muttermundes
dagegen ist sie nur dünner, lockerer und weniger gefäſsreich. R. Wag-
ner, welcher der irrthümlichen Ansicht ist, daſs John Hunter die Oeff-
nungen der decidua genau beschrieben habe (Meck. Arch. 1830. S.
76.), folgert aus der Reihe der ihm bekannten Beobachtungen (S. 100.),
daſs die hinfällige Haut entweder eine überall geschlossene Blase
darstelle oder daſs sie nach unten und an einer oder an allen bei-
den Trompetenmündungen offen sey. Daſs Seiler in Consequenz
seiner Ansicht der decidua überhaupt drei Oeffnungen annimmt,
welche später geschlossen werden, haben wir oben schon ange-
führt. Velpeau (Heusinger’s Zeitschrift II. S. 69.) hielt in einem
früheren Berichte die Oeffnungen für zufällig, läugnet sie dagegen
in seinem neuesten Werke (Embryologie p. 3.) in dem normalen
und natürlichen Zustande gänzlich. Die Verlängerungen, welche
nach Breschet (l. c. p. 98.) sich nur in die Tuben (bisweilen so-
gar nur in eine, was jedoch wahrscheinlich nur zufällig ist) er-
strecken, sind hier stets geschlossen. Der Muttermund wird
durch den Gallertpfropf noch besonders verschlossen.

Fassen wir nun kürzlich die vielfach abweichenden Angaben
der Schriftsteller über die Oeffnungen der decidua zusammen,
so erhalten wir folgende Rubriken:

1. Diejenigen, denen decidua nichts ist, als die aufgelockerte
Schleimhaut der Gebärmutter, müssen natürlich ursprünglich drei
Oeffnungen annehmen. Hierher gehören besonders Oken, Bär,
Raspail, Seiler u. A.

2. Die drei Mündungen lassen sich durch Beobachtung nach-
weisen. W. Hunter, Burns, Sandifort, Krummacher, Blumenbach,
Reuſs, Bojanus, Pockels.

3. Die drei Mündungen existiren; sie haben jedoch nur eine
temporäre Existenz. John Hunter, Lobstein (nach seiner Ver-
muthung), Meckel (nach literarischen Angaben). Seiler u. A.

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[58/0086] III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. Oeffnung an, während nach Heusinger (Zeitschrift für die organ. Physik II. S. 514.) an den Mündungen der Tuben durchaus keine existirt, die decidua dagegen an dem Gebärmutterhalse immer zarter wird, so daſs sie hier äuſserst leicht zerreiſst. Nach unten aber befindet sich (dslb. Zeitschr. Bd. 1. S. 465.) ein gallertarti- ger Pfropf, welcher die Mündung der Gebärmutter schlieſst. Burdach (Physiol. II. S. 73.) sah deutlich, wie die Mündungen der Tuben von der decidua verschlossen wurden; in der Nähe des Muttermundes dagegen ist sie nur dünner, lockerer und weniger gefäſsreich. R. Wag- ner, welcher der irrthümlichen Ansicht ist, daſs John Hunter die Oeff- nungen der decidua genau beschrieben habe (Meck. Arch. 1830. S. 76.), folgert aus der Reihe der ihm bekannten Beobachtungen (S. 100.), daſs die hinfällige Haut entweder eine überall geschlossene Blase darstelle oder daſs sie nach unten und an einer oder an allen bei- den Trompetenmündungen offen sey. Daſs Seiler in Consequenz seiner Ansicht der decidua überhaupt drei Oeffnungen annimmt, welche später geschlossen werden, haben wir oben schon ange- führt. Velpeau (Heusinger’s Zeitschrift II. S. 69.) hielt in einem früheren Berichte die Oeffnungen für zufällig, läugnet sie dagegen in seinem neuesten Werke (Embryologie p. 3.) in dem normalen und natürlichen Zustande gänzlich. Die Verlängerungen, welche nach Breschet (l. c. p. 98.) sich nur in die Tuben (bisweilen so- gar nur in eine, was jedoch wahrscheinlich nur zufällig ist) er- strecken, sind hier stets geschlossen. Der Muttermund wird durch den Gallertpfropf noch besonders verschlossen. Fassen wir nun kürzlich die vielfach abweichenden Angaben der Schriftsteller über die Oeffnungen der decidua zusammen, so erhalten wir folgende Rubriken: 1. Diejenigen, denen decidua nichts ist, als die aufgelockerte Schleimhaut der Gebärmutter, müssen natürlich ursprünglich drei Oeffnungen annehmen. Hierher gehören besonders Oken, Bär, Raspail, Seiler u. A. 2. Die drei Mündungen lassen sich durch Beobachtung nach- weisen. W. Hunter, Burns, Sandifort, Krummacher, Blumenbach, Reuſs, Bojanus, Pockels. 3. Die drei Mündungen existiren; sie haben jedoch nur eine temporäre Existenz. John Hunter, Lobstein (nach seiner Ver- muthung), Meckel (nach literarischen Angaben). Seiler u. A.

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/86>, abgerufen am 22.11.2024.