"Schwanken nicht jene üppig-ärmlichen Bürger, denen Hofgunst Obdach erbaut, noch im Sprachbau unfindig, zwischen Mir zeitlebens und Mich?"
-- O nein, in beide haben sie längst sich förmlich getheilt; denn ausschließlich gehört den Vornehmsten ihr ewiges Mir; drum bleibt auch der rohen Menge nichts weiter, als das geringere Mich: und warum belächelt ihr Spötter den stillen Vertrag? Theilt Recht und Pflicht man wohl anders! Fühlt zum Herrscher erst jemand den Ruf, gleich kennt er sonst nichts, als sein Recht, doch weh dem Machtlosen, der stets nur be¬ herrscht wird; ihm gebührt bloß zu wissen, zu üben, seine Pflichten allein.
7. Bruderzeichen und Sammelort.
Das noch Gestaltlose, wer zeichnet's! dennoch ahn¬ den wir fern hinaus geistiges Menschthum, schon nicht rastend mehr heut, und ewig nicht mehr: nur verhüllt ein heiliges Dunkel oft uns der Weihe Pfad zum hehren Bundeskreise: liegt doch sein räthselhaftes Wo und Wie nicht bloß hienieden und nicht jenseits allein; denn immerfort, zwischen beiderlei Welten, schwebet und schwanket der ächte Mensch*: drum blickt er, bald mit¬ leidsvoll, herab auf die eine, bald verzagend, hinauf nach der andern; und so schwingt, über manch irdische Argheit, gern sich Vernunftstolz; ja so schmiegt auch
6. In naͤmlicher Mundart Partheiſinn.
„Schwanken nicht jene uͤppig-aͤrmlichen Buͤrger, denen Hofgunſt Obdach erbaut, noch im Sprachbau unfindig, zwiſchen Mir zeitlebens und Mich?”
— O nein, in beide haben ſie laͤngſt ſich foͤrmlich getheilt; denn ausſchließlich gehoͤrt den Vornehmſten ihr ewiges Mir; drum bleibt auch der rohen Menge nichts weiter, als das geringere Mich: und warum belaͤchelt ihr Spoͤtter den ſtillen Vertrag? Theilt Recht und Pflicht man wohl anders! Fuͤhlt zum Herrſcher erſt jemand den Ruf, gleich kennt er ſonſt nichts, als ſein Recht, doch weh dem Machtloſen, der ſtets nur be¬ herrſcht wird; ihm gebuͤhrt bloß zu wiſſen, zu uͤben, ſeine Pflichten allein.
7. Bruderzeichen und Sammelort.
Das noch Geſtaltloſe, wer zeichnet’s! dennoch ahn¬ den wir fern hinaus geiſtiges Menſchthum, ſchon nicht raſtend mehr heut, und ewig nicht mehr: nur verhuͤllt ein heiliges Dunkel oft uns der Weihe Pfad zum hehren Bundeskreiſe: liegt doch ſein raͤthſelhaftes Wo und Wie nicht bloß hienieden und nicht jenſeits allein; denn immerfort, zwiſchen beiderlei Welten, ſchwebet und ſchwanket der aͤchte Menſch*: drum blickt er, bald mit¬ leidsvoll, herab auf die eine, bald verzagend, hinauf nach der andern; und ſo ſchwingt, uͤber manch irdiſche Argheit, gern ſich Vernunftſtolz; ja ſo ſchmiegt auch
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6. In naͤmlicher Mundart Partheiſinn.
„Schwanken nicht jene uͤppig-aͤrmlichen Buͤrger,
denen Hofgunſt Obdach erbaut, noch im Sprachbau
unfindig, zwiſchen Mir zeitlebens und Mich?”
— O nein, in beide haben ſie laͤngſt ſich foͤrmlich
getheilt; denn ausſchließlich gehoͤrt den Vornehmſten ihr
ewiges Mir; drum bleibt auch der rohen Menge nichts
weiter, als das geringere Mich: und warum belaͤchelt
ihr Spoͤtter den ſtillen Vertrag? Theilt Recht und
Pflicht man wohl anders! Fuͤhlt zum Herrſcher erſt
jemand den Ruf, gleich kennt er ſonſt nichts, als ſein
Recht, doch weh dem Machtloſen, der ſtets nur be¬
herrſcht wird; ihm gebuͤhrt bloß zu wiſſen, zu uͤben,
ſeine Pflichten allein.
7. Bruderzeichen und Sammelort.
Das noch Geſtaltloſe, wer zeichnet’s! dennoch ahn¬
den wir fern hinaus geiſtiges Menſchthum, ſchon nicht
raſtend mehr heut, und ewig nicht mehr: nur verhuͤllt
ein heiliges Dunkel oft uns der Weihe Pfad zum hehren
Bundeskreiſe: liegt doch ſein raͤthſelhaftes Wo und Wie
nicht bloß hienieden und nicht jenſeits allein; denn
immerfort, zwiſchen beiderlei Welten, ſchwebet und
ſchwanket der aͤchte Menſch*: drum blickt er, bald mit¬
leidsvoll, herab auf die eine, bald verzagend, hinauf
nach der andern; und ſo ſchwingt, uͤber manch irdiſche
Argheit, gern ſich Vernunftſtolz; ja ſo ſchmiegt auch
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/198>, abgerufen am 23.11.2024.
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