nur eine schlechte Handlung begangen zu haben, ein schlechter Mensch geworden zu sein.
Nun entwickelte sich endlich meine Bestimmung. Früher, im Jahre 1785, machte ich die Bekanntschaft des Hofraths von Siebold auf einer seiner Reisen durch Nürnberg. Diesen für seine Kunst einzig lebenden Mann gewannen meine wenigen medicinischen und chirurgischen Kenntnisse, er ermahnte mich, mich ganz der Heilkunde zu widmen, und versprach mir, wenn ich Würzburg zu meinem Aufenthalte wählen wollte, mich auf das möglichste zu unterstützen. Ich dachte aber nicht daran, bis im Jahr 1787 meine Mutter starb. Nach bestän¬ digem Kränkeln fand ich sie eines Morgens mit einer rothlaufähnlichen Geschwulst am Kopfe und im Gesichte ohne Besinnung im Bette, und meine Versuche, sie ihr zu geben, waren fruchtlos, sie starb noch am näm¬ lichen Tage. Ich habe bisher noch keinen Kranken in ähnlichem Zustande gesehen, und kann daher auch nicht sagen, ob ich sie richtig oder falsch behandelt; ich wählte zur versuchten Heilung Blutegel, Blasen¬ pflaster und Klystiere. Der Tod meiner Mutter ver¬ anlaßte mich, über meine künftige Lebensart reiflicher, als bisher, nachzudenken. Ich fand es billig, daß mein Vater nochmals heirathen sollte, und daß ich, um ihm nicht im Wege zu sein, das Haus verließe. Ich er¬ innerte mich Siebold's Versprechen und ging im Herbste 1788 mit meinem Freunde Osterhausen nach Würzburg.
nur eine ſchlechte Handlung begangen zu haben, ein ſchlechter Menſch geworden zu ſein.
Nun entwickelte ſich endlich meine Beſtimmung. Fruͤher, im Jahre 1785, machte ich die Bekanntſchaft des Hofraths von Siebold auf einer ſeiner Reiſen durch Nuͤrnberg. Dieſen fuͤr ſeine Kunſt einzig lebenden Mann gewannen meine wenigen mediciniſchen und chirurgiſchen Kenntniſſe, er ermahnte mich, mich ganz der Heilkunde zu widmen, und verſprach mir, wenn ich Wuͤrzburg zu meinem Aufenthalte waͤhlen wollte, mich auf das moͤglichſte zu unterſtuͤtzen. Ich dachte aber nicht daran, bis im Jahr 1787 meine Mutter ſtarb. Nach beſtaͤn¬ digem Kraͤnkeln fand ich ſie eines Morgens mit einer rothlaufaͤhnlichen Geſchwulſt am Kopfe und im Geſichte ohne Beſinnung im Bette, und meine Verſuche, ſie ihr zu geben, waren fruchtlos, ſie ſtarb noch am naͤm¬ lichen Tage. Ich habe bisher noch keinen Kranken in aͤhnlichem Zuſtande geſehen, und kann daher auch nicht ſagen, ob ich ſie richtig oder falſch behandelt; ich waͤhlte zur verſuchten Heilung Blutegel, Blaſen¬ pflaſter und Klyſtiere. Der Tod meiner Mutter ver¬ anlaßte mich, uͤber meine kuͤnftige Lebensart reiflicher, als bisher, nachzudenken. Ich fand es billig, daß mein Vater nochmals heirathen ſollte, und daß ich, um ihm nicht im Wege zu ſein, das Haus verließe. Ich er¬ innerte mich Siebold's Verſprechen und ging im Herbſte 1788 mit meinem Freunde Oſterhauſen nach Wuͤrzburg.
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nur eine ſchlechte Handlung begangen zu haben, ein
ſchlechter Menſch geworden zu ſein.
Nun entwickelte ſich endlich meine Beſtimmung.
Fruͤher, im Jahre 1785, machte ich die Bekanntſchaft
des Hofraths von Siebold auf einer ſeiner Reiſen durch
Nuͤrnberg. Dieſen fuͤr ſeine Kunſt einzig lebenden Mann
gewannen meine wenigen mediciniſchen und chirurgiſchen
Kenntniſſe, er ermahnte mich, mich ganz der Heilkunde
zu widmen, und verſprach mir, wenn ich Wuͤrzburg
zu meinem Aufenthalte waͤhlen wollte, mich auf das
moͤglichſte zu unterſtuͤtzen. Ich dachte aber nicht daran,
bis im Jahr 1787 meine Mutter ſtarb. Nach beſtaͤn¬
digem Kraͤnkeln fand ich ſie eines Morgens mit einer
rothlaufaͤhnlichen Geſchwulſt am Kopfe und im Geſichte
ohne Beſinnung im Bette, und meine Verſuche, ſie
ihr zu geben, waren fruchtlos, ſie ſtarb noch am naͤm¬
lichen Tage. Ich habe bisher noch keinen Kranken
in aͤhnlichem Zuſtande geſehen, und kann daher auch
nicht ſagen, ob ich ſie richtig oder falſch behandelt;
ich waͤhlte zur verſuchten Heilung Blutegel, Blaſen¬
pflaſter und Klyſtiere. Der Tod meiner Mutter ver¬
anlaßte mich, uͤber meine kuͤnftige Lebensart reiflicher,
als bisher, nachzudenken. Ich fand es billig, daß mein
Vater nochmals heirathen ſollte, und daß ich, um ihm
nicht im Wege zu ſein, das Haus verließe. Ich er¬
innerte mich Siebold's Verſprechen und ging im Herbſte
1788 mit meinem Freunde Oſterhauſen nach Wuͤrzburg.
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/263>, abgerufen am 24.11.2024.
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