Geometrie fühlte, den Unterschied zwischen ihr und der Art Ueberzeugung, welche aus Wolf's demonstrativer Methode hervorgehen sollte. So wie es mir in der Geometrie mit dem Satze der Gleichheit der Parallelo¬ gramme ging, so ging es mir mit dem Beweise, den Baumgarten in seiner Metaphysik von dem Satz des zureichenden Grundes giebt: ich fühlte das Spiel mit Worten, aber auflösen konnte ich den dialektischen Schein noch nicht. Ich zweifelte an allen Sätzen der Wolfi¬ schen Philosophie, nur nicht an der Richtigkeit ihrer Methode. Ich versuchte immer noch ihre evidente Be¬ gründung: und ich versuchte sie vorzüglich durch die Konstruktion des Realen oder in der Anschauung Er¬ kennbaren, durch das bloße Denken, worauf mich die Wolfische Erklärung der Wirklichkeit, die ich als richtig voraussetzte, brachte. Von dem Satz: ich denke mich, wollte ich durch Entwickelung dessen, was ich nothwen¬ dig denke, wenn ich mich denke, zu allen nur denkbaren Prädikaten einer Substanz, und von da aus, durch Aufhebung der Schranken dieser Prädikate, zu Gott, und, durch das Bestimmen der Grade dieser Schranken und der Kombinationen dieser so bestimmten Prädikate, zur Welt gelangen. An diesem absoluten Dogmatis¬ mus, der Gott und die Welt aus mir hervorgehen ließ, und den ich immer noch nur als die Vollendung der Wolfischen Philosophie ansah, ob es gleich eigentlich Spinozismus hätte werden müssen, sobald es nicht als
Geometrie fuͤhlte, den Unterſchied zwiſchen ihr und der Art Ueberzeugung, welche aus Wolf’s demonſtrativer Methode hervorgehen ſollte. So wie es mir in der Geometrie mit dem Satze der Gleichheit der Parallelo¬ gramme ging, ſo ging es mir mit dem Beweiſe, den Baumgarten in ſeiner Metaphyſik von dem Satz des zureichenden Grundes giebt: ich fuͤhlte das Spiel mit Worten, aber aufloͤſen konnte ich den dialektiſchen Schein noch nicht. Ich zweifelte an allen Saͤtzen der Wolfi¬ ſchen Philoſophie, nur nicht an der Richtigkeit ihrer Methode. Ich verſuchte immer noch ihre evidente Be¬ gruͤndung: und ich verſuchte ſie vorzuͤglich durch die Konſtruktion des Realen oder in der Anſchauung Er¬ kennbaren, durch das bloße Denken, worauf mich die Wolfiſche Erklaͤrung der Wirklichkeit, die ich als richtig vorausſetzte, brachte. Von dem Satz: ich denke mich, wollte ich durch Entwickelung deſſen, was ich nothwen¬ dig denke, wenn ich mich denke, zu allen nur denkbaren Praͤdikaten einer Subſtanz, und von da aus, durch Aufhebung der Schranken dieſer Praͤdikate, zu Gott, und, durch das Beſtimmen der Grade dieſer Schranken und der Kombinationen dieſer ſo beſtimmten Praͤdikate, zur Welt gelangen. An dieſem abſoluten Dogmatis¬ mus, der Gott und die Welt aus mir hervorgehen ließ, und den ich immer noch nur als die Vollendung der Wolfiſchen Philoſophie anſah, ob es gleich eigentlich Spinozismus haͤtte werden muͤſſen, ſobald es nicht als
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Geometrie fuͤhlte, den Unterſchied zwiſchen ihr und der
Art Ueberzeugung, welche aus Wolf’s demonſtrativer
Methode hervorgehen ſollte. So wie es mir in der
Geometrie mit dem Satze der Gleichheit der Parallelo¬
gramme ging, ſo ging es mir mit dem Beweiſe, den
Baumgarten in ſeiner Metaphyſik von dem Satz des
zureichenden Grundes giebt: ich fuͤhlte das Spiel mit
Worten, aber aufloͤſen konnte ich den dialektiſchen Schein
noch nicht. Ich zweifelte an allen Saͤtzen der Wolfi¬
ſchen Philoſophie, nur nicht an der Richtigkeit ihrer
Methode. Ich verſuchte immer noch ihre evidente Be¬
gruͤndung: und ich verſuchte ſie vorzuͤglich durch die
Konſtruktion des Realen oder in der Anſchauung Er¬
kennbaren, durch das bloße Denken, worauf mich die
Wolfiſche Erklaͤrung der Wirklichkeit, die ich als richtig
vorausſetzte, brachte. Von dem Satz: ich denke mich,
wollte ich durch Entwickelung deſſen, was ich nothwen¬
dig denke, wenn ich mich denke, zu allen nur denkbaren
Praͤdikaten einer Subſtanz, und von da aus, durch
Aufhebung der Schranken dieſer Praͤdikate, zu Gott,
und, durch das Beſtimmen der Grade dieſer Schranken
und der Kombinationen dieſer ſo beſtimmten Praͤdikate,
zur Welt gelangen. An dieſem abſoluten Dogmatis¬
mus, der Gott und die Welt aus mir hervorgehen ließ,
und den ich immer noch nur als die Vollendung der
Wolfiſchen Philoſophie anſah, ob es gleich eigentlich
Spinozismus haͤtte werden muͤſſen, ſobald es nicht als
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/251>, abgerufen am 24.11.2024.
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