unstreitig auch aus seiner Feder geflossen; dem Kapell¬ meister Reichardt, den man lange als Verfasser insge¬ heim, und später, als die Gefahr geschwunden war, öffentlich genannt hatte, gebührt nur das Verdienst, dem Buche ein muthvoller (wenngleich anonymer) Her¬ ausgeber gewesen zu sein, und dem Texte vielleicht hin und wieder einen Zusatz oder eine im Einzelnen nöthig erachtete Ausdrucksveränderung gegeben zu haben.
Unter Napoleons Herrschaft hatte Schlabrendorf seine heitern Freiheitshoffnungen fast ganz in düstern Haß gegen den selbstsüchtigen Zerstörer derselben zusam¬ mengezogen. Wie früh er dessen wahre Art und Be¬ deutung in Betreff der französischen Zustände erkannt, berichtet uns schon vom Jahre 1801 her sehr artig Jacobi, der in einem späteren Briefe an Klinger sagt: "Ein in jeder Absicht ausgezeichneter Mann, ein Deutscher, der die ganze französische Revolution zu Paris durchgelebt und durcherfahren hat, -- er wurde schon 1786 in London mein Freund, und ich fand ihn vor nun zwei Jahren in Frankreich wieder, -- dieser sagte zu mir: "Es war acht Jahre lang hier Alles drunter und drüber gegangen, wie in einer Bauern¬ schenke, einem Saufgelage, wo Einer den Andern über¬ schreit, eine Prügelei die andere ablöst. Da trat Bona¬ parte mit seinem Holla! auf. Holla! rief er, und nur ein Holla machte er. Sein Erstes war, alle Lichter auszublasen. Er brachte keine Entscheidung, sondern
unſtreitig auch aus ſeiner Feder gefloſſen; dem Kapell¬ meiſter Reichardt, den man lange als Verfaſſer insge¬ heim, und ſpaͤter, als die Gefahr geſchwunden war, oͤffentlich genannt hatte, gebuͤhrt nur das Verdienſt, dem Buche ein muthvoller (wenngleich anonymer) Her¬ ausgeber geweſen zu ſein, und dem Texte vielleicht hin und wieder einen Zuſatz oder eine im Einzelnen noͤthig erachtete Ausdrucksveraͤnderung gegeben zu haben.
Unter Napoleons Herrſchaft hatte Schlabrendorf ſeine heitern Freiheitshoffnungen faſt ganz in duͤſtern Haß gegen den ſelbſtſuͤchtigen Zerſtoͤrer derſelben zuſam¬ mengezogen. Wie fruͤh er deſſen wahre Art und Be¬ deutung in Betreff der franzoͤſiſchen Zuſtaͤnde erkannt, berichtet uns ſchon vom Jahre 1801 her ſehr artig Jacobi, der in einem ſpaͤteren Briefe an Klinger ſagt: „Ein in jeder Abſicht ausgezeichneter Mann, ein Deutſcher, der die ganze franzoͤſiſche Revolution zu Paris durchgelebt und durcherfahren hat, — er wurde ſchon 1786 in London mein Freund, und ich fand ihn vor nun zwei Jahren in Frankreich wieder, — dieſer ſagte zu mir: „Es war acht Jahre lang hier Alles drunter und druͤber gegangen, wie in einer Bauern¬ ſchenke, einem Saufgelage, wo Einer den Andern uͤber¬ ſchreit, eine Pruͤgelei die andere abloͤſt. Da trat Bona¬ parte mit ſeinem Holla! auf. Holla! rief er, und nur ein Holla machte er. Sein Erſtes war, alle Lichter auszublaſen. Er brachte keine Entſcheidung, ſondern
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unſtreitig auch aus ſeiner Feder gefloſſen; dem Kapell¬
meiſter Reichardt, den man lange als Verfaſſer insge¬
heim, und ſpaͤter, als die Gefahr geſchwunden war,
oͤffentlich genannt hatte, gebuͤhrt nur das Verdienſt,
dem Buche ein muthvoller (wenngleich anonymer) Her¬
ausgeber geweſen zu ſein, und dem Texte vielleicht hin
und wieder einen Zuſatz oder eine im Einzelnen noͤthig
erachtete Ausdrucksveraͤnderung gegeben zu haben.
Unter Napoleons Herrſchaft hatte Schlabrendorf
ſeine heitern Freiheitshoffnungen faſt ganz in duͤſtern
Haß gegen den ſelbſtſuͤchtigen Zerſtoͤrer derſelben zuſam¬
mengezogen. Wie fruͤh er deſſen wahre Art und Be¬
deutung in Betreff der franzoͤſiſchen Zuſtaͤnde erkannt,
berichtet uns ſchon vom Jahre 1801 her ſehr artig
Jacobi, der in einem ſpaͤteren Briefe an Klinger ſagt:
„Ein in jeder Abſicht ausgezeichneter Mann, ein
Deutſcher, der die ganze franzoͤſiſche Revolution zu
Paris durchgelebt und durcherfahren hat, — er wurde
ſchon 1786 in London mein Freund, und ich fand ihn
vor nun zwei Jahren in Frankreich wieder, — dieſer
ſagte zu mir: „Es war acht Jahre lang hier Alles
drunter und druͤber gegangen, wie in einer Bauern¬
ſchenke, einem Saufgelage, wo Einer den Andern uͤber¬
ſchreit, eine Pruͤgelei die andere abloͤſt. Da trat Bona¬
parte mit ſeinem Holla! auf. Holla! rief er, und nur
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auszublaſen. Er brachte keine Entſcheidung, ſondern
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/165>, abgerufen am 23.11.2024.
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