dorf, in dem gesetzten Alter von vierzig Jahren, ist ein sehr kluger, einsichtsvoller Demokrat und ein Mann von reifer Erfahrung. Er kennt Europa sehr genau, besonders England." Vornehmlich Oelsner und Kerner knüpften mit Schlabrendorf enge Freundschaft. Während der Schreckenszeit wurde dieser, wie jeder ausgezeichnete Mann, schon als Ausländer und Graf, besonders aber auch als Freund von Condorcet, Mercier und Brissot, den damaligen Gewalthabern verdächtig, und mußte achtzehn Monate im Kerker zubringen, früher in der Conciergerie, nachher im Pallast Luxemburg, Tag für Tag des Beils der Guillotine gewärtig, ohne daß dieser Zustand sein Gemüth erschütterte oder seine Ansichten wankend machte. Seine Haare wurden jedoch grau, und sein langer Bart erschien ihm hier zuerst als eine männliche Zierde, die er ungern wieder ablegte, als sie ihm nicht mehr aufgedrungen war.
In dem Gefängnisse fand seine Gesprächigkeit, seine Umgangsgüte reiche Nahrung. Er gab Rath, er leistete Hülfe aus seinen Geldmitteln, er setzte die Vertheidi¬ gungsschriften -- die stets vergeblichen -- mancher Mit¬ gefangenen auf, er unterrichtete die Lernbegierigen zum Nutzen und zur Unterhaltung in Sprach- und Sach¬ kenntnissen. Eine Zeitlang wußte er sich durch den Banquier Schütz über Basel einige Summen aus dem Vaterlande zu verschaffen; da er fast alle Baarschaft unter die dürftigen Mitgefangenen austheilte, so gaben
dorf, in dem geſetzten Alter von vierzig Jahren, iſt ein ſehr kluger, einſichtsvoller Demokrat und ein Mann von reifer Erfahrung. Er kennt Europa ſehr genau, beſonders England.” Vornehmlich Oelsner und Kerner knuͤpften mit Schlabrendorf enge Freundſchaft. Waͤhrend der Schreckenszeit wurde dieſer, wie jeder ausgezeichnete Mann, ſchon als Auslaͤnder und Graf, beſonders aber auch als Freund von Condorcet, Mercier und Briſſot, den damaligen Gewalthabern verdaͤchtig, und mußte achtzehn Monate im Kerker zubringen, fruͤher in der Conciergerie, nachher im Pallaſt Luxemburg, Tag fuͤr Tag des Beils der Guillotine gewaͤrtig, ohne daß dieſer Zuſtand ſein Gemuͤth erſchuͤtterte oder ſeine Anſichten wankend machte. Seine Haare wurden jedoch grau, und ſein langer Bart erſchien ihm hier zuerſt als eine maͤnnliche Zierde, die er ungern wieder ablegte, als ſie ihm nicht mehr aufgedrungen war.
In dem Gefaͤngniſſe fand ſeine Geſpraͤchigkeit, ſeine Umgangsguͤte reiche Nahrung. Er gab Rath, er leiſtete Huͤlfe aus ſeinen Geldmitteln, er ſetzte die Vertheidi¬ gungsſchriften — die ſtets vergeblichen — mancher Mit¬ gefangenen auf, er unterrichtete die Lernbegierigen zum Nutzen und zur Unterhaltung in Sprach- und Sach¬ kenntniſſen. Eine Zeitlang wußte er ſich durch den Banquier Schuͤtz uͤber Baſel einige Summen aus dem Vaterlande zu verſchaffen; da er faſt alle Baarſchaft unter die duͤrftigen Mitgefangenen austheilte, ſo gaben
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dorf, in dem geſetzten Alter von vierzig Jahren, iſt ein
ſehr kluger, einſichtsvoller Demokrat und ein Mann
von reifer Erfahrung. Er kennt Europa ſehr genau,
beſonders England.” Vornehmlich Oelsner und Kerner
knuͤpften mit Schlabrendorf enge Freundſchaft. Waͤhrend
der Schreckenszeit wurde dieſer, wie jeder ausgezeichnete
Mann, ſchon als Auslaͤnder und Graf, beſonders aber
auch als Freund von Condorcet, Mercier und Briſſot,
den damaligen Gewalthabern verdaͤchtig, und mußte
achtzehn Monate im Kerker zubringen, fruͤher in der
Conciergerie, nachher im Pallaſt Luxemburg, Tag fuͤr
Tag des Beils der Guillotine gewaͤrtig, ohne daß dieſer
Zuſtand ſein Gemuͤth erſchuͤtterte oder ſeine Anſichten
wankend machte. Seine Haare wurden jedoch grau,
und ſein langer Bart erſchien ihm hier zuerſt als eine
maͤnnliche Zierde, die er ungern wieder ablegte, als ſie
ihm nicht mehr aufgedrungen war.
In dem Gefaͤngniſſe fand ſeine Geſpraͤchigkeit, ſeine
Umgangsguͤte reiche Nahrung. Er gab Rath, er leiſtete
Huͤlfe aus ſeinen Geldmitteln, er ſetzte die Vertheidi¬
gungsſchriften — die ſtets vergeblichen — mancher Mit¬
gefangenen auf, er unterrichtete die Lernbegierigen zum
Nutzen und zur Unterhaltung in Sprach- und Sach¬
kenntniſſen. Eine Zeitlang wußte er ſich durch den
Banquier Schuͤtz uͤber Baſel einige Summen aus dem
Vaterlande zu verſchaffen; da er faſt alle Baarſchaft
unter die duͤrftigen Mitgefangenen austheilte, ſo gaben
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/160>, abgerufen am 23.11.2024.
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