Schlabrendorf Anmuthiges und Gefälliges erzählt, möge dort nachgelesen werden. --
Merkwürdig und unterhaltend wird es dem Leser sein, den edlen Greis aus der Feder seines Freundes Oelsner, um dessen allzufrühen Abschied wir auch schon trauern müssen, mit aller Unbefangenheit vertrauli¬ cher Mittheilung rückhaltlos geschildert zu finden. Er schreibt:
-- "Bei meiner Rückkehr von Plombieres fand ich Schlabrendorf nicht mehr. Obwohl ich ihn krank wußte, länger und gefährlicher, als er selbst glaubte, hatte ich doch nicht gefürchtet, daß er schon so früh entschlum¬ mern würde. Vielleicht ist gefehlt worden, daß man ihn, ohne Uebergang, aus der verdickten Atmosphäre seiner Wohnung in ein luftiges Krankenhaus versetzte. Ihm selbst wird vorgeworfen, er habe, der Bedenklich¬ keit seines Zustandes inne, die Mittel der Genesung übertrieben. -- So alt er auch geworden, hat er doch eigentlich sein Leben abgekürzt durch die thörichte Lebensweise, in welche er, aus einer Art von Sparren, versunken war. Nur eine sehr gesunde und kräftige Natur konnte, ohne zu wanken, das Einsitzen, den Schmutz, die elende Kost, zehn Jahre lang, aushalten. Zuverlässig war sein Körper auf Dauer organisirt. Es ist unglaublich, was dieser zu entbehren vermochte. In früheren Jahren hat ihm Schlabrendorf bisweilen, zur Probe, zweimal vierundzwanzig Stunden, und mehr,
Schlabrendorf Anmuthiges und Gefaͤlliges erzaͤhlt, moͤge dort nachgeleſen werden. —
Merkwuͤrdig und unterhaltend wird es dem Leſer ſein, den edlen Greis aus der Feder ſeines Freundes Oelsner, um deſſen allzufruͤhen Abſchied wir auch ſchon trauern muͤſſen, mit aller Unbefangenheit vertrauli¬ cher Mittheilung ruͤckhaltlos geſchildert zu finden. Er ſchreibt:
— „Bei meiner Ruͤckkehr von Plombieres fand ich Schlabrendorf nicht mehr. Obwohl ich ihn krank wußte, laͤnger und gefaͤhrlicher, als er ſelbſt glaubte, hatte ich doch nicht gefuͤrchtet, daß er ſchon ſo fruͤh entſchlum¬ mern wuͤrde. Vielleicht iſt gefehlt worden, daß man ihn, ohne Uebergang, aus der verdickten Atmoſphaͤre ſeiner Wohnung in ein luftiges Krankenhaus verſetzte. Ihm ſelbſt wird vorgeworfen, er habe, der Bedenklich¬ keit ſeines Zuſtandes inne, die Mittel der Geneſung uͤbertrieben. — So alt er auch geworden, hat er doch eigentlich ſein Leben abgekuͤrzt durch die thoͤrichte Lebensweiſe, in welche er, aus einer Art von Sparren, verſunken war. Nur eine ſehr geſunde und kraͤftige Natur konnte, ohne zu wanken, das Einſitzen, den Schmutz, die elende Koſt, zehn Jahre lang, aushalten. Zuverlaͤſſig war ſein Koͤrper auf Dauer organiſirt. Es iſt unglaublich, was dieſer zu entbehren vermochte. In fruͤheren Jahren hat ihm Schlabrendorf bisweilen, zur Probe, zweimal vierundzwanzig Stunden, und mehr,
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Schlabrendorf Anmuthiges und Gefaͤlliges erzaͤhlt, moͤge
dort nachgeleſen werden. —
Merkwuͤrdig und unterhaltend wird es dem Leſer
ſein, den edlen Greis aus der Feder ſeines Freundes
Oelsner, um deſſen allzufruͤhen Abſchied wir auch ſchon
trauern muͤſſen, mit aller Unbefangenheit vertrauli¬
cher Mittheilung ruͤckhaltlos geſchildert zu finden. Er
ſchreibt:
— „Bei meiner Ruͤckkehr von Plombieres fand ich
Schlabrendorf nicht mehr. Obwohl ich ihn krank wußte,
laͤnger und gefaͤhrlicher, als er ſelbſt glaubte, hatte ich
doch nicht gefuͤrchtet, daß er ſchon ſo fruͤh entſchlum¬
mern wuͤrde. Vielleicht iſt gefehlt worden, daß man
ihn, ohne Uebergang, aus der verdickten Atmoſphaͤre
ſeiner Wohnung in ein luftiges Krankenhaus verſetzte.
Ihm ſelbſt wird vorgeworfen, er habe, der Bedenklich¬
keit ſeines Zuſtandes inne, die Mittel der Geneſung
uͤbertrieben. — So alt er auch geworden, hat er
doch eigentlich ſein Leben abgekuͤrzt durch die thoͤrichte
Lebensweiſe, in welche er, aus einer Art von Sparren,
verſunken war. Nur eine ſehr geſunde und kraͤftige
Natur konnte, ohne zu wanken, das Einſitzen, den
Schmutz, die elende Koſt, zehn Jahre lang, aushalten.
Zuverlaͤſſig war ſein Koͤrper auf Dauer organiſirt. Es
iſt unglaublich, was dieſer zu entbehren vermochte. In
fruͤheren Jahren hat ihm Schlabrendorf bisweilen, zur
Probe, zweimal vierundzwanzig Stunden, und mehr,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/178>, abgerufen am 23.11.2024.
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